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Schöne bunte Bilderwelt

Friedrich Kunath, 1974 in Chemnitz geboren, könnte zu den jungen bildenden Künstlern gehören, die in naher Zukunft eine größere Rolle spielen in der internationalen Kunstszene. Gerade hat Kunath im Kunstverein in Hannover einen ganzen Raum mit Jeans ausgekleidet hat – eine Jeans-Kathedrale.

Von Carsten Probst |
    Friedrich Kunaths sperrmüllhaltige Großinstallation "Die gescheiterte Hoffnung" zitiert nicht nur das berühmte Eisschollendrama von Caspar David Friedrichs "Eismeer"-Gemälde, sondern verpflanzt auch Inventar aus Albrecht Dürers Kupferstich "Melencholia I" in die Szene – zum Beispiel den in der Kunstgeschichte vielzitierten Polyeder als Nachbildung aus Glas, in dem nun ein ausgestopfter Fuchs als volksmythologisches Symbol der Weisheit gefangen ist. Der pathetischen Empfindungsmystik dieser Installation assistiert auch noch eine fotografische Replik auf Friedrichs Tafelbild "Der Mönch am Meer" an der Wand, in der Kunath sein Bett am Strand aufgeschlagen hat, um sich offenbar mal eine volle Dröhnung unendliche Weiten reinzutun.

    Aber die kleinen kunsthistorischen Pointen in Kunaths Arbeiten blieben blass, wenn man sie ohne den Kontext der Gesamterzählung anträfe, mit der der 1970 in Chemnitz geborene und heute in Los Angeles lebende Künstler die großen, hohen Räume des Kunstvereins Hannover ausgestattet hat. Deren Anordnung zu einem Rundgang eignet sich hervorragend zu einem sarkastischen künstlerischen Kreuzgang in mehreren Kapiteln. Die "Gescheiterte Hoffnung" folgt dabei auf eine patschuligeschwängerte Adoleszenz-Gruft mit jeanstapezierten Wänden, auf die ein Bildertableau zerplatzter Kinder-Kitsch-Romantik aufgebracht ist. Kunaths großformatige Leinwandmalereien assistieren hier mit düster glühenden Farben wie aus gestalttherapeutischen Urangstszenarien, auf die er cartoonhafte Figuren zeichnet, die, wiederum ganz im Geiste des alten Ensors, Schadenfreude zelebrieren und vom einsamen Humor des Clowns künden, der der Rache der Verhöhnten zweifellos nicht entgehen wird.

    Kunaths Curriculum der tragisch scheiternden Popträume setzt sich fort über einen langen Saal, in dem aus einem Paar zerschlissener Turnschuhe eine Schar schwarzer Schnursenkel aufsteigen und in die Höhe, unter das prächtige Oberlicht der Halle fliegen wie die schwarzen Krähen auf dem letzten, schwer jenseitssüchtigen Gemälde Vincent van Goghs. Die Apotheose des Turnschuhs zielt dabei jedoch eigentlich auf einen Plastiksonnenuntergang, der aus einer himmlischen Riesenfaust dargereicht wird, dem Zeichen des Gottesbundes aus der Sintflutgeschichte, gerade recht für den frömmelnden Überbau einer ausgewachsenen Midlife-Crisis.

    Raum für Raum installiert sich Kunath durch den Lebenslauf des medialen Generationenglücks in Untergangsbildern. Es endet, wie anders, mit der großen Heimkehr, der irdischen, dem Wohnzimmersaal mit Socken-TV und zwei weit voneinander entfernten Stühlen, auf denen Strickjacken hängen, die durch einen überlangen Arm miteinander verbunden sind, mit der softlan-weichen Zwangsjacke der Häuslichkeit: von der wir schon im Ausstellungstitel erfahren, dass sie das vorläufige Resultat eines langen Weges ist.

    Doch das wahre, das eigentliche Ende, das schlechthin unausweichliche Memento Mori hatte Friedrich Kunath bereits an den Anfang der Runde gesetzt: den Sarg, der die Träume von ewiger Jugend brutalstmöglich und urkomisch zur Hölle fahren lässt. Und doch bleibt dieser Sarg irgendwie mit diesen Träumen durchdrungen, zeigt er noch mal den letzten Aufstand, die letzte große Geste. Er trägt Jeans.