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Schrullige Dingwelt im Ideenregal

Die städtische Kunstgalerie von Wolfsburg verscherbelt noch nicht, räumt auch nicht aus, sondern nach wie vor ein. Nun ist dort die Kunst von Bogomir Ecker ausgestellt, die sich mit der Wirkung technischer Apparate im Zeitalter der Massenmedien beschäftigt.

Von Carsten Probst |
    Bei dem Wort "Kontaktschlaufenproblematik" könnte man an einen dieser humorlosen Sortierbegriffe aus dem Reich der Ingenieurs- und Technokratiewissenschaften denken. Und betritt man die Räume der Ausstellung, hat man erst einmal das Gefühl, in einer durchgeknallten Technikwelt gelandet zu sein, einer Mischung aus Gummizelle und Altwarenlager, das sich selbst zu einer Parodie geworden ist.

    Wände und Türeingänge sind mit schwarzem Noppenschaumstoff verkleidet, wie man ihn aus den Gerätekästen von Elektrikern und Toningenieuren kennt. Kabel liegen herum, alte Fernbedienungen; in der Raummitte ragen merkwürdige wüste Rohrkonstruktionen aus schiefen, zylindrischen Körpern empor, durchschlagen die Deckenabhängung, so wie man es vielleicht noch aus den Abluftkammern alter Dampfkraftwerken kennt.

    Man sieht seltsame Teile aus rot gestrichener Bronze, die mit aufgesetzten Trichtern wie vorsintflutliche Gegensprechanlagen aussehen und nebenan allerlei Gerätschaften wie an der Wand aufgehängte Mikrofone, eine Raumschranke mit Ampel, einige silberne Kindergartenstühle.

    Wer Bogomir Eckers Werk schon eine Weile verfolgt, der wundert sich über diese schrullig-technoide Dingwelt vielleicht nicht mehr. Denn dann weiß man, dass der 1950 im slowenischen Maribor geborene, seit seinem sechsten Lebensjahr aber in Deutschland lebende Installationskünstler es liebt, das Selbstverständnis des technischen Zeitalters galant auf die Spitze und in mancherlei Hinsicht zu immer neuen Extremen zu treiben. Das Verhältnis von Mensch und Maschine, von herrschendem Geist und dienender Technik wird hier umgekehrt.

    Hier steht der Mensch Maschinenräumen gegenüber, in denen sich technisch anmutende Umgebungen so autonom wuchernd fortpflanzt und erzeugt, wie es normalerweise nur die Kunst für sich beansprucht. Mit einer Art poetischen Ungezügeltheit, als Wirklichkeit werdende Traumfantasie eines unbekannten Maschinenwesens.

    Nein, Eckers Metier ist nicht das Futuristische, nicht das Pathos der Zukunft und des Fortschritts und auch nicht die Klage über die digitalisierte Gegenwart. In einer Ecke hängen ein paar blasse Fotografien von Tropfsteinhöhlen, überzeichnet mit kreisartigen Linien, die wohl jene titelgebenden Kontaktschlaufen metaphorisieren sollen - so etwas wie einen ewigen Kreislauf aus Werden und Vergehen, ein Yin und Yang der Tüftler und Ingenieure.

    Denkt man an Eckers groß angelegte Installation der "Tropfsteinmaschine" aus den 90er-Jahren in der Hamburger Kunsthalle, wird einem schon klarer, dass dieser Künstler offenkundig gern in Widersprüchen denkt, dass er das Naturwüchsige, betont Langsame wie das jahrhundertelange Wachstum von Stalagmiten und Stalaktiten gern dem schnellen, künstlich geregelten Takt von Automaten gegenüberstellt, Natur und Technik in merkwürdige Ähnlichkeiten zueinander bringt und Übergänge herstellt, wo man ohne weiteres keine vermuten würde.

    Ist die Technik also die Natur von heute? Sind nicht, anders gefragt, alle technischen Erfindungen in irgendeiner Weise der Natur abgeschaut oder abgerungen? Als Künstler im öffentlichen Raum arbeitet Bogomir Ecker bevorzugt mit der Verwandlung von "natürlichen" und "technische" Umgebungen und umgekehrt. In den letzten drei Jahrzehnten hat der documenta-Teilnehmer von 1987 eine unverwechselbare Formensprache entwickelt, der man zugleich aber auch immer noch einen Einfluss seines Düsseldorfer Lehrers Fitz Schwegler anmerkt.

    Schwegler, einer der produktivsten Akademielehrer der 80er-Jahre, hat so unterschiedliche Künstler wie Thomas Demand, Katharina Fritsch, Martin Honert oder Alice Creischer ausgebildet - und doch ist ihnen allen das Rätselhafte einer zeitlosen Dingwelt gemeinsam, das sie in ihren Werken zelebrieren.

    Bogomir Ecker macht da keine Ausnahme. Gleich am Eingang der Wolfsburger Ausstellung zeigt er eine große Wandinstallation aus lauter "Prototypen", kleinen zusammengebauten komischen Gerätschaften, die sich als Urmodelle für spätere Installationen herausstellen. Das Ideen-Regal erinnert an Schweglers Regalwände mit sogenannten "Notwandlungsstücken", die ebenfalls, wie bei Ecker, ein endloses Work in Progress darstellen. Und man merkt: Auch Bogomirs Eckers "Kontaktschlaufen" sind wohl für die Ewigkeit gedacht.