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Schräge Hitparade der Pharaonen

Archäologie. - Die bislang ältesten Musikstücke werden dem griechischen Philosophen und Mathematiker Pythagoras zugeschrieben und damit auf rund 2500 Jahre vor Christus datiert. Italienischen Forschungen zufolge existieren allerdings offenbar noch ältere Kompositionen, die sogar in diesen Tagen im Castel del Monte aufgeführt werden sollen. Der Clou daran: Bereits 3000 Jahre vor Pythagoras sollen Ägypter systematischen Kompositionen gelauscht haben.

    Melancholisch, aber dennoch rhythmisch klingen die Melodien, von denen Anna Gabriella Caldaralo fest überzeugt ist, dass schon die alten Ägypter zu Zeiten von Ramses und Nofretete sie kannten. Die Musikwissenschaftlerin von der Universität Bari im süditalienischen Apulien versucht seit einigen Monaten, diese Forschungsergebnisse eines Kollegen in Musik umzusetzen. Eigens zu diesem Zweck ließ Caldaralo typisch ägyptische Musikinstrumente nachbauen, wie sie von Wandbildern und hieroglyphischen Darstellungen her bekannt sind, darunter Flöten, Trommeln, Dudelsäcke und Trompeten. Für Anna Gabriella Caldaralo ist es auch ein spannendes Experiment, denn beispielsweise über die Zusammenstellung der verschiedenen Instrumente zu Ensembles existieren keinerlei Überlieferungen.

    Unterstützung bezieht die Musikwissenschaftlerin aus Untersuchungen von Nedim Vlora, seines Zeichens Astronom und Ägyptologe und ebenfalls an der Universität Bari tätig. Sein Spezialgebiet sei die "archeoastronomica", berichtet der Forscher: "Es existieren sieben Hieroglyphen, die wir als Noten begreifen müssen. Sie finden sich inmitten von Texten, bringen aber keine Worte oder sprachliche Bedeutungen zum Ausdruck." Diese bislang unverstandenen Halbkonsonanten tauchten aber immer wieder auch in astronomischen Schriften der Ägypter auf. "Aufgrund der auf Wandbildern wiedergegebenen Sternschemata, die recht exakt die Distanzen zwischen den Sternen angeben, können wir diese Hieroglyphen als Noten auffassen." Laut dieser Theorie verwendete das Volk am Nil - anstelle unserer heutigen Notenschrift - sieben als Gottheiten verehrte Sterne als Notenzeichen. Ihre Distanz zueinander habe dabei auch die Abstände der Noten definiert.

    Bislang ging die Musikwissenschaft davon aus, dass Pythagoras die Urheberschaft für das im sechsten vorchristlichen Jahrhundert entworfene, erste Notensystem zustehe. Stimmt aber die Theorie von Vlora und Caldaralo, dann müsste das Alter der Notation mehr als verdoppelt werden. Eine Bestätigung der astronomisch-mathematischen erhielten die beiden Musik-Archäologen durch die Italienische Gesellschaft für Archäologie, die in assyrisch-babylonischen Schrifttafeln ebenfalls Hinweise dafür entdeckte, dass die siebentonige Notenskala des Pythagoras schon 2500 Jahre vor ihm bekannt war. Doch ganze Musikstücke konnten bislang nicht gefunden werden und es bleibt dem Einfühlungsvermögen von Anna Gabriella Caldaralo überlassen, dem Publikum eine glaubhafte Interpretation damaligen Musikgenusses zu vermitteln.

    [Quelle: Thomas Migge]