Höchst geschickt haben Regisseur Peter Mussbach und der als Ausstatter eingeladene Maler Jörg Immendorff den ruinösen Zustand der Bühnentechnik der Staatsoper umgangen. Der Orchestergraben ist fast bis auf Bühnenniveau hochgefahren. Das 40-köpfige Orchester sitzt in goldenen Kostümen und Käppis locker verteilt im Proszenium. Sie sind das von Immendorff als Kunstprodukt definierte Corpus delicti Gold-Nase im blauen Geldsack sprich Kunstbetrieb.
Das Proszenium selbst ist Teil der Bühne, durch das die Darsteller huschen auf der Suche nach der Nase. Zwei Hubpodien dienen als Nebenschauplätze dieses von Schostakowitsch filmisch geschnittenen Stücks. In die obere Proszeniumsloge rechts eingebaut ein Kübelwagen, der als Kutsche für den Polizeioberst herausgefahren wird, gleichsam schwebend. Auch so kann man polizeiliche Lufthoheit definieren.
Die Bühne selbst öffnet sich nur mit geschrägtem Boden für Totalen. Die Kasaner Kathedrale etwa, in der die verselbständigte Nase als Staatsrat drapiert spazieren geht, ist ein von der Ausstellungshalle zum Andachtsplatz der Deutschen sich öffnendes Brandenburger Tor. Die Newa, wo der Barbier die in seinem Frühstücksbrot vorgefundene Nase versenken will, ist die Kunstbörse Köln mit Dom am Rhein.
Die Zeitungsredaktion, wo der Assessor Kowaljow eine Anzeige aufgeben will, um vielleicht so seine Nase zu finden, ist das Feuilleton der FAZ mit einer Heerschar von Radio- und Fotoreportern und einer Tapete, die die Börsensprache der Broker mit ihrer Arm-, Hand-, Fingergestik ziert.
Auch wenn einiges von Immendorffs zeitnaher Ikonografie der Gogolschen Farce schon wieder veraltet scheint, man hat in diesem "Café Lindendeutschland" immer was zu ventilieren und zu schmunzeln. Von Regisseur Peter Mussbach wird es mit einer von der Bühnensprache der Zwanziger Jahre inspirierten Gestik kongenial übersetzt.
Der Polizist figuriert etwa in Osama-bin-Laden-Kluft, klettert über Feuerleitern und kratzt sich den Rücken schon mal mit der Knarre. Die wie eine Nutte daherkommende Brezelverkäuferin wird überfallen wie das Opfer gefräßiger Piranhas. Joseph Beuys darf auf der Barrikade figurieren in Goldjoppe, Goldfilzgut und Goldhaaren als Goldjunge des Kunstbetriebs. Eine Art Babelturm mit als Fahnenträger obenauf thronender Nase ist die schiefe Ebene, auf die sich alle flüchten, um ihren Mehrwert zu retten und ihn dann doch verspielen.
Die hundert pausenlosen Minuten karikierender Dauer-Comic sind dann allerdings auch schon das Äußerste, was man noch mit Spannung verfolgen kann. Aus dem personenreichen Ensemble von Schostakowitschs frühem Opern-Geniestreich sticht vor allem der agile Sten Byriel als Kollegien-Assessor hervor.
Am Pult steht Kent Nagano. Er soll künftig regelmäßig eine Produktion pro Jahr an der Lindenoper leiten. Auch wenn an der einen oder anderen Stelle das Ensemble etwas auseinander zu driften drohte, hat er mit gestochenen Tempi doch bei diesem rhythmisch höchst komplizierten Stück alles präzis im Griff.
Einhelliger Beifall, Jubel am Ende mit zwei Stars im Mittelpunkt, Jörg Immendorff und Kent Nagano, über die der neue Hausherr, Intendant Peter Mussbach, bei seinem szenischen Einstand bescheiden etwas zur Seite stehend, sich nur mitfreuen konnte.
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Das Proszenium selbst ist Teil der Bühne, durch das die Darsteller huschen auf der Suche nach der Nase. Zwei Hubpodien dienen als Nebenschauplätze dieses von Schostakowitsch filmisch geschnittenen Stücks. In die obere Proszeniumsloge rechts eingebaut ein Kübelwagen, der als Kutsche für den Polizeioberst herausgefahren wird, gleichsam schwebend. Auch so kann man polizeiliche Lufthoheit definieren.
Die Bühne selbst öffnet sich nur mit geschrägtem Boden für Totalen. Die Kasaner Kathedrale etwa, in der die verselbständigte Nase als Staatsrat drapiert spazieren geht, ist ein von der Ausstellungshalle zum Andachtsplatz der Deutschen sich öffnendes Brandenburger Tor. Die Newa, wo der Barbier die in seinem Frühstücksbrot vorgefundene Nase versenken will, ist die Kunstbörse Köln mit Dom am Rhein.
Die Zeitungsredaktion, wo der Assessor Kowaljow eine Anzeige aufgeben will, um vielleicht so seine Nase zu finden, ist das Feuilleton der FAZ mit einer Heerschar von Radio- und Fotoreportern und einer Tapete, die die Börsensprache der Broker mit ihrer Arm-, Hand-, Fingergestik ziert.
Auch wenn einiges von Immendorffs zeitnaher Ikonografie der Gogolschen Farce schon wieder veraltet scheint, man hat in diesem "Café Lindendeutschland" immer was zu ventilieren und zu schmunzeln. Von Regisseur Peter Mussbach wird es mit einer von der Bühnensprache der Zwanziger Jahre inspirierten Gestik kongenial übersetzt.
Der Polizist figuriert etwa in Osama-bin-Laden-Kluft, klettert über Feuerleitern und kratzt sich den Rücken schon mal mit der Knarre. Die wie eine Nutte daherkommende Brezelverkäuferin wird überfallen wie das Opfer gefräßiger Piranhas. Joseph Beuys darf auf der Barrikade figurieren in Goldjoppe, Goldfilzgut und Goldhaaren als Goldjunge des Kunstbetriebs. Eine Art Babelturm mit als Fahnenträger obenauf thronender Nase ist die schiefe Ebene, auf die sich alle flüchten, um ihren Mehrwert zu retten und ihn dann doch verspielen.
Die hundert pausenlosen Minuten karikierender Dauer-Comic sind dann allerdings auch schon das Äußerste, was man noch mit Spannung verfolgen kann. Aus dem personenreichen Ensemble von Schostakowitschs frühem Opern-Geniestreich sticht vor allem der agile Sten Byriel als Kollegien-Assessor hervor.
Am Pult steht Kent Nagano. Er soll künftig regelmäßig eine Produktion pro Jahr an der Lindenoper leiten. Auch wenn an der einen oder anderen Stelle das Ensemble etwas auseinander zu driften drohte, hat er mit gestochenen Tempi doch bei diesem rhythmisch höchst komplizierten Stück alles präzis im Griff.
Einhelliger Beifall, Jubel am Ende mit zwei Stars im Mittelpunkt, Jörg Immendorff und Kent Nagano, über die der neue Hausherr, Intendant Peter Mussbach, bei seinem szenischen Einstand bescheiden etwas zur Seite stehend, sich nur mitfreuen konnte.
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