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Schreiben über Musik

Der Stil von Musikkritiken muss sich den neuen Hörgewohnheiten anpassen, die das Internet mit sich bringt. Dünkelhaftes Herausstellen der eigenen Bildung des Rezensenten ist nicht mehr gefragt, sondern Nähe zum Hörer, Vermittlung von Musikthemen. Dem widmeten sich in diesem Jahr erstmals auch die Weimarer Meisterkurse.

Von Blanka Weber | 15.07.2013
    Ein junger Student spielt per Computer seine Klangcollagen. Akusmatische Musik, so nennen sich dieser Musikstil und auch dieser Workshop. Der Student wird von einer Jury bewertet. Für ihn geht es um ein Stipendium, für die Studentin Josefine Prkno geht es um die Frage: Wie würde eine Musikkritik über dieses Stück aussehen?

    "Ich glaube, wenn's nach den Dozenten geht, dann muss es vor allem eine spannende Kritik sein und eine Kritik, die an dem Mainstream vorbeigeht. Also, es darf einfach nicht nur gut sein, sondern muss etwas Unerwartetes enthalten und den Zuhörer anziehen, weil man merkt doch schon, dass die Sachen nicht einfach nur gelesen und gehört werden, sondern die müssen irgendwas Spannendes dabei haben."

    Sie selbst liest übrigens kaum Kritiken, erzählt Josefine Prkno. Das sei aber mehr dem Studium geschuldet. Die junge Wissenschaftlerin tastet sich lieber selbst durch das Dickicht der Qualität, wenn es um Musik geht, und verlässt sich eher auf Tipps anderer Musiker, die ein Urteil fällen – und da reiche ihr die Aussage: gut oder schlecht.

    "Der Journalismus ist auch oft so, dass auch eine Story gesucht werden muss."

    Wie also sieht eine gute Musikkritik für Nicht-Insider aus? Johannes Schultz ist 22, studiert das Instrument Klarinette und widmet sich nun auch dem Schreiben über Musik:

    "Also, für mich ist, glaube ich, das Kriterium für eine Top-Musikkritik, dass ich das Gefühl habe, derjenige, der darüber schreibt, hat Ahnung davon, weiß, wovon er redet und kann mir das, will mir das auch vermitteln."

    Das Vermitteln wird immer wichtiger, weil die Grundkenntnisse an Musik abnehmen, aber das Interesse weiterhin groß ist, sagt Professor Elmar Fulda von der Musikhochschule Weimar:

    "Die Rezeption von Musik ändert sich meines Erachtens dramatisch. Es ist so, dass die Musik ganz häufig über's Internet wahrgenommen wird. Das Internet ist ein Medium, wo es diese Art von Vorfilterung, was klassischer Musikjournalismus bietet, nicht mehr gibt. Das heißt, wir müssen ganz andere Wege denken, wie man journalistische Musikthemen an Leute bringt. Jemand der auf YouTube nach Musik sucht, geht anders ran als ein klassischer Leser, der erst mal eine Rezension liest und dann vielleicht in ein Konzert geht oder sich eine CD kauft."

    Aber, vielleicht liegt das auch daran, was Rezensionen zu bieten haben – formulieren vorsichtig die Workshopteilnehmer und Dozenten. Denn, dass sich der Stil des Schreibens den neuen Hörgewohnheiten anpassen muss, ist klar, sagt auch Michael Schmidt vom Bayrischen Rundfunk:

    "Früher hat man eher distanzierter gesprochen, man hat durch eine sehr elaborierte Art des Sprechens seine eigene Kompetenz herausstellen wollen. Heute ist mehr Nähe gefragt, Nähe zur Musik aber auch wieder zu den Menschen, und dieses Distanzierende, auch vielleicht manchmal dünkelhafte Herausstellen der eigenen Bildung ist nicht mehr gefragt."

    Ebenso das mitunter vernichtende Urteil eines Einzelnen, der die Kunst in den subjektiven Blick nimmt, sagt der Journalist:

    "Es ist weniger gefragt, den großen Kunstrichter, wie man das früher hatte, zu haben, der einem sagt: Das ist gut und das ist schlecht und der auch sein eigenes Wissen in den Vordergrund stellt, sondern es hat mehr mit Kommunikation, mehr mit Vermittlung zu tun. Man möchte etwas über Werke lernen, begeistert werden dafür."

    Die Musikwissenschaftlerin Christiane Wiesenfeldt von der Hochschule für Musik in Weimar geht noch einen Schritt weiter.

    "Das reine Format Musikkritik, wie wir es kennen im Feuilleton einer großen überregionalen Tageszeitung, wird sich kaum ändern können. Ich denke, was sich ändert, ist eben die große Farbenvielfalt der Kritiken in den Medien. Und da sind eben die verschiedenen Persönlichkeiten, Lebensläufe und Interessen gefragt."

    Genau das ist das Potenzial, dem sich die Weimarer Hochschule für Musik in den Meisterkursen widmen will. Weil Musik, allein als Crossover zwischen Pop und Klassik, immer beliebter wird und weil Musiker immer besser auch kommunizieren müssen und - dank der Vielfalt der Medien – auch kommunizieren können.

    Ob Johannes Schultz, der 22-jährige Musikstudent, später zusätzlich auch Kritiken schreiben wird, weiß er noch nicht. Zumindest aber kennt er auch die andere Perspektive, jene der Musiker, über die nach Konzerten berichtet wird:

    "Es ist natürlich auch etwas merkwürdig, weil man die Leute ja nicht kennt, die über einen schreiben. Und man ist ihnen in gewisser Weise ja auch ausgeliefert, weil man kann dazu nichts sagen. Wenn man ein Konzert gibt, dann steht das erstmal so in der Zeitung und in der Öffentlichkeit im Raum. Aber das muss man akzeptieren."

    Sagt es und vertieft sich wieder ins Interview mit einem französischen Spezialisten für puristische Klangkunst.