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Schnitzeljagd auf Kosten der Natur

Mithilfe moderner Technik wird die Natur wieder zum beliebten Freizeitziel: Das sogenannte Geocaching ist eine Art Schnitzeljagd mit GPS-Empfängern. Waldbesitzer allerdings sind von dem Trend oft alles andere als begeistert.

Von Johanna Herzing |
    "So jetzt sind's noch 40 Meter, ein bisschen halbrechts, jetzt sehen wir hier so einen kleinen Trampelpfad, da sollten wir dann wohl mal lang gehen."

    Ein Naherholungsgebiet im Duisburger Süden: Kleinere Waldstücke, einige Baggerseen, eine Menge Dickicht und: Jens Gronau, der auf der Suche ist. Auf der Suche nach etwas, das er selbst versteckt hat. Jens Gronau ist Geocacher. Suchen, Finden und Verstecken – das ist seine Leidenschaft. Was früher Schnitzeljagd hieß und ein Klassiker für Kinder-Geburtstage war, wird heute vom All aus gesteuert und erfordert eine Menge Technik.

    "Und jetzt fängt langsam das GPS an verrückt zu spielen, weil die Genauigkeit bedingt durch die Bäume nach unten geht, so dass wir jetzt hier einfach mal im Umkreis suchen müssten."

    Zehntausende Deutsche jeglichen Alters ziehen mittlerweile mit einem GPS-Gerät ausgestattet durch Städte, Felder, Wald und Wiesen - auf der Suche nach Filmdöschen, Plastikboxen und anderen sogenannten Caches. Der Inhalt? Kleine Tauschgegenstände, manchmal auch nur das Logbuch, in das sich der Finder einträgt. Über eine Million solcher Verstecke gibt es inzwischen – verstreut auf der ganzen Welt und oft gut getarnt:

    "Und zwar hab ich jetzt hier ein kurzes Holzstück – etwa fünf bis sechs Zentimeter im Durchmesser, das man aufklappen kann. Und drinnen ist ein Stück rausgefräst, so dass da genau ein Filmdöschen reinpasst, wo man auch direkt das entsprechende Logbuch drin platzieren könnte."

    Die Koordinaten zu den Verstecken gibt es in entsprechenden Datenbanken im Internet. Der Bundesverband der deutschen Wanderjugend hat sich schon zum Freund des Geocachings erklärt – endlich ein moderner Weg, Jung und Alt ins Freie zu locken.
    Auf nur mäßige Begeisterung stößt das Hobby allerdings bei den Waldbesitzern. Axel Krähenbrink vom Waldbauern-Verband NRW:

    "Wir freuen uns natürlich sehr, wenn die Leute in unseren Wald gehen und die Leute sich den Wald näher betrachten und eine gewisse Sensibilität dafür bekommen, was Wald und Natur bedeutet. Das Problem ist allerdings, dass sie immer wiederkehren an einer Stelle. Beim Geocaching ist es so, dass die Stelle - einmal verortet - über Monate, vielleicht auch Jahre, immer wieder angesteuert wird."

    Im Eifer des Gefechts sind die Geocacher nicht unbedingt zimperlich. Ein moosüberwachsener Baumstumpf wird da schon mal auseinander genommen und zerpflückt, denn irgendwo muss er schließlich stecken, der Cache.

    "Oftmals ist es ja so, dass den Leuten gar nicht bewusst ist, dass im Wald auch Naturschutzgebiete mit besonderem Schutzstatus vorhanden sind. Das sind zum Beispiel Feuchtgebiete, das sind Moorgebiete, das sind auch Bereiche, die Totholz oder Altholzinseln sind."

    Dass man sich so unter Waldbesitzern und Förstern keine Freunde macht, dessen ist man sich auch in den Internet-Foren der Geocacher bewusst. Neben entsprechenden Hinweisen gebe es aber eine gut funktionierende Selbstregulierung, meint Jens Gronau:

    "Dafür gibt's auch bei geocaching.com die sogenannten Reviewers, das heißt, wenn man einen sogenannten Cache selber anlegt und versteckt, wird der immer noch überprüft. Also es wird überprüft: liegt der in einem Naturschutzgebiet oder auf privatem Grund?"

    Ist dies der Fall, würden die Koordinaten gar nicht erst veröffentlicht. Grundbesitzer, die dennoch ein solches Versteck auf ihrem Gelände gefunden haben, können über die Internetforen Kontakt zu den Geocachern aufnehmen und es dann entfernen lassen. Der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände reicht das nicht. Sie will prüfen, ob es sich bei den Caches nicht um illegale Müll-Ablagerung handelt. Axel Krähenbrink vom nordrhein-westfälischen Waldbauernverband hingegen will die Sache aber nicht ganz so hoch hängen:

    "Also ich fände es falsch, wenn man jetzt bei einer jungen Sportart – kann man fast sagen - einer jungen Freizeitbeschäftigung gleich mit solchen Argumenten auf Rechtsebene zu kommen. Für mich ist es ganz wichtig, dass man erstmal versucht, einen Ausgleich zu suchen zwischen dem Besitzer und denjenigen, die Erholung sprich Freizeit dort suchen."

    Wer ein Versteck anlegen wolle, müsse ja nur vorher beim Eigentümer nachfragen. Ob das realistisch ist? Wohl eher nicht, denn die Spannung – so scheint es – liegt ja doch im heimlichen Tun:

    "Die Tarnung ist ja wieder hergestellt – und jetzt können wir uns eigentlich wieder unauffällig vom Ort entfernen."