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School of Governance
Halbinsolvente Demokratieschmiede

An der privaten Berliner Humboldt-Viadrina School of Governance werden seit fünf Jahren Akademiker ausgebildet, die sich später für nachhaltigere Politik einsetzen sollen. Dass die Flure dort gerade menschenleer sind, liege aber nicht an der angemeldeten Insolvenz, betont die Geschäftsleitung.

Von Susanne Arlt | 01.04.2014
    Die Humboldt-Viadrina School of Governance liegt mitten im Berliner Regierungsbezirk. In dem wunderschönen, alten Backsteingebäude lebte vor mehr als 100 Jahren der berühmte Mediziner Robert Koch. Seit fünf Jahren werden an dieser privat betriebenen Hochschule Akademiker ausgebildet, die sich später für eine bessere Demokratie und vor allem für nachhaltigere Lösungen in der Politik und der Wirtschaft einsetzen sollen. Doch zurzeit sind die Unterrichtsräume verwaist, die Flure menschenleer. Das liege aber nicht an der angemeldeten Insolvenz, betont die Geschäftsleitung. Der Unterricht der beiden berufsbegleitenden Master-Studiengänge Public Policy gehe regulär weiter. Nur im Moment geben es keine Präsenzphasen. Das heißt, die Studierenden erarbeiten vía Internet ihren Unterrichtsstoff.
    David Griedelbach ist heute Morgen trotzdem zur Hochschulegekommen. Seit anderthalb Jahren macht er seinen Master. Von den finanziellen Problemen seiner Hochschule hat der studierte Wirtschaftsinformatiker zwar schon länger gewusst, aber …
    "Dass auch wirklich Insolvenz angemeldet wurde, war für mich natürlich auch erst einmal ein Schock. Kann aber auch eine Chance darstellen, letztlich ist es jetzt hopp oder topp. Jetzt muss sich die School mehr oder weniger konsolidieren, es sind Fragen im Raum, die einfach gestellt werden müssen und die auch beantwortet werden müssen. Gerade wenn die gesellschaftspolitische Landschaft in Deutschland gewillt ist, so einen Standort wie die School weiter zuhalten, dann wird sie sich bewegen müssen."
    Gesellschaftspolitische Ansprüche durchsetzen
    Und dass sie sich bewegen sollte, davon ist David Griedelbach überzeugt. Denn mit diesem Master erhielten die Studierenden eine Zusatzausbildung, mit der sie sich und ihre gesellschaftspolitischen Ansprüche viel besser in der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und auch politischen Landschaft durchsetzen könnten.
    Die meisten Dozenten stammen aus der Praxis. Mit ihnen werde der theoretische Stoff im Dialog vertieft und Fähigkeiten wie Verhandeln, Vermitteln und Projektmanagement erworben. Eine in Deutschland einmalige Sache, sagt David Griedelbach. So sieht es auch Gesine Schwan, die die private Hochschule mit angeschoben hat und seit fünf Jahren leitet. Schlecht kalkuliert haben wir nicht, betont Gesine Schwan.
    "Dass es dazu gekommen ist, liegt nicht daran, dass wir eine Misswirtschaft betrieben haben, liegt nicht daran, dass unsere Situation konstant schlechter geworden ist, im Gegenteil. Am Ende des Jahres 2013 hatten wir die schon seit Jahren mitgeschleppten Schulden, sozusagen die Investitionsschulden, wenn man so will wie bei einem Unternehmen, die hatten wir reduziert und wir hatten Aussicht auf deutliche Besserung und dann sind am Anfang des jetzigen Jahres unerwartete Forderungen an uns gekommen, die ich nicht spezifizieren will."
    Vermutlich die Mietkosten
    Gesine Schwan will dies nicht machen, weil sich die Hochschule im Moment in der Insolvenzverhandlung befände. Aber es sind vermutlich die Mietkosten, die das Jahresbudget in Höhe von einer Million Euro stark belasten. Um sie zu senken, sollen jetzt Mitmieter in das Haus an der Wilhelmstraße geholt werden. Gesine Schwan ist guten Mutes, die Humboldt-Viadrina School of Governance aus der Insolvenz herauszubekommen. Zum einen sei jetzt öffentlich gemacht geworden, wie es um ihre finanzielle Ausstattung wirklich steht. Das macht private Spender auf sie aufmerksam, die die Hochschule so dringend braucht. Zum anderen habe man sich in den vergangenen fünf Jahren eine sehr gute Reputation erarbeiten könne. In Kürze stünden darum Projekte mit dem Wirtschaftsministerium, dem Familienministerium und dem Finanzministerium an, die wieder viel Geld in die leere Hochschulkassen spülen werden.
    "Das liegt daran, dass wir in den fünf Jahren uns eine Kompetenz erworben haben, in ganz zentralen Fragen, die politisch wichtig sind. Die Tatsache, dass wir moralisch, politisch gut einwirken wollen, einmal dokumentiert in den besonderen Studiengängen die Projekt entwickeln müssen und zwar ein politisches, gemeinwohlorientiertes Projekt."
    Sollten am Ende doch noch alle Stricke reißen und aus der Insolvenz eine echte Pleite werden, ist das Masterstudium der 58 Studierenden nicht umsonst gewesen. Sie können ihren Abschluss an den beiden Trägerunis der Hochschule machen. Steffi Ober, die vor einem Jahr ihren Master an der School of Governance absolviert hat und jetzt für den NABU arbeitet, wäre das aber ein großer Verlust.
    "Die Schnittstelle, die hier vermittelt wird, ist das gesellschaftliches Engagement politisch ist. Also, dass wir quasi im Vorfeld im politischen Raum arbeiten und dass was wir hier als gesellschaftliche Gruppen entwickeln spielt in die Politik mit hinein, spielt der Politik zu, damit wir eben als Gesellschaft besser gewappnet sind, den großen Herausforderungen zu begegnen."