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Schrott auf vier Rädern

Viele Autos, die im Westen Europas nach acht oder zehn Jahren ausgemustert werden, haben ein zweites Leben im Osten. Zum Beispiel in Rumänien, wo besonders viele alte Wagen herumfahren: Autos ohne Katalysator und Dieselfilter. Das stinkt nicht nur den Rumänen, sondern auch der Europäischen Union. Sie will, dass diese Autos bis 2011 von den Straßen verschwunden sind.

Von Thomas Wagner |
    Mittagsstunde in der Innenstadt von Temeswar: Durch die überlasteten Straßen stauen sich Hunderte von Autos, Stoßstange an Stoßstange:

    "Die ganzen Straßen hier sind voll. Und die Luft ist so verschmutzt, man kann kaum atmen. Das betrifft das Zentrum, aber auch die Ausfallstraßen."
    Die Luft ist so schlecht geworden in den letzten Jahren. Mir fällt es schwer, hier richtig durchzuschnaufen.""

    Nicht nur, dass der Verkehr in den großen Städten Rumäniens in den vergangenen Jahren exorbitant zugenommen hat - viele der Autos, die hier unterwegs sind, haben keinen Katalysator und, wenn sie mit Diesel fahren, schon gar keinen Rußpartikelfilter. Der Temeswarer Universitätsdozent Christian Staniloiu gilt als typischer rumänischer Altauto-Besitzer:

    "Ich fahre einen Dacia 1310, Baujahr 88. Non-Euro, Saugmotor mit Vergaser. Also kein Katalysator. Auf einen Saugmotor ist so ein Katalysator eigentlich auch schwer einzustellen."

    Christian Saniloiu denkt nicht daran, sich ein neues Auto zu kaufen:

    "Da gibt es mehrere Motive: Erstens sind es die schlechten Straßen und zweitens der aggressive Verkehr, ich kann schon sagen: Der wilde Verkehr, der bei uns herrscht. Und drittens wäre auch die Preisfrage."

    So wie der Uni-Assistent aus Temesvar denken viele Rumänen - und das belegt auch ein Blick in die Statistik: Im ganzen Land sind rund 4,5 Millionen Autos zugelassen. 2,9 Millionen davon erfüllen keine der Euro-Schadstoffnormen. Und dabei handelt es sich keineswegs nur um die alten Modelle des rumänischen Herstellers Dacia, sondern auch um Gebrauchtwagen aus Westeuropa.

    Viele dieser Fahrzeuge kamen Anfang der 90er Jahre ins Land, kurz nach der rumänischen Revolution. Bald darauf versuchte der rumänische Staat, dem ungebremsten Import alter Gebrauchtwagen einen Riegel vorzuschieben: Erst durften die Fahrzeuge nicht älter als acht Jahre sein. Dann mussten die Autos bei der Erstzulassung zunächst die Euro 2, später dann die Euro-3-Schadstoffnorm erfüllen. Doch ausgerechnet durch den EU-Beitritt Rumäniens Anfang 2007 wurde diese Regel hinfällig. Dan Tulvan vom "Register Auto Timis", erklärt das Verfahren nach dem EU-Beitritt:

    "Ein Auto, das beispielsweise aus Deutschland eingeführt wird und das in Deutschland bereits zugelassen war, müssen wir aufgrund der EU-Vereinbarungen auch zwingend in Rumänien zulassen. Wir können kein Auto zurückweisen, das bereits in einem anderen EU-Land zugelassen war."

    Nun gibt es aber auch in Deutschland zahlreiche Autos ohne Kat und Rußfilter. Sie werden zwar höher besteuert, bekommen aber noch eine Zulassung. Und damit ließen sie sich auch automatisch nach Rumänien einführen. Um eine solche "Gebrauchtwagenschwemme" aus dem Rest der EU zu verhindern, führte die Regierung in Bukarest nach dem EU-Beitritt eine so genannte "Car Tax" ein, eine Erstzulassungsgebühr in Höhe von mehreren Tausend Euro, je nach Schadstoffklasse. Und wiederum war es ausgerechnet die EU, die diese Regelung kassierte. Begründung: Dies sei nichts anderes als ein verkappter Einfuhrzoll. Nun fürchten Fachleute wie der Temeswarer Autohändler Robert Krafft wiederum den massenhaften Import alter Autos:

    "Also wir vermuten, dass Rumänien überflutet wird mit irgendwelchen Gebrauchtwagen, die nicht mehr der aktuellen Schadstoffnorm entsprechen. Also in einem Land wie Rumänien würde mit Sicherheit die Schadstoffmenge gewaltig nach oben gehen, weil alles, was im Ausland als nicht brauchbar abgestellt wird, wird dann hier als gut benutzt werden."

    Bleibt das Programm "Adio Rabla" - zu deutsch: "Adieu Schrottkarre", das die rumänische Regierung aufgelegt hat: Demnach bekommt derjenige rund 1000 Euro staatlichen Zuschuss, der seinen alten Gebrauchtwagen verschrottet und stattdessen ein neues Auto kauft. Doch auch dieses Programm kann nur begrenzt zum Abbau des Altwagenbestandes beitragen: 1000 Euro Zuschuss sind bei Neuwagenpreisen ab 7000 Euro für viele Geringverdiener ein Grund mehr, mit ihrem alten Wagen weiter zu fahren.