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Schonbezug nach 2200 Jahren

Archäologie. – Die Terrakotta-Armee des ersten chinesischen Kaisers ist einer der größten Funde der Archäologie überhaupt. Doch den Tonkriegern bekommt das Tageslicht nach 2200 Jahren nicht besonders gut. Die ursprünglich lebensechte Bemalung verblasst schon bald nach der Ausgrabung. Ein Münchner Chemiker entwickelte jetzt einen Schutzüberzug für die Statuen.

27.11.2003
    Shi-Huang-Di war ein kriegerischer Fürst. Der erste chinesische Kaiser vereinte die sieben Reiche, die sich das chinesische Gebiet damals teilten, indem er seine Konkurrenten unterwarf. Als der Kaiser 210 vor Christus starb, nahm er sein wichtigstes Machtinstrument, die Armee, mit ins Grab. Zahllose Terrakottafiguren wurden mit Shi-Huang-Di begraben und kamen erst jüngst nahe der Stadt Xi’an wieder ans Tageslicht. Inzwischen sind rund 1500 Figuren ausgegraben, etliche 1000 vermuten die Wissenschaftler noch im Untergrund. Ursprünglich waren die Terrakotta-Soldaten lebensecht bemalt, doch bald nach der Ausgrabung verloren sie ihre Farbe. Der Schlüssel ist die Luftfeuchtigkeit. Liegt sie über 84 Prozent hält die Grundierung aus braun-schwarzem Chinalack, auf der die bunten Pigmente aufgetragen sind, fällt sie darunter, reißt der Lack und fällt zusammen mit den Farben von den Statuen ab.

    Die einzige Chance, die Farbschicht dauerhaft zu erhalten, ist, sie quasi an der Tonfigur festzukleben. Doch übliche Methoden versagen hier, die Poren des Chinalacks sind einfach zu fein und lassen die Klebstoffmoleküle nicht durch. Professor Heinz Langhals vom Chemie-Departement der Ludwigs-Maximilians-Universität in München hat dennoch einen Weg gefunden, den Kleber durch die feinen Lackporen zu transportieren: "Wir haben kleine wasserlösliche Moleküle genommen, die die Grundierung durchdringen können und sie mit Elektronenstrahlen miteinander vernetzt." Die Moleküle sind Hydroxy-Ethyl-Methacrylat oder kurz: HEMA, ein Stoff der zum Beispiel für Kontaktlinsen verwendet wird. Beschießt man mit Elektronenstrahlen aus einem Beschleuniger, dann bilden sich sogenannte Radikale, die die Einzelmolekülen zu langen Ketten vernetzen. Allerdings ist der Aufwand, den Wissenschaftler und Restauratoren dafür betreiben müssen, erheblich. Langhals: "Die Tonkrieger liegen in einzelnen Fragmenten von etwa 15 mal 15 Zentimetern vor. Auf diese Fragmente wird jetzt die HEMA-Lösung mit Hilfe von Kompressen aufgebracht und dann bringt man das Stück zu dem Elektronenbeschleuniger." Dort werden die HEMA-Moleküle polymerisiert.

    Wegen dieses Aufwands ist das Verfahren auch sehr teuer. Doch die Investition lohnt sich, denn der Kunststoff kann die Bemalung der Terrakotta-Armee auf Dauer bewahren. Seit den ersten Tests vor einigen Jahren haben sich die Farbschichten nicht verändert. Und auch was größere Zeiträume angeht, ist Langhals optimistisch. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Kunststoffen ist HEMA extrem beständig: "Dieses spezielle Material sollte mindestens eine Lebensdauer von 100 Jahren haben", so Langhals, "und anschließend kann man das Material wieder mit Elektronenstrahlen behandeln und so eine erneute Klebewirkung erzielen. So dass ich rechne, dass man eine Stabilität über ein paar 100 Jahre garantiert hat." Was danach geschieht, darüber sollen sich, so Langhals, die kommenden Generationen Gedanken machen.

    [Quelle: David Globig]