"Wir stehen 3 Verst vor Zamosc, warten auf die Einnahme der Stadt, werden hier übernachten. Feld, Nacht, Regen, durchdringende Kälte, wir liegen auf der nassen Erde, den Pferden nichts zu geben, es ist dunkel, Meldereiter kommen geritten. Den Angriff führen werden die 1. und die 3. Brigade. Wie üblich kommen Kniga und Levda, Kommandeur der 3. Brigade, Ukrainer, halber Analphabet. Müdigkeit, Apathie, unausrottbar, der Wunsch zu schlafen, beinahe Verzweiflung. In der Dunkelheit rückt eine Kette vor, eine ganze Brigade zu Fuß. Neben uns – ein Geschütz. Eine Stunde später – die Erlösung. Unser Geschütz feuert ununterbrochen, ein weiches platzendes Knallen, Lichter in der Nacht, die Polen lassen Raketen steigen, heftiges Feuer, Gewehr- und MG-Feuer, die Hölle, wir warten, 3 Uhr nachts. Die Schlacht verebbt. Nichts ist herausgekommen. Immer häufiger und häufiger kommt bei uns nichts heraus. Was ist los? Gibt die Armee sich auf?"
"Wir reiten ins Nachtlager etwa 10 Verst nach Sitaniec. Der Regen wird stärker. Unsägliche Müdigkeit. Nur ein Traum – das Quartier. Der Traum geht in Erfüllung. Ein alter zerstreuter Pole mit seiner Alten. Die Soldaten nehmen ihn natürlich auseinander. Außerordentlicher Schreck, alle haben in den Kellern gesessen. Viel Milch, Butter, Nudeln, ein Schwelgen. Ich hole mir jedes Mal etwas anderes zu essen. Das leidgeprüfte gute, alte Mütterchen. Zerlassene Butter, ein Genuss. Plötzlich Beschuss, Kugeln pfeifen um die Pferdeställe, den Pferden um die Beine. Wir machen uns aus dem Staub. Verzweiflung. Wir reiten ans Dorfende. Drei Stunden Schlaf, unterbrochen von Meldungen, Nachforschungen, Alarm."
Notizen des Schriftstellers Isaac Babel, am 30. August 1920 in sein Tagebuch geschrieben. Babel war Soldat in der so genannten Reiterarmee, die den Angriff der polnischen Truppen auf die revolutionäre Sowjetunion zurückschlagen sollte. Sein Erzählzyklus "Die Reiterarmee" gilt heute als das bedeutendste literarische Zeugnis dieses Krieges. Babel, 1894 in Odessa geborener Jude, war ein Anhänger der russischen Revolution, von der er sich, wie so viele in der Frühzeit dieser Revolution, die Befreiung der verelendeten russischen Bevölkerung vom Joch der Zarenherrschaft erhoffte.
Doch Babel gehörte zu denen, die genau hinsahen. Schon in seinem Tagebuch von 1920, dem Jahr des polnisch-russischen Krieges, verschwieg er weder die Gräuel noch die Brutalität und Dummheit der Führung dieser Truppe. Bald nach Veröffentlichung der Reiterarmee 1926, die auf dem Tagebuch basierte, wurde der Schriftsteller heftig angegriffen. Budjonnyj, der Kommandeur der Reiterarmee, von Stalin später hoch dekoriert, ließ Babel als 'degenerierten Literaten’ diffamieren, der ihn mit dem ’künstlerischen Speichel des Klassenhasses begeifere’. Der Dichter landete, wie so viele Enthusiasten der revolutionären Frühzeit, erst in den Folterkellern des Stalinismus und endete vor einem Erschießungskommando. Als Taschenbuch ist nun die einzige deutschsprachige Biographie Isaac Babels erschienen, verfasst von Reinhard Krumm. Karla Hielscher hat es sie gelesen:
"... ist es nicht so, dass die russische Literatur noch keine wirklich freudige, klare Beschreibung der Sonne hat? Die Russen wird es zum Süden, ans Meer und zur Sonne ziehen. Der literarische Messias, auf den man schon so lange und fruchtlos wartet, wird von dort kommen - aus den sonnigen, meerumspülten Steppen."
Das schreibt der große russische Schriftsteller der Sowjetzeit, Isaak Babel, 1916 in seiner frühen Skizze "Odessa". Der 1894 in Odessa geborene Jude Babel träumte davon, gegen die schweren Petersburger Nebel die Sonne in die russische Literatur zu tragen und wurde doch - hineingeboren in die Epoche von Revolution, Bürgerkrieg und Totalitarismus - zum Sänger von Chaos, Gewalt und Finsternis. Und die kurze Lebensgeschichte dieses außergewöhnlichen Autors, der all seine Hoffnungen auf den revolutionären Umbruch gesetzt und – wie er einmal schrieb - ein "Leben voll Sinn und Fröhlichkeit" erwartet hatte, endete für den 45-jährigen in den Folter- und Hinrichtungskellern der stalinistischen Geheimpolizei.
Es sind zwei Erzählzyklen, für die Babel bis heute weltberühmt ist: die kraftvollen Geschichten vom jüdischen Banditenhelden Benja Krik aus Odessas Vorstadt Moldawanka mit ihrem wilden Sprachgemisch aus Russisch, Jiddisch und Ganovenjargon. Vor allem aber die grandiosen poetischen Berichte über den Polenfeldzug 1920 der bolschewistischen "Reiterarmee", in denen er die Revolution auf überwältigende Weise künstlerisch verdichtet gestaltete. Mit ihrer kalten Lakonik und farbig glühenden Bilderflut wurden sie zum Inbegriff der revolutionär avantgardistischen Prosa des 20. Jahrhunderts.
Reinhard Krumms Buch basiert auf einer beeindruckenden Vielfalt benutzter Quellen: gewissenhaften Forschungen in russischen und ukrainischen Archiven, Interviews mit Zeitzeugen wie der zweiten Frau Babels, seiner Tochter Nathalie u.a. sowie der genauen Kenntnis auch der neuesten Sekundärliteratur. Reinhard Krumm schildert chronologisch die Lebensstationen Babels, eingebettet in die politischen und soziokulturellen Entwicklungen dieser dramatischen Umbruchszeit: den vibrierenden kosmopolitischen Schmelztiegel seiner Geburtsstadt Odessa, seine literarischen Anfänge im revolutionär chaotischen Petrograd mit Maxim Gorkij als seinem Mentor, sein Einsatz als Kriegskorrespondent in der legendären Reiterarmee Budjonnys, seine ständigen abenteuerlichen Reisen an die Brennpunkte der revolutionären Umwälzung, sein Welterfolg und die Aufenthalte im Westen - bei seiner in Paris lebenden Frau, seiner Mutter und Schwester in Brüssel oder bei Gorkij im italienischen Sorrent; dann seine wachsende Isolierung infolge der massiven Indienstnahme der Sowjetliteratur durch die kommunistische Partei, seine zunehmenden Zweifel, sein Schweigen, seine innere Emigration, die ihn nur noch für die Schublade, d.h. eine Metallkiste, schreiben ließ, deren Inhalt bis heute verschollen ist; seine lähmende Angst, seine Rechtfertigungsversuche vor den Literaturfunktionären; schließlich die nächtliche Verhaftung im Schriftstellerdorf Peredjelkino, die Verurteilung als angeblicher "Volksfeind und Spion" und schließlich sein Tod vor einem Erschießungskommando im Januar 1940.
Vor uns entsteht - veranschaulicht auch durch Fotos - die facettenreiche und zwiespältige Gestalt dieses bedeutenden Schriftstellers: der fröhlich-witzige Abenteurer, Pferdenarr und Freund des populären Jazzmusikers Utjossow, dann aber auch der fanatisch an seinen Texten feilende, um Wahrheit ringende Autor; der Liebhaber schöner Frauen wie der liebevoll sorgende Familienvater; der vom sowjetischen Geheimdienst Tscheka, über den er einen Roman schreiben wollte, faszinierte, Gefahr und Risiko nicht scheuende Glücksritter wie der leidende, gebrochene Angeklagte.
Als prägend für das Verständnis seiner Persönlichkeit schält sich Babels doppelte Identität als Jude und Russe heraus. Babel, der - in jüdischer Tradition erzogen - trotz seiner Begabung und polyglotten Bildung als Jude nur eine Handelsschule besuchen konnte, erhoffte sich nach der Revolution eine Symbiose von Judentum und Kommunismus. Der in der "Roten Reiterarmee" unter dem Pseudonym Kirill Ljutow – übrigens abgeleitet vom russischen Wort: "ljutyj" – "der Grimmig-Grausame" - agierende jüdische Intellektuelle notiert nach den Brandschatzungen, Vergewaltigungen und mörderischen Judenpogromen im Osten Polens, deren Augenzeuge er geworden war, in sein Tagebuch:
"Wie wir die Freiheit bringen, schrecklich."
Und schon in der letzten Erzählung des Reiterarmeezyklus thematisiert er sinnbildhaft im Tod des jüdischen Rotarmisten, den er seinen Bruder nennt und dessen auf dem Boden verstreute Sachen er beschreibt, das Scheitern seines Traums vom Zusammenwachsen jüdischer und kommunistischer Utopie:
"Die Porträts von Lenin und von Maimonides lagen nebeneinander. Das knorrige Eisen des leninschen Schädels und die stumpfe Seide des Porträts des Maimonides. Die Haarlocke einer Frau lag gepresst in der Broschüre mit den Beschlüssen des sechsten Parteikongresses, und auf den Rändern kommunistischer Flugblätter drängten sich die schrägen Zeilen althebräischer Verse."
Sein gefeiertes Meisterwerk wurde Babel später mehr und mehr zum Verhängnis. Der stupide Haudegen Semjon Budjonny, Kommandeur der roten Reitertruppe und späterer Marschall der Sowjetunion, hatte schon gleich bei Erscheinen der "Reiterarmee" gegen Babels so unheroische und – wie er bemängelte - "weibische" Darstellung heftig polemisiert. Und Stalin selbst behielt den Schriftsteller seither immer genau im Blick – ein verbürgtes Zitat des Diktators:
"Unser zappeliger Babel schreibt über Dinge, von denen er keine Ahnung hat. (Zum Beispiel die "Reiterarmee")."
Auch jene Liste der zum Tode Verurteilten, auf der sich Babels Name fand, wurde später von Stalin persönlich abgezeichnet. Schade, dass in der eher knappen Darstellung Babel selbst mit Zitaten aus Werken, Briefen und Tagebüchern viel zu wenig zu Wort kommt. Die zuverlässig recherchierte, spannend geschriebene Biographie von Reinhard Krumm weckt aber die Lust, sich noch intensiver mit Leben und Werk dieser literarischen Jahrhundertgestalt auseinanderzusetzen.
Karla Hielscher war das über: 'Isaak Babel - Schreiben unter Stalin’ von Reinhard Krumm: Das Buch mit 244 Seiten ist bei Books on Demand erschienen und kostet 13,90 Euro. Die erhoffte neuerliche Beschäftigung mit Babels Werken ist leider nicht so einfach: Die zweibändige Ausgabe von Babels Tagebuch 1920 und Die Reiterarmee - bei Diogenes erschienen, übersetzt und kommentiert von Peter Urban - ist leider vergriffen und nur noch antiquarisch zu bekommen.
"Wir reiten ins Nachtlager etwa 10 Verst nach Sitaniec. Der Regen wird stärker. Unsägliche Müdigkeit. Nur ein Traum – das Quartier. Der Traum geht in Erfüllung. Ein alter zerstreuter Pole mit seiner Alten. Die Soldaten nehmen ihn natürlich auseinander. Außerordentlicher Schreck, alle haben in den Kellern gesessen. Viel Milch, Butter, Nudeln, ein Schwelgen. Ich hole mir jedes Mal etwas anderes zu essen. Das leidgeprüfte gute, alte Mütterchen. Zerlassene Butter, ein Genuss. Plötzlich Beschuss, Kugeln pfeifen um die Pferdeställe, den Pferden um die Beine. Wir machen uns aus dem Staub. Verzweiflung. Wir reiten ans Dorfende. Drei Stunden Schlaf, unterbrochen von Meldungen, Nachforschungen, Alarm."
Notizen des Schriftstellers Isaac Babel, am 30. August 1920 in sein Tagebuch geschrieben. Babel war Soldat in der so genannten Reiterarmee, die den Angriff der polnischen Truppen auf die revolutionäre Sowjetunion zurückschlagen sollte. Sein Erzählzyklus "Die Reiterarmee" gilt heute als das bedeutendste literarische Zeugnis dieses Krieges. Babel, 1894 in Odessa geborener Jude, war ein Anhänger der russischen Revolution, von der er sich, wie so viele in der Frühzeit dieser Revolution, die Befreiung der verelendeten russischen Bevölkerung vom Joch der Zarenherrschaft erhoffte.
Doch Babel gehörte zu denen, die genau hinsahen. Schon in seinem Tagebuch von 1920, dem Jahr des polnisch-russischen Krieges, verschwieg er weder die Gräuel noch die Brutalität und Dummheit der Führung dieser Truppe. Bald nach Veröffentlichung der Reiterarmee 1926, die auf dem Tagebuch basierte, wurde der Schriftsteller heftig angegriffen. Budjonnyj, der Kommandeur der Reiterarmee, von Stalin später hoch dekoriert, ließ Babel als 'degenerierten Literaten’ diffamieren, der ihn mit dem ’künstlerischen Speichel des Klassenhasses begeifere’. Der Dichter landete, wie so viele Enthusiasten der revolutionären Frühzeit, erst in den Folterkellern des Stalinismus und endete vor einem Erschießungskommando. Als Taschenbuch ist nun die einzige deutschsprachige Biographie Isaac Babels erschienen, verfasst von Reinhard Krumm. Karla Hielscher hat es sie gelesen:
"... ist es nicht so, dass die russische Literatur noch keine wirklich freudige, klare Beschreibung der Sonne hat? Die Russen wird es zum Süden, ans Meer und zur Sonne ziehen. Der literarische Messias, auf den man schon so lange und fruchtlos wartet, wird von dort kommen - aus den sonnigen, meerumspülten Steppen."
Das schreibt der große russische Schriftsteller der Sowjetzeit, Isaak Babel, 1916 in seiner frühen Skizze "Odessa". Der 1894 in Odessa geborene Jude Babel träumte davon, gegen die schweren Petersburger Nebel die Sonne in die russische Literatur zu tragen und wurde doch - hineingeboren in die Epoche von Revolution, Bürgerkrieg und Totalitarismus - zum Sänger von Chaos, Gewalt und Finsternis. Und die kurze Lebensgeschichte dieses außergewöhnlichen Autors, der all seine Hoffnungen auf den revolutionären Umbruch gesetzt und – wie er einmal schrieb - ein "Leben voll Sinn und Fröhlichkeit" erwartet hatte, endete für den 45-jährigen in den Folter- und Hinrichtungskellern der stalinistischen Geheimpolizei.
Es sind zwei Erzählzyklen, für die Babel bis heute weltberühmt ist: die kraftvollen Geschichten vom jüdischen Banditenhelden Benja Krik aus Odessas Vorstadt Moldawanka mit ihrem wilden Sprachgemisch aus Russisch, Jiddisch und Ganovenjargon. Vor allem aber die grandiosen poetischen Berichte über den Polenfeldzug 1920 der bolschewistischen "Reiterarmee", in denen er die Revolution auf überwältigende Weise künstlerisch verdichtet gestaltete. Mit ihrer kalten Lakonik und farbig glühenden Bilderflut wurden sie zum Inbegriff der revolutionär avantgardistischen Prosa des 20. Jahrhunderts.
Reinhard Krumms Buch basiert auf einer beeindruckenden Vielfalt benutzter Quellen: gewissenhaften Forschungen in russischen und ukrainischen Archiven, Interviews mit Zeitzeugen wie der zweiten Frau Babels, seiner Tochter Nathalie u.a. sowie der genauen Kenntnis auch der neuesten Sekundärliteratur. Reinhard Krumm schildert chronologisch die Lebensstationen Babels, eingebettet in die politischen und soziokulturellen Entwicklungen dieser dramatischen Umbruchszeit: den vibrierenden kosmopolitischen Schmelztiegel seiner Geburtsstadt Odessa, seine literarischen Anfänge im revolutionär chaotischen Petrograd mit Maxim Gorkij als seinem Mentor, sein Einsatz als Kriegskorrespondent in der legendären Reiterarmee Budjonnys, seine ständigen abenteuerlichen Reisen an die Brennpunkte der revolutionären Umwälzung, sein Welterfolg und die Aufenthalte im Westen - bei seiner in Paris lebenden Frau, seiner Mutter und Schwester in Brüssel oder bei Gorkij im italienischen Sorrent; dann seine wachsende Isolierung infolge der massiven Indienstnahme der Sowjetliteratur durch die kommunistische Partei, seine zunehmenden Zweifel, sein Schweigen, seine innere Emigration, die ihn nur noch für die Schublade, d.h. eine Metallkiste, schreiben ließ, deren Inhalt bis heute verschollen ist; seine lähmende Angst, seine Rechtfertigungsversuche vor den Literaturfunktionären; schließlich die nächtliche Verhaftung im Schriftstellerdorf Peredjelkino, die Verurteilung als angeblicher "Volksfeind und Spion" und schließlich sein Tod vor einem Erschießungskommando im Januar 1940.
Vor uns entsteht - veranschaulicht auch durch Fotos - die facettenreiche und zwiespältige Gestalt dieses bedeutenden Schriftstellers: der fröhlich-witzige Abenteurer, Pferdenarr und Freund des populären Jazzmusikers Utjossow, dann aber auch der fanatisch an seinen Texten feilende, um Wahrheit ringende Autor; der Liebhaber schöner Frauen wie der liebevoll sorgende Familienvater; der vom sowjetischen Geheimdienst Tscheka, über den er einen Roman schreiben wollte, faszinierte, Gefahr und Risiko nicht scheuende Glücksritter wie der leidende, gebrochene Angeklagte.
Als prägend für das Verständnis seiner Persönlichkeit schält sich Babels doppelte Identität als Jude und Russe heraus. Babel, der - in jüdischer Tradition erzogen - trotz seiner Begabung und polyglotten Bildung als Jude nur eine Handelsschule besuchen konnte, erhoffte sich nach der Revolution eine Symbiose von Judentum und Kommunismus. Der in der "Roten Reiterarmee" unter dem Pseudonym Kirill Ljutow – übrigens abgeleitet vom russischen Wort: "ljutyj" – "der Grimmig-Grausame" - agierende jüdische Intellektuelle notiert nach den Brandschatzungen, Vergewaltigungen und mörderischen Judenpogromen im Osten Polens, deren Augenzeuge er geworden war, in sein Tagebuch:
"Wie wir die Freiheit bringen, schrecklich."
Und schon in der letzten Erzählung des Reiterarmeezyklus thematisiert er sinnbildhaft im Tod des jüdischen Rotarmisten, den er seinen Bruder nennt und dessen auf dem Boden verstreute Sachen er beschreibt, das Scheitern seines Traums vom Zusammenwachsen jüdischer und kommunistischer Utopie:
"Die Porträts von Lenin und von Maimonides lagen nebeneinander. Das knorrige Eisen des leninschen Schädels und die stumpfe Seide des Porträts des Maimonides. Die Haarlocke einer Frau lag gepresst in der Broschüre mit den Beschlüssen des sechsten Parteikongresses, und auf den Rändern kommunistischer Flugblätter drängten sich die schrägen Zeilen althebräischer Verse."
Sein gefeiertes Meisterwerk wurde Babel später mehr und mehr zum Verhängnis. Der stupide Haudegen Semjon Budjonny, Kommandeur der roten Reitertruppe und späterer Marschall der Sowjetunion, hatte schon gleich bei Erscheinen der "Reiterarmee" gegen Babels so unheroische und – wie er bemängelte - "weibische" Darstellung heftig polemisiert. Und Stalin selbst behielt den Schriftsteller seither immer genau im Blick – ein verbürgtes Zitat des Diktators:
"Unser zappeliger Babel schreibt über Dinge, von denen er keine Ahnung hat. (Zum Beispiel die "Reiterarmee")."
Auch jene Liste der zum Tode Verurteilten, auf der sich Babels Name fand, wurde später von Stalin persönlich abgezeichnet. Schade, dass in der eher knappen Darstellung Babel selbst mit Zitaten aus Werken, Briefen und Tagebüchern viel zu wenig zu Wort kommt. Die zuverlässig recherchierte, spannend geschriebene Biographie von Reinhard Krumm weckt aber die Lust, sich noch intensiver mit Leben und Werk dieser literarischen Jahrhundertgestalt auseinanderzusetzen.
Karla Hielscher war das über: 'Isaak Babel - Schreiben unter Stalin’ von Reinhard Krumm: Das Buch mit 244 Seiten ist bei Books on Demand erschienen und kostet 13,90 Euro. Die erhoffte neuerliche Beschäftigung mit Babels Werken ist leider nicht so einfach: Die zweibändige Ausgabe von Babels Tagebuch 1920 und Die Reiterarmee - bei Diogenes erschienen, übersetzt und kommentiert von Peter Urban - ist leider vergriffen und nur noch antiquarisch zu bekommen.