Rainer Berthold Schossig: Der Georg-Büchner-Preis, die deutsche Literaturauszeichnung geht in diesem Jahr an den österreichischen Schriftsteller Josef Winkler. Das gab die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung heute bekannt. Der mit 40.000 Euro dotierte Preis wird während der Herbsttagung der Deutschen Akademie im November in Darmstadt verliehen. Josef Winkler, Jahrgang 1953, entstammt einer Kärntner Bauernfamilie und mit seiner Trilogie "Menschenkind", "Der Ackermann aus Kärnten" und "Muttersprache", erschienen zwischen 1979 und 82 im Suhrkamp Verlag, begründete er seinen Ruf als Schriftsteller. Sein jüngstes Buch heißt übrigens "Requiem für einen Vater". Josef Winkler lebt in Klagenfurt, wo wir ihn heute Mittag telefonisch erreichten. Und nach einer kleinen Gratulation, dass er nun die Reihe der österreichischen Büchner-Preisträger wie unter anderem. Peter Handke und Ernst Jandl, Elfriede Jelinek und Friederike Mayröcker verlängere, war meine erste Frage an Josef Winkler, in der Begründung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung heißt es, Sie hätten auf die, Zitat, "Katastrophen einer katholischen Dorfkindheit mit Büchern reagiert, deren obsessive Dringlichkeit einzigartig sei". Erinnern Sie sich eigentlich an Ihre Entscheidung, das Schreiben, die Sprache zu Ihrem Beruf zu machen?
Josef Winkler: Ich kann mich irgendwie so, als ich ein 14-jähriges Kind war und immerhin, das war ja naiv, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich bin ja in einem kleinen Dorf aufgewachsen, wo 200 Menschen gelebt haben und wo es Autoritäten, den Lehrer gegeben hat und dann waren es die eigenen Eltern oder Patriarchat - der eigene Vater - und dann noch der Pfarrer. Als 14-Jähriger habe ich mir einmal gedacht, eines Tages werde ich ein Buch schreiben. Aber da habe ich als natürlich als Jugendlicher nicht in dem Sinn die Entscheidung treffen können, dass ich eines Tages einmal wirklich schreiben werde oder gar Schriftsteller usw. Man muss sich vorstellen, in diesem Dorf hat es ja keine Bücher gegeben. Es hatte nicht einmal die Bibel gegeben. Es hat ja nur die Gebetsbücher gegeben. Und in den Gebetsbüchern, in den alten, weiß man ja, was drinnen steht. Die fordern ja Satz für Satz die Unterwerfung. Wir haben ja nichts zu lesen gehabt, aber irgendwie hat es sich so ergeben in der Schule, beim Verkauf von Lose, von Büchern, so ein "Buchclub der Jugend", wer am meisten Lose verkauft, der kriegt ein Buch geschenkt. Und ich bin landauf und bis in die Berge hinaufgegangen und habe die Lose angeboten. Und ich habe am meisten Lose verkauft vom "Buchclub der Jugend", und dann habe ich von Oscar Wilde den "Glücklichen Prinzen" geschenkt bekommen. Das war das erste Buch.
Schossig: Wie können die Traumata des Eigenen zur Sprache gebracht werden, Literatur werden? Was muss da noch hinzukommen zu diesen Kindheitserlebnissen?
Winkler: Das war einfach sehr früh, mein Interesse an der Sprache, die Freude an der Sprache. Ich habe als Kind jedenfalls bei diesem "Glücklichen Prinzen" von Oscar Wilde schnell begriffen, das ist etwas sehr Schönes. Das ist eine sehr schöne Sprache. Und wenn damals im Dorfe so unter den Schulfreunden und Schulfeinden Witze gemacht worden sind, dann haben mich nicht so sehr diese, es waren ja meistens schäbige Witze, zum Lachen gebracht, sondern wenn in einem Witz ein Wortspiel drinnen war, dann habe ich so hellauf lachen können. Und das hat sich dann ja schnell weiterentwickelt. Wenn ich das als 15-, 16-Jähriger das Dorf verlassen habe, und verlassen habe ich es ja sozusagen nicht unbedingt körperlich, aber in meinem Kopf, da habe ich die Bücher von Handke gelesen, von Jonke gelesen, Peter Weiss, die französischen Existenzialisten. Da habe ich gewusst, ich bin woanders, ich gehöre woanders hin, ich werde woanders hinkommen. Und durch dieses Lesen dieser Bücher, wo ich beim Lesen das Gefühl gehabt habe auch, so müsste man schreiben, so könnte ich schreiben, beim Lesen sozusagen gleichzeitig mitschreiben. Und so wie jeder Jugendliche beginnt man mit Gedichten, Tagebücher. Das hat sich halt bei mir dann radikal weiterentwickelt. Irgendwann ist es so, wie ich um die 20, 22 war, war mir klar, schreiben oder sterben, was willst du. Und so steht es auch im "Ackermann aus Kärnten" drinnen. Und dahinter ist meine ganze Existenz gestanden. Und da habe ich gespürt, da wird jetzt klappen, das muss jetzt klappen, weil sonst, da gehe ich drauf, da sterbe ich dran.
Schossig: Dieses Ich-gehöre-nicht-Dazu, Herr Winkler, das ist ja eins auch Ihrer Themen, das Thema der Homosexualität, dieses frühe Erlebnis, nicht "normal", in Anführungszeichen, zu sein, nicht zur Gemeinde der Heterosexuellen zu gehören. Welche Rolle hat das für Sie gespielt? Welches Movens gab es bei Ihnen, über dieses Thema der Homosexualität zu schreiben?
Winkler: Ich meine, die Hauptthemen sind ja die katholische Kirche, und eines der Hauptthemen ist auch das Thema des Todes. Bei Thomas Bernhard heißt es ja auch, mein Thema, das ist der Tod. Und da habe ich ja auch zu der Zeit, als ich zu schreiben begonnne habe, Bernhard gelesen, und das hat mir sehr viel gebracht als Selbstbewusstsein oder so.
Schossig: Was ist Ihr Thema? Ihr Thema ist ja auch der Tod, aber nicht nur. Wie würden Sie das umschreiben? Was ist Ihr Thema?
Winkler: Mein eigentliches Hauptthema, das wird man bei den letzten Büchern noch etwas stärker sehen, ist die Sprache, ist die Form, ist der Klang. Das interessiert mich in erster Linie. Die Motive sozusagen, jetzt der Tod, die katholische Kirche, die Riten, die Rituale, ich war ja neunmal in Indien, die hinduistischen Rituale und Riten, die katholischen usw., diese Kirchtürme, diese Mostranzen und all das. Das wird ins Schlepptau genommen von der Sprache. Und das scheppert irgendwie hinterher.
Schossig: Herr Winkler, für wen schreiben Sie all dies?
Winkler: In erster Linie eigentlich für mich. Und ich versuche, so schöne Sätze wie möglich zu gestalten und dann, vielleicht wird was daraus, und dann, vielleicht lesen es ein paar, vielleicht lesen es viele.
Schossig: Herr Winkler, Sie freuen sich natürlich, dass Sie diesen Büchner-Preis bekommen. Er ist ja als der größte, der wichtige, der entscheidende Preis der deutschsprachigen Literatur bekannt. Was bedeutet er für Sie?
Winkler: Ich habe 1979 mein erstes Buch bei Suhrkamp rausgebracht. Das war für mich schon sozusagen der Durchbruch. Martin Weißer hat mein erstes Manuskript zu Siegfried Unseld gebracht. Und das war für mich schon ein großer Luxus. Und ich bin auch seither bei Suhrkamp, Büchner-Preis, vom Renommee weiß man ja, es ist ja einer der höchst angesehensten im ganzen deutschen Sprachraum und vielleicht sogar Europas, und das ist natürlich eine Krönung, mit der ich bei Gott und bei Teufel nicht gerechnet habe.
Josef Winkler: Ich kann mich irgendwie so, als ich ein 14-jähriges Kind war und immerhin, das war ja naiv, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich bin ja in einem kleinen Dorf aufgewachsen, wo 200 Menschen gelebt haben und wo es Autoritäten, den Lehrer gegeben hat und dann waren es die eigenen Eltern oder Patriarchat - der eigene Vater - und dann noch der Pfarrer. Als 14-Jähriger habe ich mir einmal gedacht, eines Tages werde ich ein Buch schreiben. Aber da habe ich als natürlich als Jugendlicher nicht in dem Sinn die Entscheidung treffen können, dass ich eines Tages einmal wirklich schreiben werde oder gar Schriftsteller usw. Man muss sich vorstellen, in diesem Dorf hat es ja keine Bücher gegeben. Es hatte nicht einmal die Bibel gegeben. Es hat ja nur die Gebetsbücher gegeben. Und in den Gebetsbüchern, in den alten, weiß man ja, was drinnen steht. Die fordern ja Satz für Satz die Unterwerfung. Wir haben ja nichts zu lesen gehabt, aber irgendwie hat es sich so ergeben in der Schule, beim Verkauf von Lose, von Büchern, so ein "Buchclub der Jugend", wer am meisten Lose verkauft, der kriegt ein Buch geschenkt. Und ich bin landauf und bis in die Berge hinaufgegangen und habe die Lose angeboten. Und ich habe am meisten Lose verkauft vom "Buchclub der Jugend", und dann habe ich von Oscar Wilde den "Glücklichen Prinzen" geschenkt bekommen. Das war das erste Buch.
Schossig: Wie können die Traumata des Eigenen zur Sprache gebracht werden, Literatur werden? Was muss da noch hinzukommen zu diesen Kindheitserlebnissen?
Winkler: Das war einfach sehr früh, mein Interesse an der Sprache, die Freude an der Sprache. Ich habe als Kind jedenfalls bei diesem "Glücklichen Prinzen" von Oscar Wilde schnell begriffen, das ist etwas sehr Schönes. Das ist eine sehr schöne Sprache. Und wenn damals im Dorfe so unter den Schulfreunden und Schulfeinden Witze gemacht worden sind, dann haben mich nicht so sehr diese, es waren ja meistens schäbige Witze, zum Lachen gebracht, sondern wenn in einem Witz ein Wortspiel drinnen war, dann habe ich so hellauf lachen können. Und das hat sich dann ja schnell weiterentwickelt. Wenn ich das als 15-, 16-Jähriger das Dorf verlassen habe, und verlassen habe ich es ja sozusagen nicht unbedingt körperlich, aber in meinem Kopf, da habe ich die Bücher von Handke gelesen, von Jonke gelesen, Peter Weiss, die französischen Existenzialisten. Da habe ich gewusst, ich bin woanders, ich gehöre woanders hin, ich werde woanders hinkommen. Und durch dieses Lesen dieser Bücher, wo ich beim Lesen das Gefühl gehabt habe auch, so müsste man schreiben, so könnte ich schreiben, beim Lesen sozusagen gleichzeitig mitschreiben. Und so wie jeder Jugendliche beginnt man mit Gedichten, Tagebücher. Das hat sich halt bei mir dann radikal weiterentwickelt. Irgendwann ist es so, wie ich um die 20, 22 war, war mir klar, schreiben oder sterben, was willst du. Und so steht es auch im "Ackermann aus Kärnten" drinnen. Und dahinter ist meine ganze Existenz gestanden. Und da habe ich gespürt, da wird jetzt klappen, das muss jetzt klappen, weil sonst, da gehe ich drauf, da sterbe ich dran.
Schossig: Dieses Ich-gehöre-nicht-Dazu, Herr Winkler, das ist ja eins auch Ihrer Themen, das Thema der Homosexualität, dieses frühe Erlebnis, nicht "normal", in Anführungszeichen, zu sein, nicht zur Gemeinde der Heterosexuellen zu gehören. Welche Rolle hat das für Sie gespielt? Welches Movens gab es bei Ihnen, über dieses Thema der Homosexualität zu schreiben?
Winkler: Ich meine, die Hauptthemen sind ja die katholische Kirche, und eines der Hauptthemen ist auch das Thema des Todes. Bei Thomas Bernhard heißt es ja auch, mein Thema, das ist der Tod. Und da habe ich ja auch zu der Zeit, als ich zu schreiben begonnne habe, Bernhard gelesen, und das hat mir sehr viel gebracht als Selbstbewusstsein oder so.
Schossig: Was ist Ihr Thema? Ihr Thema ist ja auch der Tod, aber nicht nur. Wie würden Sie das umschreiben? Was ist Ihr Thema?
Winkler: Mein eigentliches Hauptthema, das wird man bei den letzten Büchern noch etwas stärker sehen, ist die Sprache, ist die Form, ist der Klang. Das interessiert mich in erster Linie. Die Motive sozusagen, jetzt der Tod, die katholische Kirche, die Riten, die Rituale, ich war ja neunmal in Indien, die hinduistischen Rituale und Riten, die katholischen usw., diese Kirchtürme, diese Mostranzen und all das. Das wird ins Schlepptau genommen von der Sprache. Und das scheppert irgendwie hinterher.
Schossig: Herr Winkler, für wen schreiben Sie all dies?
Winkler: In erster Linie eigentlich für mich. Und ich versuche, so schöne Sätze wie möglich zu gestalten und dann, vielleicht wird was daraus, und dann, vielleicht lesen es ein paar, vielleicht lesen es viele.
Schossig: Herr Winkler, Sie freuen sich natürlich, dass Sie diesen Büchner-Preis bekommen. Er ist ja als der größte, der wichtige, der entscheidende Preis der deutschsprachigen Literatur bekannt. Was bedeutet er für Sie?
Winkler: Ich habe 1979 mein erstes Buch bei Suhrkamp rausgebracht. Das war für mich schon sozusagen der Durchbruch. Martin Weißer hat mein erstes Manuskript zu Siegfried Unseld gebracht. Und das war für mich schon ein großer Luxus. Und ich bin auch seither bei Suhrkamp, Büchner-Preis, vom Renommee weiß man ja, es ist ja einer der höchst angesehensten im ganzen deutschen Sprachraum und vielleicht sogar Europas, und das ist natürlich eine Krönung, mit der ich bei Gott und bei Teufel nicht gerechnet habe.