Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Schrumpfende Gewinne – enttäuschte Aktionäre

Verluste in der Solarsparte, Lieferprobleme beim ICE und Gerüchte über eine Führungskrise – Deutschlands größter Technologiekonzern Siemens kommt nicht aus den Schlagzeilen heraus. Zum Aktionärstreffen konnte Konzernchef Peter Löscher die erhitzen Gemüter mit soliden Quartalszahlen beruhigen.

Von Michael Watzke | 23.01.2013
    Gedrückte Stimmung ist Gerhard Cromme schon von ThyssenKrupp gewohnt. Bei Siemens muss der Aufsichtsratschef um Applaus geradezu betteln:

    "Sie dürfen jetzt klatschen."

    Cromme hat es derzeit auch bei den Siemens-Aktionären schwer. Die meisten machen ihn für die Probleme bei Siemens verantwortlich und nicht so sehr Siemens-Chef Peter Löscher:

    "Der Cromme, das ist das größte Übel, das je bei Siemens passiert ist." "Der mischt überall mit, vielleicht bei zu vielen, und dafür überall nicht mehr richtig."
    "Der Cromme ist von Haus aus der größte Schlawiner, wo da ummanandalauft!"
    "Ich komme aus Berlin, ich bin seit 33 Jahren bei der Firma und freue mich, dass es so lange gut gegangen ist. Aber was in der Chefetage läuft, kann ich wirklich nicht beeinflussen."
    "Die Leute sind natürlich ein bisschen unzufrieden, weil er das Ziel nicht erreicht, aber das war wohl abzusehen.""

    Das Ziel – das ist ein Siemens-Konzern, der nicht nur so groß ist wie seine Mitbewerber, sondern auch so profitabel. Siemens hat in den vergangenen Jahren viele Unternehmen aus der Solar- und Windkraftbranche dazugekauft. Doch die Akquisitionen brachten eher Verluste. Die Schuld daran hat nach Meinung der meisten Aktionäre Gerhard Cromme, der oberste Aufsichtsrat. Ingo Speich von der einflussreichen Union Investment Holding fordert gar, Cromme solle sich schon mal nach einem Nachfolger umsehen. Denn er und Siemens-Chef Peter Löscher seien mit vollen Segeln in die konjunkturelle Flaute gesegelt. Cromme gibt Fehler zu.

    "Aufsichtsrat und Vorstand sind nicht zufrieden, dass die eigenen Ziele nicht erfüllt wurden. Doch trotz aller Herausforderungen konnte Siemens zum Geschäftsjahresende ein Umsatzplus von sieben Prozent vermelden. Und mit 5,2 Milliarden Euro Gewinn das zweithöchste Ergebnis der Siemens-Geschichte erreichen."

    Profitabel sind bei Siemens die Sektoren Energie und Industrie. Probleme macht der Sektor "Infrastructure and Cities". Hier ging der Gewinn um 200 Millionen Euro zurück, erklärt Siemens-Chef Löscher:

    "Darin sind 116 Millionen Euro an Projektbelastungen enthalten, ganz überwiegend bedingt durch die Verzögerungen bei Hochgeschwindigkeitszügen."

    Damit spricht Löscher das Debakel um verspätet gelieferte ICE bei der Deutschen Bahn an. Es hat Siemens nicht nur die Margen, sondern auch das Image verhagelt. Jetzt steuert der größte deutsche Industriekonzern mit dem Sparprogramm "Siemens 2014" gegen. Sechs Milliarden Euro will Löscher kürzen. Alle Unternehmensteile sollen profitabler und Marktführer in ihren Geschäftsfeldern werden.

    "Geschäfte, die diese Kriterien nicht erfüllen, werfen Fragen auf. Auch die, ob Siemens auf Dauer für sie die bestmögliche Heimat ist."

    Mit anderen Worten: "Wer's nicht schafft, muss gehen." Das könnte auch bald für den Siemens-Chef gelten, orakelten manche Beobachter vor der Hauptversammlung. Renommierte Wirtschaftsmagazine schrieben von einer baldigen Palastrevolution am Wittelsbacher Platz in München. Von einem Duell zwischen Cromme und Löscher allerdings war heute in der Olympiahalle nichts zu spüren.

    "Wir lassen uns aber nicht vom Kurs abbringen, auch wenn manche Medien dies hinterfragen und teilweise versuchen, Uneinigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu konstruieren."

    Die Uneinigkeiten bei Siemens herrschten heute eher zwischen der Führung und den 10.000 anwesenden Siemens-Aktionären. Denn für die galt auch hier:

    "Sie dürfen jetzt klatschen."

    Dürfen schon. Aber kaum einer wollte.