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Schrille Töne im Radio

In Ghana werden am 7. Dezember 2012 ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt. Als möglicher Favorit für Amt des Staatschefs wird John Dramani Mahama von der Regierungspartei Nationaldemokratischer Kongress (NDC) gehandelt. Auch weil die Konkurrenz im Wahlkampf öfter den Ton verfehlt.

Von Samuel Burri | 01.12.2012
    Langsam schreiten die Präsidentschaftskandidaten über den Teppich, geleitet von Flötistinnen in traditionellen Gewändern. Das Publikum in der großen Banketthalle ist angemessen gekleidet. Die Kandidaten geben sich in der anschließenden Debatte staatsmännisch. Nach drei Minuten tönt die Glocke. Dann kommt der nächste Kandidat an die Reihe.

    Eine Debatte der Präsidentschaftsanwärter, inklusive des Präsidenten, fand in Ghana dieses Jahr zum ersten Mal statt. Sie hinterließ den Eindruck eines wohl organisierten politischen Prozesses. Immerhin ist Ghana seit 20 Jahren eine Demokratie. Die beiden Parteien NDC und NPP haben sich an der Macht abgewechselt – das ist noch immer eine Ausnahmeerscheinung in Westafrika.

    Ganz anders als in der Kandidatendebatte tönt es manchmal, wenn man das Radio einschaltet – Radio hören hier alle – von der Marktfrau über den Taxifahrer bis zum Banker.

    Gelegentlich, etwa wenn zwei Politiker aufeinander losgelassen werden, laufen die Diskussionen aus dem Ruder. Da streiten sich A und B erst darüber, wer der Korruptere sei. A verflucht darauf B im Namen des Flussgottes. Umgehend bekennt sich B als guter Christ zu seinem einzigen Gott und kündigt A dessen Rache an. Oder aber ein Parlamentarier ruft zu Gewalt gegen Personen anderer Ethnien auf, weil die gegnerische Partei seine Leute einschüchtere. Er erklärt den Krieg – "I declare war", schreit er mehrmals.

    Der ausfällige Abgeordnete, übrigens der Besitzer der Radiostation, muss sich nun vor Gericht verantworten. Dieser und weitere Vorfälle haben dazu geführt, dass Beobachter inzwischen schon warnen, es könne während der Wahlen vielleicht zu gewalttätigen Zusammenstößen kommen.

    Die Grundlagen für ethnische Spannungen sind gegeben: Die beiden großen Parteien, die liberale NPP und die eher sozialdemokratische NDC unterscheiden sich zwar im politischen Programm. Doch für die Wähler ist viel wichtiger, wo die Parteien verankert sind. So ist etwa die NPP besonders stark in den Regionen der Aschanti und Fante. Die NDC hingegen bei den Ethnien der Ewe und Ga.

    Die beiden großen Parteien sind auch etwa gleich stark, sie werden das Rennen um das Präsidentenamt und die Mehrheit im Parlament unter sich ausmachen. Damit steigt zugleich die Versuchung, mit populistischen oder rassistischen Aussagen zu punkten.

    Eine Studie der "Media Foundation for West Africa" zeigt, dass es seit diesem Frühling im Durchschnitt zweimal täglich zu beleidigenden Äußerungen am Radio kommt. Suleimana Braimah ist stellvertretender Direktor der Media Foundation, er kennt das Problem.

    "Unsere Untersuchung zeigt, die Radiostationen mit den meisten Problemen sind jene, die einem Politiker gehören, also nicht bloß einem parteitreuen Geschäftsmann, sondern einem aktiven Politiker."

    Fragt man bei den Politikern nach, ist der Tenor stets derselbe: Ja, der öffentliche Diskurs ist ein Problem, räumt etwa der NPP-Politiker Kwabena Agyapong ein, aber:

    "Wenn es von den höchsten Machtpositionen kommt, sind solche Aussagen gefährlich. Doch die meisten Verunglimpfungen stammen von weniger wichtigen Parteileuten."

    Auf der Gegenseite sagt Gesundheitsminister Alban Bagbin von der NDC:

    "Viele Politiker zielen auf die Person, das ist schade. Zudem sollte man seine Aussagen mit Fakten stützen und nicht wilde Gerüchte verbreiten. Aber ich glaube auch, dass die Medien ethischer handeln sollten und ihr eigenes Verhalten überprüfen müssen."

    Sind also gar nicht die Politiker schuld, sondern die Journalisten?
    Beide hätten ihren Anteil, glaubt der Analyst Suleimana Braimah, allerdings hätten die Medien inzwischen auch eine Bringschuld:

    "Die Medien haben zur Demokratie seit 1992 beigetragen. Aber jetzt müssen sie einen weiteren Schritt Richtung Professionalisierung machen. Sie müssen den Politikern auf die Zehen treten, sodass diese nicht einfach irgendwas versprechen können."

    Braimah fordert ein Ende des sogenannten "Bürostuhljournalismus" in Ghana, der Aussagen der Politiker unkritisch transportiere. Weil da Gefahren lauerten, besonders wenn sich Verunglimpfungen gegen ganze Gruppen richteten.

    "Wenn ein Politiker einen andern beleidigt, ist das eine individuelle Angelegenheit – und nicht so schlimm. Wenn aber Gruppen von Menschen oder Ethnien beleidigt werden, dann kann solch eine Hetze schon zu massiver Gewalt führen."

    Für die Wahlen am kommenden Freitag (07.12.12) rechnet der Medienforscher, wie die meisten Analysten, zwar nicht unbedingt mit größeren Ausschreitungen. Er hält es aber für unabdingbar, dass sich die Medien ihrer Verantwortung bewusst sind und sich weiter entwickeln – das wäre dann ihr Beitrag zur Toleranz zwischen den Ethnien in Ghana.