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Schöner Lehren in Berlin

Der Wissenschaftsrat fordert seit Langem, dass Wissenschaftler als Vorbereitung auf die Lehre auch in ihren didaktischen Fähigkeiten fortgebildet werden müssen. Und so langsam kommen die Dinge offenbar in Gang: In Berlin etwa hat der Senat für alle 14 Hochschulen ein "Zentrum für Hochschullehre" aus der Taufe gehoben.

Von Esther Körfgen | 02.03.2009
    Im Eingangsfoyer der Technischen Uni fällt den Studierenden sofort ein, was ihre Profs in Sachen Didaktik besser mal lernen sollten.

    "Sie rattern ihre Texte runter und das war's und vielleicht mehr Interaktion mit den Studenten."
    "Mein Eindruck ist, dass einige Professoren strikt ihr Programm durchziehen, ohne Augen dafür zu haben, was die Studierenden interessiert oder wo sie hinwollen."

    Sieben Etagen darüber werden Tische und Stühle an die Wand gerückt. Zehn Männer und Frauen stellen sich in die Mitte, sortiert nach ihrer Berufserfahrung. Alles ist hier dabei, von der gerade eingestiegenen Gastdozentin bis zum Professor mit 30 Semestern Lehrerfahrung. Auf der Pinnwand im Hintergrund steht der Titel des Kurses: "Endlich Spaß in der Lehre!" Dozent Stefan Braun rammt mit Heftzwecken versehene Zettel darauf. Auf ihnen stehen Begriffe wie "Ziele" und "Inhalte".

    "Sie müssen klären: Was sind eigentlich Ihre Ziele? Wenn Sie das wissen, dann können Sie sich überlegen, mit welchen Inhalten sie auf die Reise gehen möchten, wenn Sie wissen, welche Inhalte Sie haben, dann können Sie sich überlegen, mit welchen Methoden Sie das Ganze gestalten möchten."

    Und dann geht es ans Eingemachte, es geht um das optimale Planen einer Lehrveranstaltung. Und das heißt, um das Klären vor Vorlesungsbeginn: Wie kann der Lehrstoff so weit wie möglich reduziert werden. Wie findet sich der rote Faden und mit welchen Lehrmethoden lässt sich am meisten Spannung erzeugen? Dozent Stefan Braun weiß, was die Hochschullehrer erfahrungsgemäß am meisten an seinem Kurs beeindruckt: der Einblick in die Psyche ihrer Studierenden:

    "Dass ich den Lehrenden, die eine sehr hohe Expertise in ihrem Fachbereich haben, zeige, was eigentlich in den Köpfen der Studierenden passiert, und dass da ganz andere Kenntnisstände und ganz andere Motivationen und Erwartungen da sind, als sie jetzt der Lehrende hat. Und dass man da so ein bisschen einen Abgleich hinkriegt, dass man Verständnis entwickelt, das ist das, was die Leute in erster Linie mitnehmen, denke ich."

    Die Hochschullehrenden seien mehr oder weniger alle Autodidakten, die eben versuchten, auf eigene Faust ihre Lehrveranstaltungen so gut wie möglich hinzukriegen. Meint der Seminarteilnehmer Uwe Vock, Professor für Design an der Berliner Universität der Künste. Keine Frage: Das neu gegründete Zentrum für Hochschullehre sei dringend nötig.

    "Das Wichtigste ist wahrscheinlich, die eigenen Vorlesungen beziehungsweise den Lernstoff so zu strukturieren, dass er von den Studierenden motiviert aufgenommen wird. Dass die mit Spaß da dran arbeiten. Das große Problem ist, dass immer mehr Studierende so eine Konsumentenhaltung haben, und dass es einfach sehr schwer wird, ihnen den ganzen Stoff zu vermitteln und dazu zu bringen, den Stoff umzusetzen."

    Die bei solchen Problemen weiterhelfen können, nennen sich Hochschuldidaktiker. Ein Beruf mit Zukunft, könnte man sagen, denn nachdem das Interesse an ihnen in den 60er-Jahren groß war und dann wieder abgeebbt ist, lebte es in den 90ern wieder auf: mit der Einführung von Bachelor und Master und der damit erforderlichen Neustrukturierung der Lehrpläne. Und noch immer befindet sich Deutschland in Sachen Didaktik für Hochschullehrer ganz am Anfang, meint Sabine Brendel, Leiterin des Berliner Zentrums:

    "Wenn ich mal sage, wir hätten eine Skala von 100, wage ich die Tendenz zu sagen, vielleicht bei Punkt 30?"

    Das Berliner Kurs-Angebot scheint jedenfalls auf ein großes Bedürfnis zu stoßen. Die Bewerber strömen nur so, für einige Seminare mussten Wartelisten eingeführt werden. Welche Themen besonders beliebt sind:

    "Wir haben ein Seminar, das ist schon ausgebucht, obwohl es erst im Juni ist: Schwierige Situationen in der Lehre meistern, aber auch: Sprechtechnik, Präsentieren und so weiter."

    Auch Konfliktmanagement ist beliebt, und wie man Studierende richtig berät oder prüft. Das Kurs-Angebot soll noch ausgebaut werden. Vorausgesetzt, es wird auch nach Ende des Berliner Bildungsprogramms in zwei Jahren finanziell gefördert.

    Infos:

    tu-berlin.de

    Links zum Thema "Hochschuldidaktik":

    Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung, Uni Hamburg
    und in Dortmund

    Literatur:

    Adi Winteler: Professionell lehren und lernen. Ein Praxisbuch. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt 2005

    Gerd Macke, Ulrike Hanke, Pauline Viehmann: Hochschuldidaktik. Lehren, vortragen, prüfen. Beltz Verlag Weinheim und Basel 2008

    (Zum Nachschlagen in der Uni-Bibliothek:)
    Neues Handbuch Hochschullehre. Lehren und Lernen effizient gestalten. Raabe Fachverlag für Wissenschaftsinformation. Berlin