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Schrottskulpturen und Maschinenmonster

Einen Kontrast zur glatten Konsumwelt wollte er schaffen und bediente sich ihrer Altlasten: Schrott, Eisen, Gerätschaften, die keiner mehr braucht. Der schweizer Bildhauer Bernhard Luginbühl erweckte sie zu neuem Leben. Werner Hofmann erwarb für die Kunsthalle Hamburg zwei seiner Werke.

Werner Hofmann im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig |
    Rainer Berthold Schossig: Der Schweizer Bildhauer Bernhard Luginbühl ist am vergangenen Samstag im Alter von 82 Jahren gestorben. Das teilte seine Familie gestern Abend mit. Der geborene Berner zählte zu den bedeutendsten schweizer Künstlern der zweiten Hälfte des 20.
    Jahrhunderts. Seit 1947 entstanden mehr als 1500 Skulpturen, viele davon für den öffentlichen Raum. Besondere Aufmerksamkeit erregten auch Luginbühls spektakuläre Verbrennungsaktionen.

    Frage an den Kunsthistoriker und ehemaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, Werner Hofmann: In Luginbühls Werk tummeln sich ja ironische Fabelwesen und urweltliche Monster, aber es gibt auch einen ganz anderen, einen mechanischen Kosmos, Luginbühls sprichwörtlich gewordene Kultur-Carréeten. Wie passt denn das zusammen?

    Werner Hofmann: Das passt einfach zusammen, dass er zu den Künstlern – es gibt ja nicht wenige – gehörte, die wussten, wie man mit Restbeständen, mit kaputtem, verbrauchtem Material, in seinem Fall eben Eisen, umgeht, wie man daraus neue Gebilde zimmert. Er hat ja auch für uns aus Hamburger Hafenschrott eine kleinere Arbeit gemacht, und die finde ich fast sogar noch besser, weil man da sieht, wie das Apparathafte in den Elementen, Ketten, Winkeln, Schrauben und so weiter, wohl noch vorhanden ist, aber der Apparat nicht funktioniert. Der Apparat ist erstarrt, er ist ein bisschen zu seinem eigenen Fetisch geworden.

    Schossig: Die Liebe zum Schrott, Herr Hofmann, zum industriellen Abfall teilte er mit Künstlern etwa wie Jean Tinguely oder Daniel Spoerri, war befreundet mit dem Sonderling Dieter Roth und fand Anerkennung weit über die schweizer Landesgrenzen hinaus. Sie haben es erwähnt, in Hamburg unter anderem auch. Wie international war Luginbühl?

    Hofmann: Er war es nicht in seinen Ambitionen. Ich glaube, er war ein Mann, in der Hinsicht, von einer großen Bescheidenheit. Aber er wusste genau, dass er Marken hinterlässt mit seinem Werk in unserer industrialisierten und geglätteten Welt der Produktion und des Konsums, die so sperrig sind und so aggressiv zugleich auch, dass er keine Mühe hatte, sich zu sagen, so was macht außer mir keiner.

    Schossig: Populär wurde Luginbühl auch mit seinen sogenannten Verbrennungsaktionen. 1976 fackelt er in Bern ein erstes, ja ein riesiges, fantastisches Holzgebilde ab. Da war Musik und Feuerwerk dabei, ein frühes Happening eigentlich. Aber den Fluxus-Künstlern ist er ja eigentlich nicht zuzurechnen, oder?

    Hofmann: Nein, das ist er nicht. Aber trotzdem: Das mit Tinguely, das ist alles, könnte man sagen, so ein bisschen leger, es war eine Blase. Robert Müller gehörte da auch irgendwie dazu. Das waren Künstler, über deren Umgang mit dem Material sich heute kaum mehr jemand eine Vorstellung macht, wo alles so ins Leichte und ins Glatte geht. Also das waren wirklich Werkstattkünstler, Handwerker in der höchsten Vollendung, und als solche, zum Beispiel auch Hoflehner in Österreich, haben sie einen Moment der Bildhauerei bestimmt, der eigentlich surreal war, durch und durch surreal.

    Den Fetisch, den Maschinenfetisch, haben sie geschaffen, und ich würde auch sagen, dass die Erfindungslust sich aus dem Material, aus den Fundstücken nährte. Also weniger wurde da ein Objekt erfunden, sondern gefunden aus den Verborgenheiten des Abfallhaufens. Ich meine, das hat ja schon van Gogh in einer schönen Stelle einmal in einem Brief an Rappard beschrieben: Er geht auf eine Müllhalde und was er da alles sieht, was ihm da alles durch den Kopf geht. Also in der Hinsicht waren das Künstler von einer großen Empfänglichkeit und Schlichtheit.

    Schossig: Diese, heute sagen wir analogen Fundstücke kamen sehr schnell in den öffentlichen Raum in den 70er-, 80er-Jahren, Herr Hofmann. Was wäre – diese Art öffentlicher Kunst scheint ja ihre Konjunktur überschritten zu haben -, was wäre denn Luginbühls Vermächtnis für zeitgenössische wie junge Bildhauer heute? Was glauben Sie?

    Hofmann: Ja, ich würde sagen, sein Vermächtnis drückt sich aus in einer Sprache, von der man sagen kann, es kann nicht hart genug sein und es kann nicht streng genug sein, und das schlägt dann um ins Spielerische, in eine Leichtigkeit, die man diesem gewaltigen Mann, diesem Riesen eigentlich nicht zugetraut hätte. Aber ich glaube, er hatte einen Humor, der sich dem Nicht-Schweizer nicht sehr leicht mitteilte, sprachlich schon und so weiter. Aber er war ein gutmütiger und letztlich ein heiterer Riese.

    Schossig: So weit Werner Hofmann zum Tod des Schweizer Bildhauers Bernhard Luginbühl. Er starb am Wochenende 82-jährig in Bern. Werner Hofmann hat zwei Luginbühl-Werke für die Hamburger Kunsthalle während seines Direktorats erworben.