Katja Lückert: Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum, Vizepräsident und Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Regent von Dubai, war im Februar dieses Jahres nach Berlin gekommen, hatte das Brandenburger Tor besucht, er wurde von der Freien Universität mit der Ehrenmedaille für die wegweisende Förderung von Wissenschaft, Bildung und Kultur in seiner Heimat und der arabischen Welt ausgezeichnet. Und er hatte sich mit verschiedenen Schriftstellern getroffen. Sie, die Schriftsteller, sagte der Scheich, seien ihm wichtiger als die Politiker. Man wolle gemeinsam an einer Vision der Wissensgesellschaft arbeiten. Nun sind Hans Magnus Enzensberger, Adolf Muschg, Daniela Dahn, Volker Braun und andere Schriftsteller nach Dubai gereist zum "Arabisch-deutschen Kulturdialog", zu dem natürlich auch einige Dichter aus der arabischen Welt eingeladen wurden. Werner Bloch in Dubai, worum geht es bei diesem Treffen? Man weiß, der Scheich dichtet selbst ganz gern.
Werner Bloch: Der dichtet gerne, das gehört auch zum guten Ton in der arabischen Welt. Während man sich bei uns nicht vorstellen kann, dass Frau Merkel oder Herr Steinmeier vielleicht erst mal mit einem selbstverfassten Vierzeiler eine Konferenz eröffnen, ist das hier durchaus üblich. Es geht schon um eine ganze Menge. Es geht darum, dass man versucht, die Missverständnisse zu klären, die sich über den Dialog gelegt haben. Und da werden dann ganz interessante Argumente vorgebracht, beispielsweise wird behauptet, dass das besondere deutsche Verhältnis zu Israel ein Grund sein könnte, dass die Beziehungen zu den arabischen Ländern belastet. Denn, so wurde hier argumentiert, man könne sozusagen das Leiden der Palästinenser in deutschen Medien nicht wirklich adäquat verfolgen. Und das würde sozusagen ein entsprechend schlechtes Licht auf die arabische Welt werfen. Man versucht hier zu schauen, wo vielleicht einfach auch kulturelle Missverständnisse gelegt sind. Wie kommt es denn zum Beispiel, wenn man sagt, der Islam ist eine Religion, die Selbstmordattentätern, sagen wir mal, Tür und Tor öffnet, dass es bis 1985 ja keine Selbstmordattentätern gegeben hat. Was ist da historisch passiert? Und da versucht man einfach mal wieder, die angerissenen Szenen des Dialogs so ein bisschen zu knüpfen.
Lückert: Das klingt ja jetzt nach einer politischen Konferenz. Gerade im letzten Jahr hatte der Scheich seine mit zehn Milliarden Dollar ausgestatte Stiftung zur Förderung von Bildung und Wissen in den arabischen Ländern gegründet. Wünscht man sich da Kooperation mit dem Westen, die hochkarätig finanziert würden?
Bloch: Ja, unbedingt. Das Modell ist ja so, dass hier die Al-Maktoum-Stiftung, die bisher über sehr große finanzielle Mittel verfügte und die direkt dem Scheich unterstellt ist, das ist überhaupt nicht zu vergleichen mit irgendeiner Stiftung in Europa. Das ist sozusagen hier Chefsache, um die sich der Emir selber kümmert. Allerdings hat man natürlich hier ein bisschen einen anderen Kulturbegriff. Ich glaube, das ist auch einer der Gründe für diese Missverständnisse. Man sieht hier schon Kultur als eher etwas Repräsentatives und Restauratives. Das heißt Dubai, das bisher ein nach außen hin den Anzug eines Neureichen getragen hat, versucht sich jetzt mit Kultur zu schmücken. Und mir sagte gerade jemand: Na ja, bisher haben wir immer nur versucht zu wachsen. Und jetzt müssen wir in die Tiefe gehen, jetzt brauchen wir auch Kultur. Jetzt versucht man, Kultur irgendwie zu importieren. Aber es gibt natürlich dafür keine Traditionen.
Lückert: Sind denn die Schriftsteller in gewisser Weise die am schwierigsten, sagen wir, zu erobernde Gruppe unter den Künstlern, weil sie auch die Tradition der europäischen Aufklärung, Religionskritik und vielleicht auch Kritik an einem patriarchalischen Herrscher im Namen der Demokratie üben könnten?
Bloch: Ja, das ist ein ganz wunder Punkt, die Frage der Aufklärung, ob die arabische Welt, in der ja eine Aufklärung im europäischen Sinne nicht stattgefunden hat, so etwas jetzt braucht. Darüber hat Hans Magnus Enzensberger gestern in seiner Eröffnungsrede gesprochen. Und er hat gesagt, die Araber müssen selber entscheiden, ob sie eine Aufklärung haben möchten oder nicht. Das ist eine ganz interessante Position, weil Enzensberger ja den Irakkrieg befürwortet hatte. Er hat dann gestern im Gespräch zugegeben, er habe sich da geirrt. Die Literatur in der arabischen Welt hat nicht die Funktion wie in Europa, sozusagen eine Kritik an den sozialen Verhältnissen vorzunehmen, sondern sie ist in ihren Traditionen lyrisch, sie ist geschult am Koran, sie ist eigentlich affirmativ, und vieles hält sich so mit dem auf, was wir als "praise poetry" bezeichnen, ein Herrscherlob im weitesten Sinne. Jetzt lädt man die Europäer ein und natürlich prallen diese unterschiedlichen Konzeptionen zusammen. Ich glaube, man hat da auch viel voneinander zu lernen. Vielleicht vor allen Dingen müssten sich die arabischen Dichter darüber klar werden, dass in Europa eine kritische Tradition der Literatur besteht. Es gibt kritische Literatur. Es gibt wunderbare, auch kritische Romane, beispielsweise von dem Autor Munif aus Saudi-Arabien. Aber die ist bisher eigentlich kaum gelesen worden, leider. Und da haben wir auch selber noch ein bisschen Hausaufgaben zu machen.
Werner Bloch: Der dichtet gerne, das gehört auch zum guten Ton in der arabischen Welt. Während man sich bei uns nicht vorstellen kann, dass Frau Merkel oder Herr Steinmeier vielleicht erst mal mit einem selbstverfassten Vierzeiler eine Konferenz eröffnen, ist das hier durchaus üblich. Es geht schon um eine ganze Menge. Es geht darum, dass man versucht, die Missverständnisse zu klären, die sich über den Dialog gelegt haben. Und da werden dann ganz interessante Argumente vorgebracht, beispielsweise wird behauptet, dass das besondere deutsche Verhältnis zu Israel ein Grund sein könnte, dass die Beziehungen zu den arabischen Ländern belastet. Denn, so wurde hier argumentiert, man könne sozusagen das Leiden der Palästinenser in deutschen Medien nicht wirklich adäquat verfolgen. Und das würde sozusagen ein entsprechend schlechtes Licht auf die arabische Welt werfen. Man versucht hier zu schauen, wo vielleicht einfach auch kulturelle Missverständnisse gelegt sind. Wie kommt es denn zum Beispiel, wenn man sagt, der Islam ist eine Religion, die Selbstmordattentätern, sagen wir mal, Tür und Tor öffnet, dass es bis 1985 ja keine Selbstmordattentätern gegeben hat. Was ist da historisch passiert? Und da versucht man einfach mal wieder, die angerissenen Szenen des Dialogs so ein bisschen zu knüpfen.
Lückert: Das klingt ja jetzt nach einer politischen Konferenz. Gerade im letzten Jahr hatte der Scheich seine mit zehn Milliarden Dollar ausgestatte Stiftung zur Förderung von Bildung und Wissen in den arabischen Ländern gegründet. Wünscht man sich da Kooperation mit dem Westen, die hochkarätig finanziert würden?
Bloch: Ja, unbedingt. Das Modell ist ja so, dass hier die Al-Maktoum-Stiftung, die bisher über sehr große finanzielle Mittel verfügte und die direkt dem Scheich unterstellt ist, das ist überhaupt nicht zu vergleichen mit irgendeiner Stiftung in Europa. Das ist sozusagen hier Chefsache, um die sich der Emir selber kümmert. Allerdings hat man natürlich hier ein bisschen einen anderen Kulturbegriff. Ich glaube, das ist auch einer der Gründe für diese Missverständnisse. Man sieht hier schon Kultur als eher etwas Repräsentatives und Restauratives. Das heißt Dubai, das bisher ein nach außen hin den Anzug eines Neureichen getragen hat, versucht sich jetzt mit Kultur zu schmücken. Und mir sagte gerade jemand: Na ja, bisher haben wir immer nur versucht zu wachsen. Und jetzt müssen wir in die Tiefe gehen, jetzt brauchen wir auch Kultur. Jetzt versucht man, Kultur irgendwie zu importieren. Aber es gibt natürlich dafür keine Traditionen.
Lückert: Sind denn die Schriftsteller in gewisser Weise die am schwierigsten, sagen wir, zu erobernde Gruppe unter den Künstlern, weil sie auch die Tradition der europäischen Aufklärung, Religionskritik und vielleicht auch Kritik an einem patriarchalischen Herrscher im Namen der Demokratie üben könnten?
Bloch: Ja, das ist ein ganz wunder Punkt, die Frage der Aufklärung, ob die arabische Welt, in der ja eine Aufklärung im europäischen Sinne nicht stattgefunden hat, so etwas jetzt braucht. Darüber hat Hans Magnus Enzensberger gestern in seiner Eröffnungsrede gesprochen. Und er hat gesagt, die Araber müssen selber entscheiden, ob sie eine Aufklärung haben möchten oder nicht. Das ist eine ganz interessante Position, weil Enzensberger ja den Irakkrieg befürwortet hatte. Er hat dann gestern im Gespräch zugegeben, er habe sich da geirrt. Die Literatur in der arabischen Welt hat nicht die Funktion wie in Europa, sozusagen eine Kritik an den sozialen Verhältnissen vorzunehmen, sondern sie ist in ihren Traditionen lyrisch, sie ist geschult am Koran, sie ist eigentlich affirmativ, und vieles hält sich so mit dem auf, was wir als "praise poetry" bezeichnen, ein Herrscherlob im weitesten Sinne. Jetzt lädt man die Europäer ein und natürlich prallen diese unterschiedlichen Konzeptionen zusammen. Ich glaube, man hat da auch viel voneinander zu lernen. Vielleicht vor allen Dingen müssten sich die arabischen Dichter darüber klar werden, dass in Europa eine kritische Tradition der Literatur besteht. Es gibt kritische Literatur. Es gibt wunderbare, auch kritische Romane, beispielsweise von dem Autor Munif aus Saudi-Arabien. Aber die ist bisher eigentlich kaum gelesen worden, leider. Und da haben wir auch selber noch ein bisschen Hausaufgaben zu machen.