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Schottischer Umweltschutz

Energie. - Die Orkney-Inseln sind ein durch 20 Kilometer Ozean vom Festland getrennter Archipel. Um ihre ursprüngliche Umwelt zu erhalten wollen die Bewohner jetzt ihren Strom und Heizbedarf weitgehend aus Mist, Gülle und Bioabfall decken. Auf dem 10. Internationalen Symposium für Umwelt-Geotechnologie, das heute in Bochum zu Ende geht, wurde Orkneys grüne Zukunft entworfen.

Von Dagmar Röhrlich |
    70 grüne Inseln, 18.000 Menschen, rund 25.000 Rinder, Wind, Wellen und ein stattlicher Tidenhub - das ist das Kapital der Orkney Inseln vor Schottland. Der Archipel soll künftig nicht nur wegen seiner satten Wiesen grün sein, sondern auch in ganz anderem Sinne: Die Bewohner wollen den Elektrizitäts- und Wärmebedarf für sich und ihre Industrie ganz aus erneuerbaren Quellen decken - wobei ein Problem darin besteht, dass viele einzelne Inseln versorgt werden müssen, die einen ganz unterschiedlichen Bedarf haben. Dahinter steht ebenso das Umweltbewusstsein der Orkadier wie eine weltberühmte schottische Charaktereigenschaft:

    "Es gibt eine Redewendung: Mach es, gebrauch es, reparier es. Auf den Inseln wird man immer erst einmal versuchen, alte Sachen weiter zu verwenden, anstatt sie durch neue zu ersetzen. Diese Sparsamkeit trifft sich hier mit dem starken Willen, die Umwelt so unberührt wie möglich zu lassen."

    Sue Struthers ist selbst Orkadierin und selbständige Umwelt-Beraterin auf den Orkneys. Sie begleitet den Weg der Inselgruppe in die energetische Unabhängigkeit. Bisher musste alles - ob Kohle, Gas oder Öl - teuer mit dem Schiff heran transportiert werden:

    "Das hört sich seltsam an, weil es auf den Orkney-Inseln ein Ölterminal für das Nordsee-Öl gibt. Aber das wird erst auf dem Festland in den Raffinerien verarbeitet, und deshalb bekomme wir es von dort für viel Geld wieder zurück."

    Deshalb wollen sich die Orkadier von ihrem Gaskraftwerk ebenso verabschieden wie von dem kostspieligen Stromimport aus Schottland, den Generatoren und Öfen in den Häusern und dem Sprit für den öffentlichen Nahverkehr. Dabei liegt der Energiebedarf der Inseln allein beim Strom bei 30 Megawatt Leistung. Die sollen nun bald auf den Orkneys selbst produziert werden - Tag für Tag und rund um die Uhr. Struthers:

    "Momentan verschiffen wir unseren gesamten Müll auf die Shetland Inseln, rund 100 Kilometer entfernt. Dort nutzt eine Verbrennungsanlage den Müll zur Energiegewinnung, aber eben nicht für Orkney. Das ist nicht gerade ein nachhaltiger Weg, mit unserem Müll umzugehen."

    Eine Verbrennungsanlage wollen die Orkadier nicht, ebenso wenig wie ein großes Biogas-Kraftwerk. Überhaupt: Den Inselbewohnern geht es vor allem darum, den ursprünglichen Charakter ihrer Heimat zu bewahren. Also soll der bioverwertbare Abfall genauso wie Gülle und Mist der Rinder in kleinen Biogas-Reaktoren landen: Anlagen, die genauso verstreut sein werden, wie die Farmen und Dörfer.

    "Jede Farm wird wohl ihre Biogasanlage haben und jedes Dorf auch. Dort wird der gesamte organische Abfall behandelt, inklusive Papier und Pappe. Das könnte zwar auch recycelt werden, aber wir müssten das dafür nach Süden verschiffen. Das kostet uns viel Geld, der Einsatz im Biogasreaktor macht da viel mehr Sinn."

    Auch die Fischfarmen, Fischer und der Schlachthof werden ihre Abfälle in Energie verwandeln. Versuchsanlagen laufen. Aber damit ist das Potential der Inseln nicht erschöpft: denn da sind noch die in der Landschaft sehr unauffälligen Wellen- und Gezeitenkraftwerke, die auf den Orkneys im "Europäischen Zentrum für marine Energie" getestet werden. Sobald sie kommerziell einsetzbar sind, wollen sich die Inseln zum Energie-Exporteur mausern. Sue Struthers:

    "Im Moment gibt es große Anstrengungen, uns mit einem kapazitätsreicheren Kabel an das schottische Stromnetz anzuschließen, weil wir dann mit Wind, Wellen und Gezeitenenergie sogar Strom exportieren könnten."

    Dann flösse Orkney-Strom nach Kontinentaleuropa, Island oder Skandinavien - ohne dass man auf den Inseln etwas davon sehen könnte, wie viel Energie dort erzeugt wird.