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Schonender Garaus für Flammenmeere

Technik. - Fassungslos mussten Weimars Bürger mitanschauen, als am 2. September 2004 die Anna-Amalia-Biobliothek und ihre Kunstschätze Opfer der Flammen wurden. Welche besonderen Anforderungen kulturhistorische Bauten an die Brandprävention stellen, erörtern jetzt Experten in Heyrothsberge.

Von Annett Schneider-Solis |
    Glück im Unglück hatte die Freiwillige Feuerwehr Quedlinburg in der Neujahrsnacht 2005: Ein Fachwerkhaus in 100 Metern Entfernung brannte - nur zwei Häuser entfernt vom Saalfeldschen Palais. Nach nur einer Minute war die Feuerwehr vor Ort, dennoch stieß sie auf einen voll entwickelten Brand. Das Überspringen des Feuers auf das Palais und seine Zerstörung konnten nicht verhindert werden, erinnert sich Andreas Tiebe von der Freiwilligen Feuerwehr in Quedlinburg:

    "In erster Linie, dass es sich um ein sehr großes und schlecht überschaubares Objekt gehandelt hat und dass wir sehr schnell damit konfrontiert waren, dass wir wegen herabstürzender Trümmerteile den Angriff abbrechen und eine erhebliche Zeit die Brandbekämpfung von außen durchführen mussten, das war ein Problem. "

    Der Brand im Saalfeldschen Palais demonstrierte die typischen Probleme in historischen Gebäuden: Der Denkmalschutz lässt präventive Maßnahmen wie den Einbau von Rauchmeldern oder Sprinkleranlagen nur eingeschränkt zu. Und das Material, aus dem die Häuser gebaut sind, ist trocken und brennt wie der sprichwörtliche Zunder, weiß Georg Pleß vom Institut der Feuerwehr in Heyrothsberge:

    "Die Leute der damaligen Zeit haben natürlich nicht nach Brandschutzgesichtpunkten gebaut, und damit sind natürlich Räume entstanden mit Schächten, mit Hinterlüftungen und Kanälen, die wir heute aus Denkmalschutzgründen nicht entfernen können."

    Diese Räume wirken wie ein Schornstein. Das Feuer schießt in Sekundenschnelle empor. Um bis zu vier Meter in der Sekunde kann es sich ausbreiten. Durch den Einsatz neuer Techniken können derartige Brände effektiver bekämpft, die Folgeschäden durch Löschwasser minimiert werden. Eine große Hilfe können Infrarotkameras sein. Mit ihnen können Brandherde und Glutnester ausfindig gemacht und gezielt gelöscht werden. Auf der Suche nach vermissten Personen lassen sich 60 bis 80 Prozent Zeit sparen. Dennoch: Die wenigsten Feuerwehren verfügen über derartige Wärmebildkameras. In Deutschland noch kaum bekannt ist Cobra, ein Schneidlöschgerät, das in Schweden entwickelt wurde. Es ähnelt einem Hochdruckreiniger und funktioniert ähnlich. Horst Koch von der Firma Rescue 3000 schneidet mit einem 300 Bar starken Wasserstrahl ein zwei Millimeter großes Loch in eine Stahltür:

    "Die deutschen Feuerwehren bekämpfen das Feuer immer noch, indem man zum Feuer hingeht. Ich muss also, wenn ich einen Zimmerbrand habe, die Tür öffnen, um zum Feuer zu gelangen. Bei einem Brand habe ich sehr schnell eine Raumtemperatur von 500 bis 800 Grad Celsius, und ab 400 Grad ist die Gefahr, dass sich die Rauchgase unter der Decke sammeln und sich mit Zuführung von Sauerstoff zu einer Rauchgasexplosion durchzünden, dass ich dann diesen Flash-Over-Effekt habe. "

    Durch das millimetergroße Loch führt Horst Koch den Wasserstrahl. Der Wassernebel reicht bis zu 25 Meter weit. Mit dem System kann also der gesamte Raum abgedeckt werden - die Zufuhr von Sauerstoff wird verhindert, ohne dafür die Tür zu öffnen. Der gefürchtete Flash over bleibt aus. Ein anderes System demonstriert Ralf Wagner von der Firma Schmitz Feuerwehr- und Umwelttechnik. Seine Powerbox arbeitet mit Druckluftschaum.

    "Der große Vorteil ist, dass man dem Wasser siebenfach Druckluft hinzu gibt und das Wasser als Oberfläche auf der Schaumblase darstellt und durch das Verdampfen am Brandobjekt die Raumtemperatur herabgesetzt wird und das Feuer gelöscht wird. Damit erreichen wir einen äußerst geringen oder fast gar keinen Wasserschaden, weil einfach das System zu 80 Prozent die Löschwirkung des Wassers ausnutzt."

    Beim normalen Wasserlöschen im Vollstrahl werden nur fünf bis zehn Prozent des Wassers effektiv eingesetzt. Beim Sprühstrahl sind es immerhin 30 Prozent, doch auch hier kann das Wasser noch große Verluste anrichten. Auch die Schäden am Saalfeldschen Palais entstanden in erster Linie durch Löschwasser. Und sie waren horrend, erinnert sich Henning Schult, Vorstand der Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt:

    "Der Gesamtschaden stellt sich zu 65 Prozent als Wasserfolgeschaden dar, und nur zu 35 Prozent als Schaden durch die direkte Brandeinwirkung. Und die heute gezeigte Technik zeigt ja, dass wir löschen können mit viel, viel weniger Wasser, wenn wir die entsprechende Technik haben."

    Ein Lichtblick mag auch sein, dass etwa in der neuen Anna-Amalia-Bibliothek eine Wassernebelanlage installiert wird.