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Schokoladenproduktion in Bolivien
Ein Paradebeispiel demokratischer Wirtschaft

In Bolivien haben sich Kleinbauern zusammengeschlossen und gemeinsam eine Schokoladenfabrik aufgebaut. Damit sind sie von Rohstofflieferanten zu Schokoladenproduzenten geworden. Circa 1300 Familien sind an dem Unternehmen beteiligt.

Von Thomas Guthmann |
    Ungeschälte Kakaobohnen
    Ungeschälte Kakaobohnen. Die Schokoladenfabrik in El Ceibo produziert nicht nur den Rohstoff, sondern beherrscht die gesamte Produktionskette bis hin zur Gourmet-Schokolade. (picture-alliance/ dpa - Frank Rumpenhorst)
    "Im Rohstofflager kommt der Kakao an. Jeder Sack hat eine Kontrollmarke. Er zeigt mir, wann er angeliefert wurde, die Qualität, den Gesellschafter, die Kooperative und das Gewicht."
    Luis Fernando Apasa Tapiaist einer von 100 Mitarbeitern der Schokoladenfabrik von Boliviens größtem Biokakao-Produzent.
    Seit gut drei Jahren arbeitet er als Techniker in den Fabrikanlagen am Hauptsitz von El Ceibo. In weißer Schutzkleidung geht es durch die Fabrikanlagen. In den großen Lagerhallen, wo die Säcke mit Kakao angeliefert werden, riecht es nach Heu, der typische Geruch fermentierter ungerösteter Kakaobohnen.
    Fernando Apasa Tapia ist kein einfacher Arbeiter in einer Fabrik. Er ist Mitglied einer Kooperative, der El Ceibo angehört. Seine Familie betreibt im tropischen Norden – circa acht Autostunden von El Alto entfernt – eine Kakaoplantage:
    "Wir sind ungefähr 1300 Familien, die Gesellschafter von El Ceibo sind. Ich bin jetzt drei Jahre in der Fabrik. Vorher habe ich meinem Vater beim ernten geholfen. Wir bauen den Kakao an, ernten ihn und bringen ihn dann hier her, wie alle Gesellschafter."
    Demokratisch: Die Posten im Unternehmen rotieren
    Noch ein Jahr wird der Techniker in der Fabrik arbeiten, dann kehrt er wieder zu seiner Familie zurück. Das Unternehmen ist streng demokratisch organisiert. Die Posten im Unternehmen rotieren. El Ceibo gehört rund 50 Kooperativen. In diesen sind ausschließlich Kleinbauern organisiert.
    "Dreimal im Jahr treffen sich die Repräsentanten der Kooperativen zu Mitgliederversammlungen. Jede Kooperative hat eine Stimme. Sie wählen den Aufsichtsrat und das Direktorium, die dann für vier Jahre das Unternehmen leiten."
    Im Bürogebäude neben der Fabrik sitzt Direktor Felipe Sandoval am Schreibtisch. Hinter ihm eine Landkarte mit Punkten drauf: sie zeigen die Kakaoanbaugebiete von El Ceibo. Auf dem Schreibtisch ein Wimpel, mit den Regenbogenfarben der indigenen Whipala und der bolivianischen Trikolore Rot, Gelb, Grün. Daneben ein Laptop.
    Wie der Techniker, ist auch Sandoval, nur für vier Jahre Unternehmenschef. Die Rotation der Ämter ist ein Prinzip, das der Tradition der indigenen Aymara und Quechua entstammt. Sie soll verhindern, so der Techniker Apasa Tapia, dass sich Nepotismus und Korruption ausbreiten.
    "Durch die Rotation kontrollieren wir uns selbst und viele Mitglieder kennen das Management. Die Leute wollen, dass es so bleibt. Bei jedem Vorschlag, das zu verändern, gibt es sofort Protest von der Basis: 'Wieso wollt ihr das verändern?', heißt es dann und: 'Nein, wir müssen so weitermachen, das ist demokratisch!'"
    Die demokratische Organisationsform hat sich als Stärke für den Kakaoproduzenten erwiesen. Heute ist El Ceibo ein dynamisches, mittelständisches Unternehmen in Bolivien. El Ceibo produziert nicht nur den Rohstoff, sondern beherrscht die gesamte Produktionskette bis hin zur Gourmet-Schokolade, die exportiert wird.
    Vizepräsident Álvaro Garcia Lineras nannte den Schokohersteller unlängst gar ein Vorbild für die angestrebte nachhaltige Industrialisierung in Bolivien.
    "Seit 2008 exportieren wir unsere eigene Gourmet-Schokolade. Wir exportieren das Produkt nach Deutschland, in die USA und nach Japan. Die Schokolade kommt bisher gut an. Wir sind als El Ceibo stolz darauf. Wir schaffen Arbeitsplätze, bringen dem Land Devisen und durch die Steuern, die wir zahlen, unterstützen wir unser Land",
    meint Direktor Sandoval.
    Geschafft haben die Kakaobauern das, weil sie konsequent in die Produktentwicklung und auf den Einsatz hochwertiger Rohstoffe setzen. So wachsen über 80 Prozent der jährlich 700 Tonnen Kakao biologisch. Bereits früh setzte das Unternehmen auf Know-how aus dem Ausland. Seit 1986 kooperiert es mit dem deutschen Fair-Handelsunternehmen GEPA.
    Produktrenner: Schokolade mit Salz
    Die Bolivianer lieferten zunächst Kakaomasse für den fairen Handel. Im Gegenzug unterstützte die GEPA die Kakaobauern im Aufbau der Schokoladenfabrik. Bei der jüngst entwickelten Gourmet-Schokolade ließen sich die Bauern von einer französischen Chocolatière beraten:
    "Innovation spielt für uns eine wichtige Rolle. Mit Unterstützung einer französischen Expertin entwickelten wir unsere Gourmet-Linie. Sie schlug uns vor, Schokolade mit dem Salz aus dem Salzsee von Uyuni zu nehmen. Das war eine sehr gute Idee. Neben der Schokolade mit Salz gibt es Schokolade mit Quinoa, dem typischen Hochlandgetreide aus Bolivien. Mit der Produktlinie haben wir im Moment ziemlichen Erfolg sowohl im Export als auch auf dem heimischen Markt."##
    Dass die Schokoladenprodukte von El Ceibo auch in Bolivien selbst beliebt sind, wird immer wichtiger. Denn der heimische Markt wächst erheblich schneller, und hier lassen sich weitaus größere Gewinnmargen erzielen. Durch den Erfolg geht es den Kleinbauern gut. Es gibt eine eigene Gesundheitsvorsorge und eine Extrarente ab dem 55. Lebensjahr. Das wichtigste ist aber, dass der Preis für den Kakao garantiert ist und den Bauern das Unternehmen gehört.
    "Zunächst ist El Ceibo für mich ein gemeinnütziges Unternehmen. Die Gesellschafter sind die Keimzelle und demokratische Strukturen für mich eine Grundvoraussetzung. Ich bin sehr zufrieden, dass es so funktioniert."
    Fernando Apasa Tapia. Der Techniker weiß, dass seine Zeit in der Fabrik begrenzt ist. Bald wird er zurückkehren zu seiner Familie und seinem Vater wieder beim Anbau und der Ernte des Kakaos helfen. Das ist Gesetz in der Kooperative: einer macht dem anderen Platz. Denn viele Kleinbauern sollen die Möglichkeit haben, die Produktionsanlagen in El Alto kennen zu lernen.