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Schoko-Schock

In vielen Nahrungsmitteln stecken Stoffe, die bei einigen Menschen Allergien auslösen können. Manche reagieren allergisch auf Milch beispielsweise, auf Soja oder auf Sellerie und auch Erdnüsse bekommen vielen Menschen nicht: etwa jeder tausendste reagiert auf Erdnüsse allergisch, so die Ansicht der Experten. Wer weiß, worauf er allergisch reagiert, kann entsprechend reagieren beim Kauf von Lebensmittel, indem er die allergieauslösenden Stoffe meidet - wenn sie denn entsprechend in der Zutatenliste aufgeführt werden. Doch das ist nicht immer der Fall. Zwar will jetzt auch die Europäische Union die Lebensmittel-Allergiker besser schützen und erarbeitet derzeit eine neue Richtlinie dazu. Doch selbst mit der neuen Richtlinie ist das Problem noch nicht vollständig gelöst. Denn es gibt andere, weitere Wege, auf denen Spuren von Allergenen unbemerkt in Lebensmittel gelangen können. Volker Mrasek berichtet.

von Volker Mrasek |
    In vielen Nahrungsmitteln stecken Stoffe, die bei einigen Menschen Allergien auslösen können. Manche reagieren allergisch auf Milch beispielsweise, auf Soja oder auf Sellerie und auch Erdnüsse bekommen vielen Menschen nicht: etwa jeder tausendste reagiert auf Erdnüsse allergisch, so die Ansicht der Experten. Wer weiß, worauf er allergisch reagiert, kann entsprechend reagieren beim Kauf von Lebensmittel, indem er die allergieauslösenden Stoffe meidet - wenn sie denn entsprechend in der Zutatenliste aufgeführt werden. Doch das ist nicht immer der Fall. Zwar will jetzt auch die Europäische Union die Lebensmittel-Allergiker besser schützen und erarbeitet derzeit eine neue Richtlinie dazu. Doch selbst mit der neuen Richtlinie ist das Problem noch nicht vollständig gelöst. Denn es gibt andere, weitere Wege, auf denen Spuren von Allergenen unbemerkt in Lebensmittel gelangen können. Volker Mrasek berichtet.

    Lebensmittel-Allergiker muss beunruhigen, was am Paul-Ehrlich-Institut im hessischen Langen entdeckt wurde. Wissenschaftler dort haben Methoden entwickelt, mit denen sich Allergieauslöser wie Haselnuß, Erdnuß und Sellerie in zusammengesetzten Lebensmitteln sicher nachweisen lassen, und das in kleinsten Spuren.

    Natürlich machten die Forscher auch gleich die Probe aufs Exempel: Sie untersuchten Schokolade-Tafeln und andere Schoko-Produkte. Und zwar solche, die laut Zutatenliste frei sind von den sogenannten Allergenen Erdnuß und Haselnuß.

    Die Realität sieht offenbar anders aus.

    Knapp ein Drittel der in Langen untersuchten Schokolade-Produkte enthielt Spuren von Erdnußprotein. Bei der Suche nach Haselnuss-Bestandteilen erwies sich sogar fast die Hälfte der angeblich Allergen-freien Proben als positiv. Das Fazit der Forscher:

    Die Ergebnisse zeigen eindeutig ein hohes Risiko für unerwartete allergische Reaktionen durch den sensibilisierten Verbraucher an.

    Das hält der Studienbericht fest, in dem die Arbeitsgruppe ihre Meßdaten erstmals zusammenfaßt. Er steht kurz vor der Veröffentlichung. Bisher haben die Experten des Paul-Ehrlich-Institutes nur über einzelne Ergebnisse in US-amerikanischen Fachzeitschriften berichtet.

    Die Wissenschaftler sprechen von "versteckten Allergenen". Sie waren mit Gehalten bis zu 0,4 Promille in den Schokoprodukten nachweisbar. Dies seien auf jeden Fall kritische Konzentrationen, denn:

    Solche versteckten Allergene können schwere allergische Reaktionen mit zum Teil tödlichem Ausgang hervorrufen. Es ist davon auszugehen, daß auch Mengen von einem Hundertstel Promille an Erdnuß im Lebensmittel in einzelnen Fällen noch allergische Reaktionen hervorrufen können.

    Glimpflich verläuft es, wenn lediglich Hautrötungen auftreten oder leichte Magenverstimmungen. Lebensmittel-Allergene können das Immunsystem des Körpers aber auch dermaßen durcheinanderbringen, daß es zum Atemstillstand kommt. In den USA sterben auf diese Weise jedes Jahr 120 Menschen, wie Wissenschaftler schätzen. Britischen Experten zufolge verträgt mindestens jeder tausendste Verbraucher Erdnüsse nicht und zeigt, wenn er sie dennoch zu sich nimmt, ernste Krankheits-Symptome.

    Am Paul-Ehrlich-Institut glaubt man die Quelle der heimlichen Allergene in Schokolade zu kennen. Demnach handelt es sich um Rückstände aus der Produktion. Zum Beispiel von Erdnuß- oder Haselnuss-haltigen Süßwaren, die vorher über dieselben Herstellungsmaschinen gelaufen sind. Spuren davon gelangen offenbar auch in Nachfolge-Produkte, wenn die Anlagen zwischendurch nicht richtig gesäubert werden. Insofern scheint das Problem leicht lösbar zu sein.

    Ein anderes will die EU-Kommission in Kürze beheben - indem sie die sogenannte 25-Prozent-Regel kippt. Die besagt: Wenn zum Beispiel eine nusshaltige Fruchtzubereitung in einem Joghurt weniger als 25 Prozent am Gesamterzeugnis ausmacht, dann muß in der Zutatenliste lediglich "Fruchtzubereitung" stehen. Aus was der Zusatz im einzelnen besteht, braucht der Hersteller nicht zu deklarieren - auch nicht, wenn Nüsse darunter sind, also potentielle Allergieauslöser.

    Mit diesem Missstand soll bald Schluß sein. Nach dem Entwurf für eine neue EU-Richtlinie müssen Lebensmittel-Allergene demnächst grundsätzlich in der Zutatenliste erscheinen. Auch dann, wenn sie dem Nahrungsmittel nur in geringer Menge zugesetzt werden.

    Das ist sicherlich ein großer Fortschritt, aber noch nicht genug, urteilen die Allergie-Experten des Paul-Ehrlich-Instituts:

    Unabsichtliche Kontaminationen, die für einen erheblichen Teil der allergischen Reaktionen auf versteckte Allergene verantwortlich sind, werden durch diese Regelung allerdings nicht erfaßt, so daß auf diesem Gebiet weiterer Handlungsbedarf besteht.