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Schön und selten

Vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan. Gerne beobachten wir die stolz anmutenden Tiere auf heimischen Gewässern, die, wenn sie sich bedroht fühlen, auch mal so richtig fauchen und zubeißen können. Höckerschwäne heißen diese Tiere im Fachjargon und sie leben eigentlich ein recht ungestörtes Dasein. Momentan rasten hunderte Artverwandte dieser weißgefiederten Vögel in der Hammeniederung bei Bremen: einer weiten Wiesen- und Ackerlandschaft, ähnlich der Landschaft am Niederrhein, einem anderen großen Rastgebiet für Zugvögel. Die Schwäne, die hier für einige Wochen ihren Rastplatz gefunden haben, sind Zwergschwäne. Diese zählen inzwischen zu den geschützten Vogelarten, da sie weltweit nur noch über eine sehr geringe Population verfügen.

Von Claudia Kalusky |
    Nordische Schwäne sind es, die Zwergschwäne. Sie brüten in der Arktis, von Russland bis hoch nach Sibirien. Diese Schwäne unterscheiden sich vom Höckerschwan in der Farbgebung ihres Schnabels und: Sie sind deutlich kleiner. Das hängt auch mit ihrem weiten Zugziel zusammen. Der Schwan ist ungefähr der schwerste Vogel, der über Muskelkraft in die Luft zu bringen ist. Schwerer als ein Zwergschwan darf so ein Vogel mit diesem fernen Ziel auch nicht sein, denn von ihren Überwinterungsgebieten bis zum arktischen Brutgebiet legen die Tiere mehr als 4.000 Kilometer zurück. Einer der überlebenswichtigen Rastplätze auf dieser Reise ist die Hammeniederung. Carsten Schröder, von der biologischen Station Osterholz-Scharmbeck:

    Die Hammeniederung bietet den Schwänen großflächig offene Landschaft, wo sie ungestört Nahrung aufnehmen können und wo sie auch Wasserflächen haben, auf denen sie die Nacht verbringen können. Das ist eine Station auf ihrem Heimflug aus den Wintergebieten in England und Holland, in Richtung Sibirien. Und hier ist eine Zwischenrast, wo sie besseres Wetter abwarten so´ne Westwinddrift, die dann mit Rückenwind Richtung Norden führt. Nächste Station wäre die Elbtalaue.

    Der Winter war hart und die milden Temperaturen des Frühlings lassen noch auf sich warten. Mindestens zwei Wochen rasten die Tiere, um genügend Nahrung für den Weiterflug aufzunehmen, dann werden sie langsam nervös:

    Eigentlich ist das ganze Zugprogramm bei diesen Arten genetisch programmiert. Die Feinabstimmung läuft nach diesem Prinzip. Es sind immer einige Vögel, die besonders unruhig sind, die schon vorausfliegen. Und wenn sie auf eine Schlechtwetterfront stoßen, wieder zurück kommen, und das kriegen die anderen dann auch mit, und bleiben dann, wenn sie, die Botschafter, wieder kommen, lieber noch eine Zeit lang an dem Ort, wo sie gerade sind.

    Schwäne fliegen, genauso wie Gänse in keilförmigen Formationen. Energetisch ist das sehr günstig für die Vögel. Sie folgen einander im Windschatten und lösen sich dabei gegenseitig ab. Das geht schneller und verbraucht viel weniger Energie. Doch im Gegensatz zu den Gänsen, die man manchmal zu hunderten am Himmel vorüber ziehen sieht, fliegen Schwäne in kleineren Formationen:

    Das Losfliegen von den Rastplätzen, das kann schon auch in größeren Mengen passieren, danach lösen sich die großen Trupps auf. Normal wäre, dass es nicht viel mehr sind, als mehrere Familienverbände. Das ist artspezifisch ganz unterschiedlich. Manche fühlen sich wohl im Trupp von 30, 40 Gänsen oder Schwänen. Bei Schwänen habe ich selten gesehen, dass es über 100 waren.

    Weltweit gibt es nur noch etwa 17.000 Zwergschwäne, schätzt der Biologe Carsten Schröder. Zwischen drei und fünf Eier pro Jahr legt eine Schwanenmutter. Doch da der Zwergschwan in der Arktis nur einen sehr kurzen Sommer erlebt, muss er seine Brut oft ungewollt aufgeben. Naturschützer hierzulande sind sehr bemüht, dem in manchen Jahren raren Nachwuchs bestmögliche Bedingungen zu schaffen. Das ist jedoch nicht immer einfach:

    Sein Problem ist, ausreichend ungestörte nahrungsreiche Rastgebiete zu finden, hier bei uns, zum Beispiel in der Hammeniederung oder in den Überwinterungsgebieten England, Holland oder auch inzwischen schon in Westdeutschland an der Ems. Dadurch, dass zu wenig Rastgebiete in immer größeren Entfernungen zur Verfügung stehen und nicht genug Nahrung aufgenommen werden kann, kommt es in den Überwinterungsgebieten und in den Zuggebieten zu Verlusten dieser Art, die man ausgleichen muss, indem man ausreichende ungestörte Rastplätze zur Verfügung stellt.

    Wichtige Grundlage dafür ist das EU–Vogelschutzprogramm und die damit verbundene EU-Vogelschutzrichtlinie. Diese versucht durch die so genannte "Natura 2000" innerhalb Europas ein zusammenhängendes Netz von Rastplätzen, u.a für den Zwergschwan aufzubauen. Teile der Hammeniederung bei Bremen sind bereits zum EU–Vogelschutzgebiet erklärt, doch das wichtigste Rastgebiet für die Zwergschwäne zählt noch nicht dazu. Ob das bald so sein wird, bleibt abzuwarten. Die Bedeutung des Gebietes ist längst schon bekannt, doch aus politischen Gründen, so Carsten Schröder, kam es bisher noch zu keiner Meldung.