Hoyer: Guten Morgen!
Koczian: Bevor wir zu unserem eigentlichen Thema kommen etwas anderes vielleicht. Bereits zehn Minuten nach Ende dieser Sendung soll das Urteil gegen Abdullah Öcalan fallen. Man geht gemeinhin von einem Todesurteil aus. Was kann, was soll Europa tun?
Hoyer: Wenn es tatsächlich so kommen sollte, sollte Europa gegenüber den türkischen Freunden sehr deutlich machen, daß die Todesstrafe für uns nicht akzeptabel ist. Das ist eine Bestrafung mittelalterlichen Charakters, die nicht in diese Zeit paßt. Darüberhinaus sollten wir darauf drängen, daß dieses Todesurteil, wenn es denn ausgesprochen werden sollte, nicht exekutiert wird. Es gibt ja noch verschiedene Stationen bis zu einem gegebenenfalls zu vollstreckenden Todesurteil, die zu durchlaufen sind. Verschiedene Handlungsträger können die Umsetzung noch verhindern. Es wird im Interesse der Türkei und im Interesse des Verhältnisses der Türkei zu Europa wünschenswert sein, daß dieses Todesurteil nicht vollstreckt wird. Auf der anderen Seite muß man daran erinnern, nachdem sich ja auch die Bundesregierung in dieser Frage nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat im letzten Jahr, daß der Herr Öcalan mehr und mehr durch das drohende Todesurteil in eine Opferrolle gerät. Das halte ich nun auch nicht für angemessen. Herr Öcalan ist ein Terrorist und Verbrecher, dem auch wenn er in Deutschland vor Gericht gestellt worden wäre hier die Höchststrafe gedroht hätte. Aber das ist eben nicht die Todesstrafe, sondern das wäre hier allenfalls lebenslänglich gewesen.
Koczian: Die deutsche Seite hat ja darauf verzichtet, hier ein rechtstaatliches Verfahren gegen ihn durchzuführen?
Hoyer: Das halte ich nach wie vor für einen schwerwiegenden Fehler. Ich habe es von vornherein gesagt. Ich denke, daß damals der Rechtsstaat eingeknickt ist, und das muß der Bundeskanzler sich anrechnen lassen.
Koczian: Die Türkei, so Staatschef Demirel, hält sich an die Vereinbarung des Europarates. Faktisch schließt das ja eine Hinrichtung aus. Ist dies nicht ein starkes Argument, die Türkei noch näher an Europa, nämlich in die EU einzubeziehen?
Hoyer: Ich halte es für wichtig, daß die Perspektive EU für die Türkei erhalten bleibt und wiederbelebt wird. Das kann die Türkei sich aber selber leichter oder schwieriger machen. Wichtig ist nur, daß klar ist, daß die Zukunft der Türkei mit Europa gesehen werden muß und nicht gegen oder außerhalb Europas.
Koczian: Nun zum Thema deutsche EU-Präsidentschaft. Außenpolitisch muß Kontinuität über Legislaturperioden hinaus gewahrt werden. Auf dem Bremer FDP-Parteitag haben Sie mit dem Kosovo-Papier dafür gesorgt, daß der Bundesregierung keine innenpolitische Front nach PDS-Manier entstand. Kam Sie das in der Oppositionsrolle doch nicht bitter an?
Hoyer: Nun es gibt bestimmte außenpolitische Notwendigkeiten, denen man sich stellen muß, auch als Opposition, und ich finde es richtig, daß man dann nicht der Versuchung erliegt, mit kleiner Münze zu zahlen. Das ist bei uns dann auch nicht eingetreten, und ich bin froh darüber. Wir haben auf diese Weise den Rücken frei, der Bundesregierung auch die Vorwürfe zu machen oder die Fehler vorzuhalten, die wir meinen, der Bundesregierung vorhalten zu sollen. An der Gesamtlinie ändert das aber nichts.
Koczian: Nun haben die Fragen von Krieg und Frieden natürlich Priorität. Kann man da fairerweise von einer Präsidentschaft erwarten, daß sie "business as usual" betreibt?
Hoyer: Nein. Es ist völlig klar, daß der Kosovo-Krieg diese Präsidentschaft völlig überlagert hat, ja auch bis hinein in die Innenpolitik, weil mancher Fehler, manches Desaster der Innenpolitik dieser Bundesregierung überdeckt worden ist durch die Herausforderung des ersten Krieges, an dem sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv hat beteiligen müssen. So verständlich das ist, so problematisch ist das im Hinblick auf die Würdigung sowohl der Innenpolitik als auch einer Präsidentschaft, von der ja zu erhoffen war, daß insbesondere die Tore nach Ost- und nach Mitteleuropa aufgestoßen würden. Das ist nicht in dem Maße und mit der Entschlossenheit geschehen, wie man sich das eigentlich gewünscht hätte, obwohl durch den Kosovo-Krieg wie durch ein Brennglas deutlich geworden ist, wie drängend die Fragen der Öffnung nach Mittel- und Osteuropa geworden sind, denn die nächste Herausforderung, nämlich auf dem Balkan, steht ja bereits auf der Tagesordnung.
Koczian: Sie haben Kritik an dem Handwerklichen geübt. Nun hat der Kanzler zumindest Durchsetzungskraft bewiesen. Heute nacht wurde Bodo Hombach ernannt für den Posten, für den der Kanzler ihn vorgeschlagen hat. Was gibt es daran zu kritisieren?
Hoyer: Ich konzertiere, daß der Kanzler sich durchgesetzt hat, aber genau diese Hemdsärmeligkeit, mit der hier Personalpolitik nach Gutsherrenart gemacht worden ist innerhalb der Europäischen Union, das hat viele Irritationen ausgelöst. Ich denke, man sollte solche Entscheidungen gemeinsam mit den EU-Partnern besser vorbereiten.
Koczian: Nun gibt es ja auch noch das Phänomen des Umweltgipfels, wo der Umweltminister die Position des Kanzlers vertreten hat, aber in einer Situation, in einer Rolle, da das Land die Präsidentschaft hat, durfte das wohl nicht unbedingt ohne Kritik bei den Partnern abgehen?
Hoyer: Nein, mit Sicherheit nicht. Die deutsche Umweltpolitik macht sich natürlich ein wenig lächerlich, wenn sie diesen Spagat zwischen Trittin und Schröder aushalten muß. Auf der internationalen Ebene gibt es, was dieses Thema angeht, nur Kopfschütteln.
Koczian: Zur Besetzung der Kommission: Tut der Bundeskanzler recht, so nachdrücklich auf seinem Kandidaten zu bestehen?
Hoyer: Ich bin über diese Details hier nicht informiert und ich denke, es wäre auch nicht fair, wenn ich insbesondere auf die Person meines Amtsnachfolgers hier eingehen würde. Ich halte es grundsätzlich nicht für richtig, daß der Bundeskanzler die Opposition aus der Frage der Zusammensetzung der Kommission völlig ausblendet. Solange es so ist, daß Deutschland wie die anderen großen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zwei Kommissare stellen kann, hielte ich es für wichtig, wie das in den anderen Ländern auch der Fall ist, daß Regierung und Oppositionsseite beteiligt sind, auch um des Themas der Kontinuität willen. Vor allen Dingen allerdings ist es entscheidend, daß Deutschland wie die anderen dem Qualitätsanspruch gerecht werden, den sie selber gestellt haben und den insbesondere der neue Kommissionspräsident stellt und den nach meiner Auffassung auch das neu gewählte europäische Parlament lautstark zur Geltung bringen sollte.
Koczian: Sie wollen nichts zu ihrem Amtsnachfolger sagen. Lassen Sie mich trotzdem die Frage stellen: Romano Prodi, der designierte Kommissionspräsident, soll über Günter Verheugen geäußert haben, er brauche keinen ausgewiesenen Außenpolitiker, sondern einen Generalisten. Halten Sie es für möglich, daß Prodi entgangen ist, daß Verheugen ein keineswegs erfolgloser Generalsekretär einer demokratischen deutschen Partei war?
Hoyer: Ich denke, das ist ein Argument, das ernst zu nehmen ist, aber darüber hinaus, denke ich, wäre es nicht richtig, daß ich mich hier einmische. Es hat mich etwas gewundert, daß auf der einen Seite Herr Prodi nach dem Generalisten ruft, wo doch auf der anderen Seite vorher die fachspezifischen Qualifikationsmerkmale deutlicher als je zuvor herausgestellt worden waren. Das ist nicht ganz konsistent. Auf der anderen Seite ist das Gerede von der Blutspur durch Europa sicherlich für die Kandidatur von Herrn Verheugen in der europäischen Kommission auch nicht hilfreich gewesen.
Koczian: Gehen wir noch einmal auf den Streit um die Altauto-Richtlinie ein. Es ist ja nicht so, daß die FDP vor den Nöten der Industrie grundsätzlich die Ohren zuklappt. Ist die Haltung sachlich berechtigt gewesen, oder war nur das Verfahren falsch?
Hoyer: Ich finde, das Verfahren ist merkwürdig. Hier geht es darum, eine konsistente, in sich geschlossene, überzeugende Umweltpolitik zu bieten. Da ist die Frage der Altauto-Verordnung zu werten unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit im europäischen Wettbewerb. Das ist offenbar vorher innerhalb der Bundesregierung nicht sorgfältig genug abgewogen worden. Deswegen haben wir in dieser Frage auf der internationalen Ebene so ein merkwürdiges Bild abgegeben.
Koczian: Bei den Europawahlen legten die Liberalen insgesamt europaweit zu. In Belgien wurden sie die stärkste Fraktion. Nur in Deutschland war von dem Trend nichts zu merken. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Hoyer: Das ist schwer zu beantworten. Wenn man von drei Millionen Wählern, die uns bei der Bundestagswahl am 27. September gewählt hat, 2,2 Millionen bei der Europawahl nicht davon überzeugen kann, die FDP zu wählen, weil 1,1 Millionen in die Nichtwahl gehen und 1,1 Millionen direkt zur CDU marschieren, dann muß man den Fehler selber gemacht haben. Das analysieren wir auch selbstkritisch so, und ich denke, wir werden Konsequenzen daraus ziehen müssen für weitere Wahlen, für die, die in diesem Jahr noch anstehen, aber natürlich auch im Hinblick auf die nächste Europawahl. Wenn ein Europawahlkampf rein innenpolitisch, mit innenpolitischen Themen geführt wird, dann muß man sich darüber im klaren sein, daß die Opposition, die größere Oppositionspartei im Zweifel die härtere Alternative bieten kann und attraktiver ist. Folglich muß man sich fragen, ob man die Themen der Außen- und Europapolitik aus einem solchen Europawahlkampf so stark ausblenden sollte, wie wir es gemacht haben.
Koczian: In den "Informationen am Morgen" war das der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer. Danke schön!
Koczian: Bevor wir zu unserem eigentlichen Thema kommen etwas anderes vielleicht. Bereits zehn Minuten nach Ende dieser Sendung soll das Urteil gegen Abdullah Öcalan fallen. Man geht gemeinhin von einem Todesurteil aus. Was kann, was soll Europa tun?
Hoyer: Wenn es tatsächlich so kommen sollte, sollte Europa gegenüber den türkischen Freunden sehr deutlich machen, daß die Todesstrafe für uns nicht akzeptabel ist. Das ist eine Bestrafung mittelalterlichen Charakters, die nicht in diese Zeit paßt. Darüberhinaus sollten wir darauf drängen, daß dieses Todesurteil, wenn es denn ausgesprochen werden sollte, nicht exekutiert wird. Es gibt ja noch verschiedene Stationen bis zu einem gegebenenfalls zu vollstreckenden Todesurteil, die zu durchlaufen sind. Verschiedene Handlungsträger können die Umsetzung noch verhindern. Es wird im Interesse der Türkei und im Interesse des Verhältnisses der Türkei zu Europa wünschenswert sein, daß dieses Todesurteil nicht vollstreckt wird. Auf der anderen Seite muß man daran erinnern, nachdem sich ja auch die Bundesregierung in dieser Frage nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat im letzten Jahr, daß der Herr Öcalan mehr und mehr durch das drohende Todesurteil in eine Opferrolle gerät. Das halte ich nun auch nicht für angemessen. Herr Öcalan ist ein Terrorist und Verbrecher, dem auch wenn er in Deutschland vor Gericht gestellt worden wäre hier die Höchststrafe gedroht hätte. Aber das ist eben nicht die Todesstrafe, sondern das wäre hier allenfalls lebenslänglich gewesen.
Koczian: Die deutsche Seite hat ja darauf verzichtet, hier ein rechtstaatliches Verfahren gegen ihn durchzuführen?
Hoyer: Das halte ich nach wie vor für einen schwerwiegenden Fehler. Ich habe es von vornherein gesagt. Ich denke, daß damals der Rechtsstaat eingeknickt ist, und das muß der Bundeskanzler sich anrechnen lassen.
Koczian: Die Türkei, so Staatschef Demirel, hält sich an die Vereinbarung des Europarates. Faktisch schließt das ja eine Hinrichtung aus. Ist dies nicht ein starkes Argument, die Türkei noch näher an Europa, nämlich in die EU einzubeziehen?
Hoyer: Ich halte es für wichtig, daß die Perspektive EU für die Türkei erhalten bleibt und wiederbelebt wird. Das kann die Türkei sich aber selber leichter oder schwieriger machen. Wichtig ist nur, daß klar ist, daß die Zukunft der Türkei mit Europa gesehen werden muß und nicht gegen oder außerhalb Europas.
Koczian: Nun zum Thema deutsche EU-Präsidentschaft. Außenpolitisch muß Kontinuität über Legislaturperioden hinaus gewahrt werden. Auf dem Bremer FDP-Parteitag haben Sie mit dem Kosovo-Papier dafür gesorgt, daß der Bundesregierung keine innenpolitische Front nach PDS-Manier entstand. Kam Sie das in der Oppositionsrolle doch nicht bitter an?
Hoyer: Nun es gibt bestimmte außenpolitische Notwendigkeiten, denen man sich stellen muß, auch als Opposition, und ich finde es richtig, daß man dann nicht der Versuchung erliegt, mit kleiner Münze zu zahlen. Das ist bei uns dann auch nicht eingetreten, und ich bin froh darüber. Wir haben auf diese Weise den Rücken frei, der Bundesregierung auch die Vorwürfe zu machen oder die Fehler vorzuhalten, die wir meinen, der Bundesregierung vorhalten zu sollen. An der Gesamtlinie ändert das aber nichts.
Koczian: Nun haben die Fragen von Krieg und Frieden natürlich Priorität. Kann man da fairerweise von einer Präsidentschaft erwarten, daß sie "business as usual" betreibt?
Hoyer: Nein. Es ist völlig klar, daß der Kosovo-Krieg diese Präsidentschaft völlig überlagert hat, ja auch bis hinein in die Innenpolitik, weil mancher Fehler, manches Desaster der Innenpolitik dieser Bundesregierung überdeckt worden ist durch die Herausforderung des ersten Krieges, an dem sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv hat beteiligen müssen. So verständlich das ist, so problematisch ist das im Hinblick auf die Würdigung sowohl der Innenpolitik als auch einer Präsidentschaft, von der ja zu erhoffen war, daß insbesondere die Tore nach Ost- und nach Mitteleuropa aufgestoßen würden. Das ist nicht in dem Maße und mit der Entschlossenheit geschehen, wie man sich das eigentlich gewünscht hätte, obwohl durch den Kosovo-Krieg wie durch ein Brennglas deutlich geworden ist, wie drängend die Fragen der Öffnung nach Mittel- und Osteuropa geworden sind, denn die nächste Herausforderung, nämlich auf dem Balkan, steht ja bereits auf der Tagesordnung.
Koczian: Sie haben Kritik an dem Handwerklichen geübt. Nun hat der Kanzler zumindest Durchsetzungskraft bewiesen. Heute nacht wurde Bodo Hombach ernannt für den Posten, für den der Kanzler ihn vorgeschlagen hat. Was gibt es daran zu kritisieren?
Hoyer: Ich konzertiere, daß der Kanzler sich durchgesetzt hat, aber genau diese Hemdsärmeligkeit, mit der hier Personalpolitik nach Gutsherrenart gemacht worden ist innerhalb der Europäischen Union, das hat viele Irritationen ausgelöst. Ich denke, man sollte solche Entscheidungen gemeinsam mit den EU-Partnern besser vorbereiten.
Koczian: Nun gibt es ja auch noch das Phänomen des Umweltgipfels, wo der Umweltminister die Position des Kanzlers vertreten hat, aber in einer Situation, in einer Rolle, da das Land die Präsidentschaft hat, durfte das wohl nicht unbedingt ohne Kritik bei den Partnern abgehen?
Hoyer: Nein, mit Sicherheit nicht. Die deutsche Umweltpolitik macht sich natürlich ein wenig lächerlich, wenn sie diesen Spagat zwischen Trittin und Schröder aushalten muß. Auf der internationalen Ebene gibt es, was dieses Thema angeht, nur Kopfschütteln.
Koczian: Zur Besetzung der Kommission: Tut der Bundeskanzler recht, so nachdrücklich auf seinem Kandidaten zu bestehen?
Hoyer: Ich bin über diese Details hier nicht informiert und ich denke, es wäre auch nicht fair, wenn ich insbesondere auf die Person meines Amtsnachfolgers hier eingehen würde. Ich halte es grundsätzlich nicht für richtig, daß der Bundeskanzler die Opposition aus der Frage der Zusammensetzung der Kommission völlig ausblendet. Solange es so ist, daß Deutschland wie die anderen großen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zwei Kommissare stellen kann, hielte ich es für wichtig, wie das in den anderen Ländern auch der Fall ist, daß Regierung und Oppositionsseite beteiligt sind, auch um des Themas der Kontinuität willen. Vor allen Dingen allerdings ist es entscheidend, daß Deutschland wie die anderen dem Qualitätsanspruch gerecht werden, den sie selber gestellt haben und den insbesondere der neue Kommissionspräsident stellt und den nach meiner Auffassung auch das neu gewählte europäische Parlament lautstark zur Geltung bringen sollte.
Koczian: Sie wollen nichts zu ihrem Amtsnachfolger sagen. Lassen Sie mich trotzdem die Frage stellen: Romano Prodi, der designierte Kommissionspräsident, soll über Günter Verheugen geäußert haben, er brauche keinen ausgewiesenen Außenpolitiker, sondern einen Generalisten. Halten Sie es für möglich, daß Prodi entgangen ist, daß Verheugen ein keineswegs erfolgloser Generalsekretär einer demokratischen deutschen Partei war?
Hoyer: Ich denke, das ist ein Argument, das ernst zu nehmen ist, aber darüber hinaus, denke ich, wäre es nicht richtig, daß ich mich hier einmische. Es hat mich etwas gewundert, daß auf der einen Seite Herr Prodi nach dem Generalisten ruft, wo doch auf der anderen Seite vorher die fachspezifischen Qualifikationsmerkmale deutlicher als je zuvor herausgestellt worden waren. Das ist nicht ganz konsistent. Auf der anderen Seite ist das Gerede von der Blutspur durch Europa sicherlich für die Kandidatur von Herrn Verheugen in der europäischen Kommission auch nicht hilfreich gewesen.
Koczian: Gehen wir noch einmal auf den Streit um die Altauto-Richtlinie ein. Es ist ja nicht so, daß die FDP vor den Nöten der Industrie grundsätzlich die Ohren zuklappt. Ist die Haltung sachlich berechtigt gewesen, oder war nur das Verfahren falsch?
Hoyer: Ich finde, das Verfahren ist merkwürdig. Hier geht es darum, eine konsistente, in sich geschlossene, überzeugende Umweltpolitik zu bieten. Da ist die Frage der Altauto-Verordnung zu werten unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit im europäischen Wettbewerb. Das ist offenbar vorher innerhalb der Bundesregierung nicht sorgfältig genug abgewogen worden. Deswegen haben wir in dieser Frage auf der internationalen Ebene so ein merkwürdiges Bild abgegeben.
Koczian: Bei den Europawahlen legten die Liberalen insgesamt europaweit zu. In Belgien wurden sie die stärkste Fraktion. Nur in Deutschland war von dem Trend nichts zu merken. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Hoyer: Das ist schwer zu beantworten. Wenn man von drei Millionen Wählern, die uns bei der Bundestagswahl am 27. September gewählt hat, 2,2 Millionen bei der Europawahl nicht davon überzeugen kann, die FDP zu wählen, weil 1,1 Millionen in die Nichtwahl gehen und 1,1 Millionen direkt zur CDU marschieren, dann muß man den Fehler selber gemacht haben. Das analysieren wir auch selbstkritisch so, und ich denke, wir werden Konsequenzen daraus ziehen müssen für weitere Wahlen, für die, die in diesem Jahr noch anstehen, aber natürlich auch im Hinblick auf die nächste Europawahl. Wenn ein Europawahlkampf rein innenpolitisch, mit innenpolitischen Themen geführt wird, dann muß man sich darüber im klaren sein, daß die Opposition, die größere Oppositionspartei im Zweifel die härtere Alternative bieten kann und attraktiver ist. Folglich muß man sich fragen, ob man die Themen der Außen- und Europapolitik aus einem solchen Europawahlkampf so stark ausblenden sollte, wie wir es gemacht haben.
Koczian: In den "Informationen am Morgen" war das der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer. Danke schön!
