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Schottland
Schwieriger Weg in die Unabhängigkeit

Im September entscheiden die Schotten darüber, ob Schottland das Vereinigte Königreich verlassen und ein unabhängiger Staat werden soll. Allerdings sollen nur die am Referendum teilnehmen, die auch in Schottland leben und nicht diejenigen, die ihren Wohnsitz in England, Wales oder Nordirland haben.

Vob Jochen Spengler | 30.01.2014
    Nur noch 44 Prozent würden derzeit gegen die Unabhängigkeit stimmen, dafür aber inzwischen schon 37 Prozent. Der Vorsprung der "Better Together"-Kampagne schrumpft. Und 19 Prozent sind noch unentschieden. Vielleicht sind die neuesten Zahlen auch eine Trotzreaktion der Schotten darauf, dass die Streiter für die Union unablässig Ängste vor einer Trennung schüren.
    Erst letzte Woche versuchte sich darin Großbritanniens Außenminister William Hague. Er eilte nach Edinburgh, um die Schotten zu belehren, dass sie sich im Falle der Eigenständigkeit neu um die EU-Mitgliedschaft bewerben müssten, was ein komplizierter Prozess sein werde:
    "Die schottische Regierung will das britische Pfund behalten und nicht den Euro einführen, sie will nicht dem Schengen-Abkommen beitreten, sie will neue Vereinbarungen zur Agrarpolitik – das hat alles einen hohen Preis. Den Britenrabatt gäbe es beispielsweise nicht, und die Schotten würden am Ende mehr zahlen und weniger bekommen."
    Was die Vizeregierungschefin Nicola Sturgeon natürlich prompt zurückwies. Man werde sogar eine Milliarde Euro mehr an EU-Agrarbeihilfen kassieren und niemand werde Schottland zwingen können, das Pfund aufzugeben:
    "Es ist wirklich absurd, wenn der Außenminister nach Schottland kommt und über die Unsicherheit einer EU-Mitgliedschaft redet, wo es doch Camerons EU- Referendum 2017 ist, das die einzige reale Gefährdung für eine dauerhafte schottische EU-Mitgliedschaft birgt."
    Wie dem auch sei – der Weg zur Unabhängigkeit ist offenbar schwieriger als gedacht. So ist auch das von den Separatisten versprochene Festhalten am britischen Pfund keineswegs ein Selbstläufer. Das machte gestern Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, in nüchternen Worten in Edinburgh deutlich: Für eine erfolgreiche Währungsunion mit Rest-Britannien würden die Schotten erst einmal auf nationale Souveränität verzichten müssen.
    Das schürt die Unsicherheit im Norden; nicht geringer wird sie, weil jetzt einige Schotten, die derzeit nicht in ihrer Heimat leben, darauf drängen, mitentscheiden zu dürfen.
    "Es ist eine Schande, dass viele nicht abstimmen können. Schottische Soldaten in England, zehn von elf der schottischen Olympioniken dürfen nicht mitentscheiden, Rugby-Spieler, Fußballer und noch nicht einmal der Schauspieler und Sänger John Barrowman", ...
    ... sagt James Wallace, vor 26 Jahren in Dumfries geboren. Vor einem Jahr ist er nach London gekommen, wo er zum Rechtsanwalt ausgebildet wird. Deswegen soll James im September nicht über die Unabhängigkeit Schottlands mitbefinden dürfen, ebenso wenig wie rund 750.000 andere Schotten die in England, Wales oder Nordirland leben. Denn abstimmumgsberechtigt sind bloß jene vier Millionen, die derzeit ihren Wohnsitz in Schottland haben – darunter auch EU- oder Commonwealth-Bürger. Eine Regelung, die Alex Salmond aus dem Wahlrecht zum schottischen Regionalparlament übernommen hat. Das aber hält James Wallace für rechtswidrig.
    "Die Regel ist doch nur für regionale Wahlen entworfen worden, weil alles, was vor Ort entschieden wird, mich hier in London natürlich nicht berührt. Die Frage der Unabhängigkeit aber betrifft meine Staatsbürgerschaft. Und es ist doch merkwürdig, dass ein französischer Student in Edinburgh ein größeres Entscheidungsrecht als ich darüber hätte, ob ich schottischer Bürger werde oder nicht. Wenn nämlich Schottland unabhängig wird, würde ich das automatisch und wahrscheinlich meine britische Staatsbürgerschaft verlieren, ohne dass ich darüber mitbestimmen durfte."
    James Wallace fordert, dass wie bei den allgemeinen Parlamentswahlen, britische Staatsbürger im Ausland, die ihr Land vor weniger als 15 Jahren verlassen haben, abstimmen dürfen. Der angehende Rechtsanwalt hat die Online-Petition "Let Wallace Vote" initiiert und will nun gerichtlich gegen den Wahlmodus vorgehen, der gegen EU- und schottisches Recht verstoße. Seine juristischen Chancen seien allerdings gering, gibt er zu, er werde aber sein Bestes geben.