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"Schrottovne" als Wahlkampfhit

Das tschechische Parlament in Prag will die Altauto-Abwrackprämie spätestens Ende des Monats beschließen. Dabei hatte sich die Regierungskoalition aus guten Gründen lange dagegen gewehrt. Etwa 95 Prozent der in Tschechien hergestellten Autos werden im Ausland verkauft. Die Prämie könnte jetzt zum Wahlkampfschlager werden.

Von Gerwald Herter |
    Gut 120.000 Kilometer stehen schon auf dem Tacho. Der 15 Jahre alte Citroen hat seine besten Tage zweifellos hinter sich. Trotzdem denkt der stolze Besitzer, ein rüstiger Prager Rentner, überhaupt nicht daran, sich von seinem Auto zu trennen. Schon gar nicht wegen der "Schrottovne" - das ist die tschechische Bezeichnung für die Abwrackprämie.

    "Ich habe ein Auto, ein altes Auto, das ist schon 15 Jahre alt. Dieses Schrottgeld ist nichts für mich, weil ich schon alt bin und kein neues Auto mehr brauche. Würde ich die Prämie kassieren, bekäme ich 10.000 Kronen. Aber ich müsste ja für ein neues Auto mindestens noch 150.000 Kronen aus eigener Tasche hinzuzahlen."

    10.000 Kronen - das sind etwa 1130 Euro. Die billigsten Neuwagen kosten in der Tschechischen Republik knapp 6 Mal soviel. Wer keine Ersparnisse hat, kann von einem Neuwagen deshalb nur träumen - ob mit oder ohne Prämie. Jakub Kaspar vom Umweltministerium hält deshalb von der "Schrottovne" überhaupt nichts:

    "Gerade Leute, die ein sehr altes Auto besitzen, haben nicht genug Geld, um ein neues zu kaufen - selbst wenn sie 30.000 Kronen Zuschuss bekommen."

    Für die Wirtschaft der Tschechischen Republik ist die Autoproduktion allerdings ganz besonders wichtig - sie gilt als Rückrat der Industrie. Skoda, Hyundai und Co haben ihre Fertigungskapazitäten aber schon längst wieder hochgefahren. Sie profitieren davon, dass Deutschland und andere EU-Staaten die Abwrackprämie rasch eingeführt hatten. Kasper glaubt, dass die tschechische "Schrottovne" jetzt nur noch zu spät kommen kann.
    Dennoch hat der grüne Umweltminister Martin Bursik schon Pläne ausarbeiten lassen, um die geplante Abwrackprämie umweltfreundlich zu staffeln. Wer einen Neuwagen kauft, der zuviel CO2 ausstößt, soll leer ausgehen. Die Grünen wollen entsprechende Änderungsanträge im Parlament einbringen. Eigentlich können sie Gesetzentwürfe mit gestalten, bevor sie ins Parlament kommen, denn in der Koalition sind die Grünen einer der Juniorpartner.
    Weil das Parlament Regierungschef Mirek Topolanek das Vertrauen entzogen hat, beschritt er neue Wege und ging auf die Opposition zu. Um ein zweites Konjunkturpaket durch das Parlament zu bringen, paktiert er mit den Sozialdemokraten. Trotz der Regierungskrise ist Topolanek so eine Mehrheit im Parlament sicher. In den Verhandlungen brachte der scheidende Regierungschef einige seiner Forderungen durch, die Sozialdemokraten bestanden im Gegenzug auf der Abwrackprämie. Aus Sicht des Abgeordneten Zdenek Skromach wird die Rechnung aufgehen:

    "Wir glauben, dass die Auto-Nachfrage im Herbst zunimmt, wenn dieser Boom in Deutschland und anderswo zu Ende geht. Das könnte die Nachfrage decken, wenn sie in den umliegenden Ländern einbricht."

    Kein Wunder, dass hier schon Forderungen nach Zahlungen von ähnlichen Prämien für andere Konsumgüter auftauchen. Ein großer Stromversorger will eine "Schrottovne" für alte Elektrogeräte auszahlen. Der Verband der Möbelhersteller fordert ebenfalls eine Prämie - zum Beispiel für die Entsorgung alter Schrankwände oder Sofas. Vielen Tschechen wäre das natürlich recht:

    "Man muss das Schrottgeld allen Industriezweigen geben!"

    So der Prager Rentner, der seinen alten Citroen auf jeden Fall behalten will. Abwrackprämie - meinetwegen, sagt er, aber man sollte sie nicht nur für Altautos zahlen, sondern für alles mögliche.