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"Schritt für Schritt gibt es hier Veränderungen"

Der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed El Baradei, will in der kommenden Woche in den Iran reisen. El Baradei wolle mit iranischen Spitzenbeamten über das umstrittene Atomprogramm der islamischen Republik sprechen, sagte ein IAEA-Diplomat in Wien am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. El Baradei wolle dem Iran klarmachen, was die IAEA und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen von ihm erwarten. Eine Einigung werde dabei aber nicht erwartet. Der UN-Sicherheitsrat hatte Teheran Ende März aufgefordert, binnen 30 Tagen die Anreicherung von Uran auszusetzen. Wie blicken Jugendliche in Teheran auf ihr Land? Ulrich Pick berichtet:

Von Ulrich Pick |
    Wochenende in der iranischen Hauptstadt. Im Bustan-e-neshad, dem Park der Freude, haben sich junge Paare zum Picknick versammelt. Kichernd hocken sie im Gras und halten sich freudestrahlend die Hände. Es herrscht weitgehende Ausgelassenheit. Dass die Islamische Republik unter ihrem neuen Präsidenten, Mahmud Ahmadinejad, strenger geworden sei, wie viele westliche Medien berichten, ist hier nicht zu spüren, was Ali, der Germanistik-Student, auch bestätigt:

    " Schlechter ist es nicht geworden."

    Nach ein paar allgemeinen Sätzen, kommt das Gespräch auf den Karikaturenstreit, und das Lachen der jungen Iraner weicht einer spürbaren Aufmerksamkeit. Das Verhältnis zu Europa, sagen die meisten, habe sich in den letzten Monaten eigentlich kaum geändert. Lediglich ein paar organisierte Hardliner hätten vor westlichen Botschaften demonstriert. Also alles beim Alten? Doch dann meldet sich Zahra zu Wort. Die zurückhaltende schüchterne Medizinstudentin zupft an ihrem Kopftuch, doch dann bricht es förmlich aus ihr heraus:

    " Ich bin nach der Revolution geboren. Meine Eltern haben mir erzählt, dass in der Schah-Zeit sehr viel Respekt vor uns hatten. Und hier in Iran gab es sehr viele Gäste aus Europa. Jetzt aber sind wir alle hässlich und Terroristen geworden. Man wirft uns aus den westlichen Staaten hinaus. Freunde, die in Deutschland leben, haben mir berichtet, dass man mittlerweile kaum noch Respekt ihnen gegenüber hat. Wenn aber ein Deutscher nach Iran kommt, tun wir alles für ihn. Ist das richtig?"

    Und um zu zeigen, was Gastfreundschaft heißt, laden die Studenten den Journalisten aus Deutschland ein. Gemeinsam begeben wir uns in eines der zahlreichen Hochhäuser am Rande des Parks.

    Nachdem die Wohnungstür geschlossen ist, geht Fatme in die Küche, um Tee zu kochen, während Reza Musik auflegt:

    "Wie sie hören, haben wir die gleiche Musik, die auch bei Ihnen gespielt wird", sagt der Informatik-Student und macht es sich auf der Couch gemütlich. Dann bringt Fatme den Tee. Und während die noch einschenkt, erläutert sie:

    " Wir leben hier in einem islamischen Land. Da ist öffentlicher Tanz verboten. Deshalb gibt es hier keine Diskotheken. Aber es gibt gewisse Freiheiten. Und somit machen zahlreiche Männer und Frauen, das, was öffentlich verboten ist, zu Hause. Sie feiern zu Hause ihre Partys."

    Und wie ist es mit der Polizei? Wir denn nicht kontrolliert, ob jemand verbotenerweise ein Party macht. Schließlich gibt es doch islamische Sitten, die jeder einhalten sollte:

    " Wenn während einer Party, die Polizei auftaucht, dann kommt sie in der Regel nicht von alleine - zumindest hier in Teheran. Meistens kommt sie, weil sich die Nachbar beschwert haben, weil es ihnen zu laut ist. Meistens gibt man dann den Polizisten etwas Geld, und dann gehen sie wieder. Wenn das allerdings herauskommt, dann werden sie bestraft."

    Reza begibt sich abermals zur Musikanlage. Eigentlich höre ich diese europäische Musik gar nicht so gar nicht so gerne, sagt er, und legt eine neue CD ein. Diesmal ist es einheimische Popmusik:

    " Sie müssen unterscheiden: Wenn Sie in einer kleinen Stadt wie Susa eine Party machen, dann ist das etwas anderes als in einer Metropole wie Teheran. In Teheran sind die Freiheiten wesentlich größer. Wenn sich hier also keine Nachbarn bei der Polizei beschweren, dann hält sich die Polizei auch zurück. Das ist natürlich auf dem Land ganz anders. Dort hat man nämlich ein ganz anderes Bewusstsein. Wenn Sie also nach Freiheiten fragen, müssen Sie immer unterscheiden. Sie hängen also stets vom kulturellen Umfeld ab und der daraus entstandenen Haltung."

    Für Teheran - aber auch für Isfahan, Shiraz oder Täbriz - scheint jedenfalls das Feiern privater Feste mit europäischer Popmusik und natürlich auch Alkohol ganz normal zu sein. Wir wollen doch auch unsern Spaß haben und wenn es öffentlich nicht geht, machen wir es eben privat, betont Fatme. Und um die Normalität all dessen zu unterstreichen, ergänzt sie.

    " Mittlerweile kannst Du im Internet sogar die Fotos von gewissen Partys anschauen. Denn manche Leute stellen ihre Party-Fotos auf gewisses Homepages."

    Für Reza sind die privaten Partys nur ein Beispiel von vielen. Ihr Land gelte zwar nach außen als sehr streng, nach innen hin aber gebe es viele Freiräume. Und die könne auch der neue Präsident Ahmadinejad nicht mehr zurücknehmen. Allerdings sei das für Ausländer, der eher oberflächlich auf Iran schaue, nicht zu erkennen. Zudem würden Besucher aus dem Westen gerne an Klischees kleben:

    " Unsere Gesellschaft ändert sich. Das wird oft übersehen. Früher durften wir Männer beispielsweise keine kurzärmeligen Hemden tragen. Heute ist das selbstverständlich. Schritt für Schritt gibt es hier Veränderungen. Und indem wir auf diesem Weg kleine Freiräume schaffen, ändert sich auch die Politik."

    Und so hat Islamische Republik wesentlich mehr Gesichter als ihr streng-islamische Präsident mit seinen kräftigen Parolen suggeriert. Nur in einem Punkt steht Iran geschlossen hinter Mahmud Ahmadinejad. Beim Ringen um das eigene Atomprogramm. Das nämlich wird von fast allen Bürgern befürwortet

    " Ich freue mich, weil wir es geschafft haben, wie die anderen Länder etwas Großes zu schaffen und wir jetzt auch etwas zu melden haben.

    Ich bin stolz, weil ich sehe, dass mein Land Iran es geschafft hat, wie andere Staaten auch, einmal die Weltklasse zu erreichen."