Dienstag, 19. März 2024

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Schotterflächen als Vorgarten
Gärten des Grauens

Sie gelten als pflegeleicht: Schottergärten. Vor allem in Neubaugebieten sind sie immer häufiger zu sehen. Doch viele Gärtner und Naturschützer halten gar nichts von dieser Gartengestaltung, bezeichnen solche Flächen gar als "Gärten des Grauens" - mit verheerenden Folgen für Vögel und Insekten.

Von Susanne Kuhlmann | 01.03.2019
Vorgarten mit Schotter und etwas Grün.
Trostloser Anblick (zur Verfügung gestellt von Ulf Soltau)
"Ich bezeichne sie gerne mal etwas provokant als Gärten des Grauens, weil sie für mich ein Sinnbild sind für die Entfremdung des Menschen von der Natur"
So Christian Chwallek. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Naturschutzbundes NABU in Nordrhein-Westfalen. "Gärten des Grauens" – so heißt auch eine Webseite im Internet, die das Phänomen Schottergarten anprangert. Kein Baum, kein Strauch, keine Blüte und auch kein Insekt und kein Vogel: Wo sich Schottergärten breitmachen, klaffen plötzlich Löcher im Netz der Naturflächen, die Tiere und Pflanzen für ihre Existenz brauchen, kritisieren Naturschützer.
Pflegeleicht sind Schottergärten keineswegs
Michael Becker führt einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb im Bergischen Land in der Nähe von Köln. Auch ihn treibt das Thema um, seit sich immer mehr Kunden Steinschüttungen rund ums Haus wünschen; in erster Linie, weil sie sich nicht mit Gartenarbeit belasten wollen.
"Schottergärten sind auf Dauer pflegeintensive Flächen. Jeder, der mal ein Wildkraut aus einer Schotterfläche hat rausziehen müssen, weiß, dass das mit erheblicher Arbeit verbunden ist, weil die Verwurzelung auch unten in der Folie stattfindet."
Eine Folie trennt den Boden von der Steinaufschüttung, um zu verhindern, dass Pflanzen wurzeln können. Nach zwei oder drei Jahren haben allerdings Wind und Regen Laub und Sand herangetragen, Vögel bringen Samen, und Löwenzahn und Co dringen mit ihren Wurzeln schließlich doch in die Folie vor. Mit Pestiziden dürfen sie nicht bekämpft werden.
Bepflanzung muss nicht immer viel Arbeit machen
Michael Becker versucht, seine Kunden von einem grünen Konzept für die pflegeleichte Gestaltung zu überzeugen.
"Wir raten generell dazu, wenn wir in den Bereich der pflegearmen Gärten gehen, so viel wie möglich mit Pflanzung abzudecken."
Zum Beispiel so:
"Ein Hausbaum gehört eigentlich immer zu einem Garten. Um sich auch die Insekten in den Garten zu holen, raten wir immer zu einer ganz gemischten Gehölzpflanzung, wo wir nicht nur Immergrünes haben, sondern auch sehr viel Blüte drin haben."
Und zwar möglichst vom Frühling bis in den Winter. Stauden, die an Boden, Lichtverhältnisse und Wasserversorgung des jeweiligen Standorts angepasst sind, schließen eine Fläche oft schon im ersten Jahr. Auch im teilweise neu angelegten Privatgarten von Michael Becker.
"Die Staudenflächen, die mittlerweile alle zugewachsen sind, da sind wir zweimal im Jahr drin. Einmal nach dem Winter, um die Stauden zurückzuschneiden und dann für eine Düngung noch."
Gerade Insekten brauchen Lebensräume
Weniger Arbeit, aber mehr Leben und Erleben im Garten – Christian Chwalleck wünscht sich jede Menge Futterpflanzen für Insekten. Wie dringend die Plätze brauchen, an denen sie willkommen sind, hat die vielbeachtete Krefelder Studie gezeigt, die das dramatische Verschwinden vieler Insekten bezeugt.
"Was auch für Privatgärten interessant ist, sind Gewürzkräuter. Die sind auch insektenfreundlich. Weil es mediterrane Pflanzen sind, sind die an Magerstandorte angepasst und sind durch den Blütenreichtum - Lavendelhecken als Beispiel – für Insekten von großem Vorteil.
Die rund 17 Millionen Gärten deutschlandweit, rechnet der Naturschützer vor, bedecken zwei Prozent der Landesfläche. Jeder Garten ist wichtig in diesem Netz, sagt er.
"Wenn jeder nur einen kleinen Beitrag dazu leisten würde, Trittsteine, ökologische Trittsteine - Insekten brauchen keine großen Flächen – also naturnahe Flächen geschaffen werden von jedem einzelnen, lamentiert man nicht nur über die Verarmung der Landschaft, sondern kann auch im Kleinen seinen Beitrag dazu beitragen. Wenn jeder ein Puzzleteilchen bewegt, kommt am Ende doch ein Gesamtbild zustande.
Auch das Klima gewinnt durch naturnahe Flächen
Der Effekt käme allen Anwohnern zugute. Denn Schottergärten beeinflussen auch das Mikroklima.
"Diese Flächen heizen sich auf. Der Temperaturanstieg, der auf innerstädtischen Flächen eh höher ist als in der Umgebung, ist grade in einem warmen Sommer nicht unrelevant. Ein bis zwei Grad heizen sich diese Flächen dann auch auf."
Und stürzt ein heftiger Gewitterregen vom Himmel, steigt die Überschwemmungsgefahr, denn der mit Folie verschlossene Boden kann das Wasser nicht aufnehmen.
Fehlt noch ein Grund dafür, sich einen grünen Garten zu gönnen? Gärtnermeister Michael Becker freut sich im Winter genauso über seine Streuobstwiese wie im Sommer.
"Dient für uns ein bisschen, um Marmelade einzukochen und mal vom Baum zu naschen. Aber Sie sehen, dass immer noch ein bisschen alte Frucht in den Bäumen hängt. Auch die Vögel bedienen sich dementsprechend."