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Schöner wohnen in Adis Abeba

Addis Abeba droht zu einer chaotischen Mega-City zu werden, mit den typischen Problemen von Verslummung, Umweltverschmutzung, Arbeits- und Wohnungslosigkeit. Lange Zeit schauten die äthiopischen Behörden der Stadt beim Wachsen zu. Der neue Bürgermeister von Addis Abeba, Arkebe Oqubay, versucht seit zwei Jahren trotz geringer finanzieller Mittel, das Wuchern zu kontrollieren. Die ersten Erfolge sind schon sichtbar: Die Stadt ist sauberer geworden, es gibt neue Straßen und neue Jobs im Niedriglohnsektor: Parkplatzwächter, Ordner und Straßenreiniger. Darüber hinaus hat der Bürgermeister eines der ehrgeizigsten Wohnungs- und Städtebauprojekte in Afrika begonnen - überall in Addis Abeba wird zurzeit gebaut. Einer der Hauptschwerpunkte ist das Viertel rund um den Mercato, den Marktplatz der äthiopischen Hauptstadt.

Von Martina Schulte und Lena Lotte Stärk |
    Montagmorgen in Addis Abeba - verstaubte Busse aus allen Landesteilen drängen auf den zentralen Busbahnhof. Nach langer Fahrt steigen die erschöpften Insassen aus. Sie kommen vom Land, stehen jetzt etwas verloren mitten im Herzen der Millionen-Metropole.

    " Ich heiße Mareshet Waju. Ich bin 21 Jahre alt und bin gerade hier in Addis angekommen. In Jimma habe ich keine Arbeit gefunden. Meine Familie ist sehr arm und konnte mir keine Kleidung oder Essen kaufen. Also habe ich beschlossen hierher zukommen. Auf dem Mercato soll es Arbeit für alle geben, hab ich gehört. "

    Alles was Mareshet Waju aus Jimma mitgebracht hat, trägt sie in einer bunten Plastiktüte auf dem Rücken. Mareshet ist eine jener Armutsflüchtlinge vom Land, die Tag für Tag in die Hauptstadt drängen. Und wie die meisten von ihnen, will Mareshet ihr Glück auf dem Mercato versuchen. Das Stadtviertel rund um den größten offenen Markt Ostafrikas ist Geschäftszentrum, Slum und die größte Baustelle Äthiopiens.

    " Die größte Herausforderung für Addis ist das Bevölkerungswachstum. Besonders der Mercato hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht mit entwickelt. Jetzt haben wir einen neuen Bebauungsplan, der das Stadtviertel rund um den Markt aufwerten soll. Wir gehen unsere Reformen mit hohem Tempo an. Wir haben Jahrzehntelang nichts gemacht und müssen uns jetzt schnell bewegen, weil die Stadt auch im Wettbewerb mit anderen afrikanischen Städten bestehen muss. "

    Arkebe Oqubays Hand fährt über schraffierte Flächen und bunte Rechtecke auf dem Bebauungsplan von Addis Abeba. Der ehrgeizige junge Bürgermeister träumt von einer starken und sauberen Hauptstadt, von Wohlstand und von Ordnung. Herzstück dieser Entwicklung soll der Mercato sein. - Auf einer kleinen Anhöhe unweit der Hauptstraße klafft bereits eine Lücke in der dicht gedrängten Reihe aus Wellblechhütten. Dort hat man ein Gebiet von 1000 Quadratmetern dem Erdboden gleich gemacht. Auf dem Baustellenschild prangt ein blau verspiegeltes mehrstöckiges Einkaufszentrum. Von der Baustelle ziehen sich schlammige Pfade den Hügel hinab, hinein nach Minalesh Terra.

    " Mein Name ist Yohannes Getashu, ich bin wie die meisten Leute hier Handwerker, ich stelle traditionelles Küchenwerkzeug her. Das Material, das ich dafür brauche, lasse ich in der ganzen Stadt sammeln. Aus diesen alten Fässern mache ich zum Beispiel Röstmaschinen für Getreide. "

    Yohannes sitzt auf einem Stück Karton und hämmert auf ein blaues Fass zwischen seinen Knien. Der Boden, auf dem er sitzt, besteht aus mehreren Schichten ölverschmierter Plastiktüten, Gummisandalen und Glasscherben. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Müllhalde, ist in Wahrheit eine riesige Recyclingfabrik, ein Materiallager aus Eisen, Plastik, Glas und Holz. Auf diesem stinkenden Schatz arbeiten und wohnen Tausende Menschen. Und sie sind stolz darauf, denn der Müllhaufen hat viele von ihnen reich gemacht.

    " Das Geschäft läuft gut. Ich habe mittlerweile acht Leute, die für mich arbeiten. Aber wer weiß, wie lange noch. Es gibt Gerüchte, dass wir in die Vororte umgesiedelt werden sollen. Man hat uns angeboten, das Land hier dauerhaft zu pachten, aber dazu fehlt uns das Kapital. Die Regierung will diese Gegend so schnell wie möglich entwickeln, die warten nicht, bis wir mehr Geld haben. "

    Tilaye Bekele kennt die Sorgen der Bewohner von Minalesh Terra und die Pläne der Stadt. Der Architekt arbeitet im Büro der Stadtverwaltung. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört es, zwischen Anwohnern und Bürokraten zu vermitteln.

    " Wenn ich in dieses Viertel komme, erzählen mir die Leute dies, dann gehe ich zur Regierung und die erzählen mir jenes. Die kommunizieren einfach nicht miteinander. Jetzt werden wir alle an einen Tisch alle zusammenbringen. Der Plan ist eigentlich sehr positiv für diese Gegend. Der vermüllte Fluss soll wieder renaturiert werden und es sollen sanitäre Anlagen gebaut werden. Die Verkaufsstände werden bleiben, nur die Produktion muss wegen des Lärms ausgelagert werden - die Waren werden dann zum Verkauf in die Stadt transportiert. "

    Nachmittags auf einer Baustelle in Teru Sefer, am Rande des Mercato. Yohannes Getashu, der Metall- Recycler aus Minalesh Terra, ist zusammen mit Hunderten von anderen Interessenten zum Besichtigungstermin gekommen: 400 Eigentumswohnungen, die die Stadt mit Hilfe der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Billigbauweise hochgezogen hat, wird das Wohnungsamt bald vergeben - auf eine Wohnung kommen derzeit zehn Bewerber. Während die Interessenten die Aufteilung der Räume prüfen, spricht Bürgermeister Arkebe Oqubay mit den im Matsch wartenden Journalisten:

    " Im Ganzen wollen wir 250.000 Wohnungen bauen, vor allem für Leute mit geringem Einkommen. Sie müssen nur eine Anzahlung leisten und haben dann 20 Jahre Zeit, ihre Wohnung abzubezahlen. Dieses Programm soll helfen, die Slums in Addis zu reduzieren und wir haben damit bis jetzt bereits mehr als 30.000 Jobs geschaffen. "

    Obwohl Arkebe Oqubay auf seine Wohnungs- und Jobmaschine stolz ist, ist sein Vorzeigeprojekt in Addis Abeba nicht unumstritten. Während die Befürworter darauf verweisen, dass in der Stadt 1 Millionen Wohnungen fehlen und jetzt zum ersten Mal auch Menschen mit geringem Einkommen Eigentum erwerben können, werfen Kritiker dem energischen Bürgermeister vor, die billigen Wohnungen vorzugsweise an Mitglieder der Regierungspartei und entgegen aller Beteuerungen an zahlungskräftige Bewerber zu vergeben

    " Als ich die Bewerbung ausgefüllt habe, waren in dem Wohnungsamt viele Parteikader. Sie haben mir gesagt, dass ich bevorzugt behandelt werde, wenn ich den Preis auf einmal bezahle. Ich sie gefragt, warum? Sie sagten, wir brauchen das Geld. Aber das ist doch unfair. "

    Für den 42 Familienvater Bekele Tilaye ist es ohnehin eine komische Vorstellung im 3. Stock eines Wohnblocks zu leben. Derzeit wohnt er in einer Wellblechhütte ohne Wasseranschluss. Dafür hat er aber engen Kontakt zu seinen Nachbarn, die aus allen sozialen Schichten stammen. Denn bis heute leben im Mercato-Viertel Arm und Reich auf engem Raum zusammen. Diese Mischung will die Stadtverwaltung in den neuen Wohnvierteln zwar unbedingt erhalten. Aber der äthiopische Architekt Fasil Georgis, der die Billigwohnungen mit entworfen hat, befürchtet:

    " Der Mercato ist ein sehr dichter sozialer Raum mit vielen Schichten. Es gibt Nachbarn, die sich gegenseitig unterstützen, sich untereinander Geld leihen, miteinander diskutieren. Was passiert, wenn man sie in unterschiedliche Viertel umsiedelt, ist schwer abzuschätzen. Aber leider haben wir haben keine Zeit, dass zu erforschen. Manchmal wünschte ich, wir hätten mehr Zeit nachzudenken. "