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Schriftsteller des österreichischen Widerstands

Er war ein Kämpfer, veröffentlichte in Arbeiterzeitungen, schrieb fürs Kabarett und verfasste mehrere Theaterstücke, die bis heute aufgeführt werden. Von den Nazis deportiert, starb Jura Soyfer mit nur 26 Jahren im KZ Buchenwald. Am 8. Dezember 1912 wurde der Sohn eines jüdischen Industriellen in Charkow geboren.

Von Regina Kusch | 08.12.2012
    "Ob das, was wir schaffen, Kunst ist oder nicht, das ist uns gleichgültig. Wir dienen nicht der Kunst, sondern der Propaganda."

    Auch wenn Literatur für ihn als Mittel zum Zweck diente, war die Schriftstellerei Jura Soyfers Lebensinhalt. Leidenschaftlich kämpfte er mit spitzer Feder gegen den Nationalsozialismus für eine bessere Welt und schuf so ein Werk, das ihn zum bedeutendsten politischen Schriftsteller des österreichischen Widerstands machte. Der am 8. November 1912 im ukrainischen Charkow geborene Sohn einer jüdischen Industriellenfamilie, die vor der Oktoberrevolution nach Wien geflohen war, publizierte schon als Schüler Gebrauchslyrik und Reportagen für die Arbeiterpresse sowie Satiren für das politische Kabarett.

    "Es waren zwei Nazi-Kinder,
    die hatten einander so lieb,
    sie konnten zusammen nicht kommen,
    denn sie war der ostische Typ:
    Ihr Schädel nämlich war rundlich,
    Ihr Busen hingegen oval,
    Statt umgekehrt. Rassenkundlich,
    War dieses Weib ein Skandal."


    Jura Soyfers erstes Theaterstück wurde 1936 uraufgeführt und handelt vom bevorstehenden Weltuntergang.

    "Gehn mir halt a bisserl unter
    Mit tschin-tschin in Viererreihn,
    Immer lustig, fesch und munter,
    Gar so arg kann's ja net sein."


    Helli Ultmann: "Er hatte einen Charme, einen Witz, einen Geist, dem sich keiner entziehen konnte, außer er war ein Dorftrottel. Er war ein sehr attraktiver junger Mann, obwohl ich ihm immer gesagt habe: Du hässlicher Jude, das war meine Liebeserklärung."

    Helli Ultmann war Soyfers Freundin, als er 1937 wegen kommunistischer Umtriebe inhaftiert wurde. Zu dieser Zeit lief in Wien seine "Broadway Melody 1492", eine radikale Umarbeitung des Stückes "Kolumbus" von Kurt Tucholsky und Walter Hasenclever.

    O-Ton "Broadway Melodie 1492" (Hörspiel):
    "Spanien braucht also Gold."
    "Warum holen wir uns das Zeug dann nicht?"
    "Wegen der Ungläubigen, sie lassen uns nicht."
    "Also, um die Ungläubigen aus unserem Land zu vertreiben, brauchen wir Gold und das kriegen wir nicht, weil uns die Ungläubigen nicht lassen."
    "Bravo!"
    "Wahr ist, was die Kurse stützt. Falsch, was keiner Aktie nützt."

    Helli Ultmann: "Der arme Jura hat dieses Columbus-Stück nie gesehen. Und die hatten natürlich nie Tantiemen für ihn. Es war eine hoffnungslose Zeit. Und sie war umso hoffnungsloser, als wir politisch wussten, was kommt. Der Jura wusste es genau."

    Der Anschluss Österreichs an Nazideutschland brachte eine Generalamnestie für politische Gefangene. Doch kaum in Freiheit wurde Jura Soyfer bei dem Versuch, mit einem Freund auf Skiern in die Schweiz zu fliehen, erneut verhaftet.

    Helli Ultmann: "Weil in seinem Rucksack Proviant eingewickelt war in alte Gewerkschaftszeitungen. Das hat ihnen beiden das Entree nach Dachau gewährt. Und bei dieser Flucht hatte der Jura ein Theaterstück mit. Drei Akte waren vollendet. Das ist verloren gegangen."

    Helli Ultmann sah Jura Soyfer nie wieder. In Dachau schrieb er ein Theaterstück über Hitler, von dem nichts erhalten blieb. Bekannt wurde sein "Dachaulied", das er mit dem jüdischen Komponisten Herbert Zipper verfasst hat.

    "Die Schmetterlinge – Das Dachaulied":
    "Und wir haben die Losung von Dachau gelernt,
    Und wurden stahlhart dabei.
    Bleib ein Mensch, Kamerad,
    Sei ein Mann, Kamerad,
    Mach ganze Arbeit, pack an, Kamerad:
    Denn Arbeit, Arbeit macht frei."


    Von Dachau wurde Jura Soyfer nach Buchenwald verlegt, wo er sich als Leichenträger mit Typhus infizierte und mit 26 Jahren starb. Vor allem in Österreich werden seine Theaterstücke bis heute aufgeführt. Für den Wiener Schauspieler Josef Hader gewinnt Jura Soyfer zunehmend an Bedeutung:

    "Soyfer ist einer der größten Kritiker des Kapitalismus. Jemand den die Ungerechtigkeit sehr beschäftigt hat. Und ich glaube, dass dieses System immer weiter … in die Krise hinein läuft, und da ist ja kein Ende abzusehen, desto aktueller wird Jura Soyfer wieder. Das ist für unsere Zeit eine große Inspiration, sich wieder diese Texte herzuholen und zu schauen, was da drinnen steckt."