"Auf diesen Moment haben wir sechs Jahre gewartet", sagt der Reporter in die Kamera. Er meint die Seligsprechung von Johannes Paul II. Dabei gehört der Journalist nicht etwa einem Kirchenkanal an, sondern einem als liberal geltenden Privatsender, der dennoch am Sonntag seine gesamten Nachrichten dem Ereignis in Rom widmete.
Inzwischen gehen die polnischen Medien noch einen Schritt weiter: Sie fragen, wann der verstorbene Papst heiliggesprochen wird.
"Für mich war er schon zu Lebzeiten ein Heiliger…",
sagt eine Gläubige, die zur Seligsprechungsfeier nach Rom gekommen war.
"Wir beten, dass sich ein weiteres Wunder zeigt, das er vollbracht hat",
erklärt der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz, ehemals Privatsekretär von Karol Wojtyla. Denn ein solches Wunder sei für die Heiligsprechung notwendig.
Nicht nur Medien, auch Politiker aller Couleur versetzte die Seligsprechung des verstorbenen Papstes in Euphorie. Er habe Tränen in den Augen gehabt, sagte der ehemalige Präsident Aleksander Kwasniewski, eigentlich ein Linker und früher Mitglied der kommunistischen Staatspartei.
Kritische Stimmen gingen da fast völlig unter. Von einem "Seligsprechungswahnsinn" sprach die liberale Zeitung "Gazeta Wyborcza" nach der Feier, die Kommentatoren hätten eine "aufgeblasene Sprache voller Klischees" benutzt, schrieb sie.
Der Theologe Tadeusz Bartos erklärt das so:
"Johannes Paul II. wird in erster Linie nicht als religiöser Führer wahrgenommen, sondern als einer, der nationalen Identität stiftet. Die Polen haben ein Problem damit zu beschreiben, wer sie als Nation sind. Gleichzeitig haben sie das Bedürfnis, sich zu definieren. Und da wird einer von ihnen Oberhaupt der Kirche, angesehen auf der ganzen Welt. Das hat viele Polen nicht nur stolz gemacht, sie haben sich mit ihm identifiziert. Karol Wojtyla ist eine Art ungekrönter polnischer König geworden."
Die Probleme mit der nationalen Identität rühren aus der Geschichte des Landes. Das gesamte 19. Jahrhundert über existierte Polen auf der europäischen Landkarte nicht. Es war aufgeteilt unter die mächtigeren Nachbarn Russland, Österreich - und Preußen, das später zu Deutschland gehörte. Auch im Kommunismus fühlten sich viele Polen unfrei: Sie nahmen das Regime als von Moskau aufgezwungen wahr.
Die katholische Kirche spielte deshalb in Polen schon lange eine Rolle, die über das Religiöse hinausging. Sie entwickelte sich zum Symbol für das Streben nach Unabhängigkeit. Nach seiner Papstwahl 1978 verkörperte Johannes Paul II. dieses Streben.
Der Theologe Tadeusz Bartos:
"Er hatte auch deshalb solchen Erfolg, weil er ein überaus einnehmender Mensch war, er wirkte einfach sympathisch. Seine religiösen Ansichten dagegen sind für die meisten seiner Bewunderer nicht akzeptabel. Wenn er zu den Jugendlichen gesagt hätte, sie sollen auf Sex vor der Ehe verzichten, wären sie ihm davon gelaufen. Aber er drückte sich so verklausuliert aus, dass er niemandem auf den Schlips trat."
Viele polnische Geistliche sehen die Seligsprechung deshalb als unschätzbares Geschenk an, das ihre Landsleute an die Kirche bindet, gleich aus welchen Gründen. Der Ruf nach der Heiligsprechung ist da nur konsequent.
Aber längst nicht alle in der Kirche denken so. Liberale Katholiken warnen davor, den Personenkult um den verstorbenen Papst zu weit zu treiben. So der Jesuitenpater Waclaw Oszajca.
"Schon als er noch lebte, haben wir den Papst oft wie ein Denkmal behandelt. Ich erinnere mich an einem Besuch von ihm in Polen, als er zu den Menschen sagte: 'Hört auf, mich zu beklatschen, und fangt an, mir zuzuhören.' Ich fürchte, jetzt, nach der Seligsprechung, wird er gar keinen Einfluss mehr auf unser Denken haben. Wir werden ihn zwar zitieren, und das nicht zu knapp, aber nachdenken werden wir darüber nicht mehr."
Langfristig werde das der katholischen Kirche, auch in Polen, schaden, meint Oszajca. Denn inzwischen ist das Land unabhängig: Als Stifter einer nationalen Identität werde die Religion immer unwichtiger. Auf Dauer könne die Kirche die Menschen nur dann an sich binden, wenn sie ihnen auch etwas zu sagen habe, so Oszajca.
Inzwischen gehen die polnischen Medien noch einen Schritt weiter: Sie fragen, wann der verstorbene Papst heiliggesprochen wird.
"Für mich war er schon zu Lebzeiten ein Heiliger…",
sagt eine Gläubige, die zur Seligsprechungsfeier nach Rom gekommen war.
"Wir beten, dass sich ein weiteres Wunder zeigt, das er vollbracht hat",
erklärt der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz, ehemals Privatsekretär von Karol Wojtyla. Denn ein solches Wunder sei für die Heiligsprechung notwendig.
Nicht nur Medien, auch Politiker aller Couleur versetzte die Seligsprechung des verstorbenen Papstes in Euphorie. Er habe Tränen in den Augen gehabt, sagte der ehemalige Präsident Aleksander Kwasniewski, eigentlich ein Linker und früher Mitglied der kommunistischen Staatspartei.
Kritische Stimmen gingen da fast völlig unter. Von einem "Seligsprechungswahnsinn" sprach die liberale Zeitung "Gazeta Wyborcza" nach der Feier, die Kommentatoren hätten eine "aufgeblasene Sprache voller Klischees" benutzt, schrieb sie.
Der Theologe Tadeusz Bartos erklärt das so:
"Johannes Paul II. wird in erster Linie nicht als religiöser Führer wahrgenommen, sondern als einer, der nationalen Identität stiftet. Die Polen haben ein Problem damit zu beschreiben, wer sie als Nation sind. Gleichzeitig haben sie das Bedürfnis, sich zu definieren. Und da wird einer von ihnen Oberhaupt der Kirche, angesehen auf der ganzen Welt. Das hat viele Polen nicht nur stolz gemacht, sie haben sich mit ihm identifiziert. Karol Wojtyla ist eine Art ungekrönter polnischer König geworden."
Die Probleme mit der nationalen Identität rühren aus der Geschichte des Landes. Das gesamte 19. Jahrhundert über existierte Polen auf der europäischen Landkarte nicht. Es war aufgeteilt unter die mächtigeren Nachbarn Russland, Österreich - und Preußen, das später zu Deutschland gehörte. Auch im Kommunismus fühlten sich viele Polen unfrei: Sie nahmen das Regime als von Moskau aufgezwungen wahr.
Die katholische Kirche spielte deshalb in Polen schon lange eine Rolle, die über das Religiöse hinausging. Sie entwickelte sich zum Symbol für das Streben nach Unabhängigkeit. Nach seiner Papstwahl 1978 verkörperte Johannes Paul II. dieses Streben.
Der Theologe Tadeusz Bartos:
"Er hatte auch deshalb solchen Erfolg, weil er ein überaus einnehmender Mensch war, er wirkte einfach sympathisch. Seine religiösen Ansichten dagegen sind für die meisten seiner Bewunderer nicht akzeptabel. Wenn er zu den Jugendlichen gesagt hätte, sie sollen auf Sex vor der Ehe verzichten, wären sie ihm davon gelaufen. Aber er drückte sich so verklausuliert aus, dass er niemandem auf den Schlips trat."
Viele polnische Geistliche sehen die Seligsprechung deshalb als unschätzbares Geschenk an, das ihre Landsleute an die Kirche bindet, gleich aus welchen Gründen. Der Ruf nach der Heiligsprechung ist da nur konsequent.
Aber längst nicht alle in der Kirche denken so. Liberale Katholiken warnen davor, den Personenkult um den verstorbenen Papst zu weit zu treiben. So der Jesuitenpater Waclaw Oszajca.
"Schon als er noch lebte, haben wir den Papst oft wie ein Denkmal behandelt. Ich erinnere mich an einem Besuch von ihm in Polen, als er zu den Menschen sagte: 'Hört auf, mich zu beklatschen, und fangt an, mir zuzuhören.' Ich fürchte, jetzt, nach der Seligsprechung, wird er gar keinen Einfluss mehr auf unser Denken haben. Wir werden ihn zwar zitieren, und das nicht zu knapp, aber nachdenken werden wir darüber nicht mehr."
Langfristig werde das der katholischen Kirche, auch in Polen, schaden, meint Oszajca. Denn inzwischen ist das Land unabhängig: Als Stifter einer nationalen Identität werde die Religion immer unwichtiger. Auf Dauer könne die Kirche die Menschen nur dann an sich binden, wenn sie ihnen auch etwas zu sagen habe, so Oszajca.