Im Wiener Museum für Angewandte Kunst ist die Schönheit zuhause: Da spaziert man durch prächtige Gänge und Hallen, vorbei an den wunderbarsten Möbeln vergangener Epochen, vorbei an erlesenen Exemplaren aus Josef Hoffmanns und Henri van de Veldes Schaffen. Dann geht's die Treppe hoch, in den Saal, wo die Ausstellung "Schöner Wohnen" ihren Platz hat - Schock. Hier gibt es auch Möbel. Aber hier ist nichts, wie es war. Hier stehen die Möbel nicht einmal unbedingt, sie liegen, sie hängen, sind aufgeschnitten, sind aufgebockt auf Stahlfüße, alles vor der Riesenkulisse einer Tapete aus kräftigem geripptem Teppichmaterial, große dunkelbraune Punkte auf diagonal laufenden hellbraunen Flächen: 60er-Jahre-Anmutung.
Erwin Wurm ist Jahrgang 1954. Seine Jugend haben die einfachen, vom Muff des 19. Jahrhunderts befreiten Kleinmöbel vor allem der 50er-Jahre begleitet, leicht und beweglich und eher schmucklos. In der von ihm, Erwin Wurm, transformierten Gestalt sind sie Museumskunst geworden. Der schmale hohe Kleiderschrank ist jetzt ein Objekt aus "Holz, Kübel, Lack": die untere Furnier hat der Künstler mit schwarzem Lack überzogen und das ganze traurige Möbel auf zwei schwarze Eimer gestellt - schon ist es nicht mehr traurig, sondern im Gegenteil. Oder die zwei umgedrehten, auf einen Stempel und vier Beine platzierten Kommoden, in die ein Sitz ausgeschnitten ist. Ganz ausgefuchst die "Kredenza", das Über-Buffet sozusagen, elegant kombiniert aus drei aufeinander schwebenden Wohnzimmerschrankteilen, ein Arrangement - ein Kunstwerk durchaus - das über den ärmlichen Eindruck, den diese Möbel heute machen, triumphiert. Ein anderer Schrank mit Vitrine wurde zur Sitzecke mit Bar, in die man sich, entgegen der Absicht des Künstlers, nicht hineinsetzen darf, ebenso wenig wie in das zum Zweisitzer umgebaute glänzend furnierte Sideboard. Einen besonders profanen Kleiderschrank hat Erwin Wurm einfach flachgelegt und so ausgesägt, dass er nun, wiedergeboren als Tisch, auf seinen Eckteilen steht, als seien das immer schon seine Beine gewesen. Die drei Sessel aus der Zeit der eckigen profanierten Neuen Sachlichkeit kennt jeder, der den Schick der 50er in sein Wohnzimmer reingelassen hat, jetzt sind sie dem Zeitgenossen wieder nahe, weil sie in farbigen gestrickten Überzügen stecken: rosa, pink, lila, rot und gelb. Die Schuhe davor, genauso bestrickt, sind der einzige Hinweis auf die wesentliche Bestimmung eines Möbels: seine Nutzbarkeit.
Alle diese "angewandten Skulpturen", Teil einer langfristig angelegten Ausstellungsreihe mit österreichischen Künstlern, hat Erwin Wurm alle im noch jungen Jahr 2011 fertig gestellt; einige davon werden der Sammlung des Museums für Angewandte Kunst einverleibt werden. In seinem bisherigen Schaffen hat Erwin Wurm die Welt der Dinge in diversen Sequenzen auf den Kopf gestellt, hat sie von sich entfremdet oder, je nachdem, zu sich kommen lassen. Gekippte , aufgehängte oder zerfließende Häuser, wulstig aufgequollene PKWs, übergewichtige Cabrios, selbststehende Herrenanzüge, Lieferwagen mit eingebauter Kurve, Pullover in Primatenhockstellung - das alles liefert Bezüge, auf Lebensweisen, auf ihre Auswüchse, auf Biografisches und Gesellschaftliches, auf Probleme der Kunst und des Künstlerseins. Das alles ist aber auch skurril, ja, es ist komisch, eine Tatsache, die der Kuratorentext zur Ausstellung glatt dementiert. Der lässt nichts aus an Klischeevokabeln von der nervenzerrenden "Schnittstelle" bis zur "sozialen Utopie im Spiegel der Gesellschaftskritik", die Ausstellung ist keine Ausstellung, sondern "eine Intervention, die klassisches Interieur durch verschiedene Erzählstränge unterläuft" usw. Das ist der Stoff, aus dem die Kunstsprech-Parodien sind beziehungsweise sich gleich erübrigen. Kein Wunder, dass ein Leser der Tageszeitung Standard diese Zitate mit dem kurzen Wort "Bullshit" kommentierte.
Witz und Ironie in der Kunst landen früher oder später auf dem Sockel des Bedeutungsschweren. So ging es den Surrealisten, auf die im Zusammenhang mit Wurm immer gern verwiesen wird; mit ihren sinnfreien Texten verspotteten sie jedes Erklärungsbedürfnis. Immerhin: Wenn heute die freiwillige Komik in der Kunst Erwin Wurms die unfreiwillige des Kunstdiskurses trifft, tritt das ein, was Befreiung und Erkenntnis wirkungsvoll vereint: Gelächter.
Erwin Wurm ist Jahrgang 1954. Seine Jugend haben die einfachen, vom Muff des 19. Jahrhunderts befreiten Kleinmöbel vor allem der 50er-Jahre begleitet, leicht und beweglich und eher schmucklos. In der von ihm, Erwin Wurm, transformierten Gestalt sind sie Museumskunst geworden. Der schmale hohe Kleiderschrank ist jetzt ein Objekt aus "Holz, Kübel, Lack": die untere Furnier hat der Künstler mit schwarzem Lack überzogen und das ganze traurige Möbel auf zwei schwarze Eimer gestellt - schon ist es nicht mehr traurig, sondern im Gegenteil. Oder die zwei umgedrehten, auf einen Stempel und vier Beine platzierten Kommoden, in die ein Sitz ausgeschnitten ist. Ganz ausgefuchst die "Kredenza", das Über-Buffet sozusagen, elegant kombiniert aus drei aufeinander schwebenden Wohnzimmerschrankteilen, ein Arrangement - ein Kunstwerk durchaus - das über den ärmlichen Eindruck, den diese Möbel heute machen, triumphiert. Ein anderer Schrank mit Vitrine wurde zur Sitzecke mit Bar, in die man sich, entgegen der Absicht des Künstlers, nicht hineinsetzen darf, ebenso wenig wie in das zum Zweisitzer umgebaute glänzend furnierte Sideboard. Einen besonders profanen Kleiderschrank hat Erwin Wurm einfach flachgelegt und so ausgesägt, dass er nun, wiedergeboren als Tisch, auf seinen Eckteilen steht, als seien das immer schon seine Beine gewesen. Die drei Sessel aus der Zeit der eckigen profanierten Neuen Sachlichkeit kennt jeder, der den Schick der 50er in sein Wohnzimmer reingelassen hat, jetzt sind sie dem Zeitgenossen wieder nahe, weil sie in farbigen gestrickten Überzügen stecken: rosa, pink, lila, rot und gelb. Die Schuhe davor, genauso bestrickt, sind der einzige Hinweis auf die wesentliche Bestimmung eines Möbels: seine Nutzbarkeit.
Alle diese "angewandten Skulpturen", Teil einer langfristig angelegten Ausstellungsreihe mit österreichischen Künstlern, hat Erwin Wurm alle im noch jungen Jahr 2011 fertig gestellt; einige davon werden der Sammlung des Museums für Angewandte Kunst einverleibt werden. In seinem bisherigen Schaffen hat Erwin Wurm die Welt der Dinge in diversen Sequenzen auf den Kopf gestellt, hat sie von sich entfremdet oder, je nachdem, zu sich kommen lassen. Gekippte , aufgehängte oder zerfließende Häuser, wulstig aufgequollene PKWs, übergewichtige Cabrios, selbststehende Herrenanzüge, Lieferwagen mit eingebauter Kurve, Pullover in Primatenhockstellung - das alles liefert Bezüge, auf Lebensweisen, auf ihre Auswüchse, auf Biografisches und Gesellschaftliches, auf Probleme der Kunst und des Künstlerseins. Das alles ist aber auch skurril, ja, es ist komisch, eine Tatsache, die der Kuratorentext zur Ausstellung glatt dementiert. Der lässt nichts aus an Klischeevokabeln von der nervenzerrenden "Schnittstelle" bis zur "sozialen Utopie im Spiegel der Gesellschaftskritik", die Ausstellung ist keine Ausstellung, sondern "eine Intervention, die klassisches Interieur durch verschiedene Erzählstränge unterläuft" usw. Das ist der Stoff, aus dem die Kunstsprech-Parodien sind beziehungsweise sich gleich erübrigen. Kein Wunder, dass ein Leser der Tageszeitung Standard diese Zitate mit dem kurzen Wort "Bullshit" kommentierte.
Witz und Ironie in der Kunst landen früher oder später auf dem Sockel des Bedeutungsschweren. So ging es den Surrealisten, auf die im Zusammenhang mit Wurm immer gern verwiesen wird; mit ihren sinnfreien Texten verspotteten sie jedes Erklärungsbedürfnis. Immerhin: Wenn heute die freiwillige Komik in der Kunst Erwin Wurms die unfreiwillige des Kunstdiskurses trifft, tritt das ein, was Befreiung und Erkenntnis wirkungsvoll vereint: Gelächter.