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Schreiblust wecken bis zum Morgengrauen

Literatur wälzen, Formulierungen finden und schließlich die Hausarbeit niederschreiben. Damit quälen sich viele Studenten. Bei der "Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten" haben sie die Möglichkeit sich auszutauschen, Beratung in Anspruch zu nehmen und sich in der Gemeinschaft zu motivieren.

Von Michael Brandt | 02.03.2012
    Für acht Uhr abends war erstaunlich viel los vor und in der Universitätsbibliothek Tübingen. Die Cafeteria im Untergeschoss ist voll besetzt, und eine Treppe höher ist man dann mitten drin in der Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten

    "Das hier ist der Gruppenarbeitsraum und hier finden auch die Beratungen statt. Hier darf gesprochen werden, und wir haben jetzt hier drei Beratungsinseln."

    Sagt Roswita Frei vom Schreibzentrum der Uni. Sie hat die Nacht in Tübingen organisiert. Beratungsinseln, an denen Tutoren der verschiedenen Fakultäten den Studierenden ihre Hilfe anbieten. Vor allem aber sitzen viele Studierende einfach vor ihren Büchern oder ihrem Laptop und arbeiten, und zwar ziemlich engagiert:

    "Wir haben schon vor, also wir zwei, bis sechs Uhr. So lang ich wach bleib, bleib ich hier."

    Bis sechs Uhr morgens wollen die Studierenden in der Universitätsbibliothek zunächst mal eines: Den inneren Schweinehund bekämpfen:

    "Was das Lesen angeht auf jeden Fall. Also man fängt an, und dann kommt man auf einmal auf die Idee, ich könnte mein Zimmer mal wieder aufräumen oder mal wieder was kochen oder einen Kuchen backen oder telefonieren. Und das ist ganz schrecklich. Genau, weil das Lesen macht immer so was, man schiebt das einfach immer ultralang,, das Lesen."

    Mit dem Schreiben tun sich die beiden Germanistinnen nicht besonders schwer, aber das Lesen, und vor allem die endlose Sekundärliteratur.

    Aus einem ganz anderen Grund sind diese beiden Juristinnen im 3. Semester da, die gerade ihre erste Hausarbeit im Zivilrecht vor sich haben:

    "Um den Austausch anzuregen, weil gerade an der juristischen Fakultät sind wir einfach massig viele Studenten und da rennt man viel aneinander vorbei. Ja, das Formulieren ist auch so eine Sache für sich.Weil in den Hausarbeiten der Juristen, das ist nicht wie in einem Deutschaufsatz, sondern das ist ein eigener juristischer Stil de Gutachtenstil und den muss man sich auch erst aneignen."

    Anna Kentne ist Tutorin in osteuropäischer Geschichte. Sie steht kurz vor dem Staatsexamen und hat gerade nichts zu tun. Osteuropäische Geschichte ist eben ein eher kleines Fach, was aber nicht heißt, dass bislang noch niemand bei ihr war und um Rat gefragt hat:

    "Im Prinzip geht es bei den Anfängerstudenten vor allem darum Themen zu finden oder überhaupt, wie bau ich eine Hausarbeit auf, wie bibliografier ich, während es in den höheren Semestern dann oft auch um stilistische Fragen geht."

    Bei vielen geht es also schlicht ums Handwerk: Wie baue ich eine wissenschaftliche Arbeit auf und wie vermeide ich Fehler. Aber auf Wunsch geht es auch ans Eingemachte. Viele Studenten, berichtet Roswita Frei vom Schreibzentrum, tun sich schwer mit dem Schreiben, kämpfen gegen Schreibblockaden.

    "Und es geht aber auch darum zu sehen, ich bin nicht alleine mit meinem Problem. Ich habe vorhin eine Studentin beraten, die hatte das Gefühl, sie ist die Einzige, die dieses Problem hat und nicht weiter kann. Aber wenn man sieht, dass es s viele Leute hier sind, dann kann man auch leicht auf die zugehen und fragen, wie machst denn du das?"

    Natürlich, so Roswita Frei, geht es in der Nacht der aufgeschoben Hausarbeiten nicht darum, eine Hausarbeit auf Teufel komm raus fertigzustellen. Sondern darum, danach mit mehr Zuversicht weiter zu machen, als zuvor. Dabei sollen dann auch die zahlreichen Angebote rundrum helfen. Ein Ruheraum, ein Yogakurs, die geöffnete Cafeteria oder die mobile Massage bei Christiane Zeman:

    "Ich massiere die armen stressgeplagten und verspannten Studenten, die stundenlang rum sitzen und zu wenig für ihren Körper tun."

    Die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten findet an 14 Unis gleichzeitig statt. Zu einigen gibt es im Laufe der Nacht Liveschaltungen. In einigen Fällen mag es dann wohl so sein, dass der Austausch mit Studierenden an anderen Unis etwas für die eigene Forschung bringt, aber vor geht es dabei um die zusätzliche Motivation, meint Frei:

    "Man könnte es natürlich auch alleine machen, aber es hat einfach eine viel größere Wirkung, wenn man weiß, da sitzen jetzt ganz viele Studenten in Göttingen und in Washington und was weiß ich wo. Das hilft einem anzufangen, das hilft einem, weiterzumachen."

    Und Jura Tutor Sebastian Schneider formuliert es so:

    "Wenn man sich jetzt auf der Leinwand anschauen kann, in den anderen Unis gibt es auch so was, das vielleicht auch noch mal ein Motivationsschub. Nach dem Motto, Heidelberg hält bis sechs durch, dann machen wir das auch."