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Schrumpfkur für laufende Bilder

Zwar verspricht die Filmindustrie seit Jahren, dass in Zeiten des globalen Datennetzes ihre Produkte auch über schnelle Internetverbindungen bezogen werden sollen, doch den Versprechungen folgten bislang kaum Taten. Doch der neue Kompressionsstandard MPEG-4 schickt sich an - zum Unwillen der Industrie - den alten Traum wahr zu machen. Dabei drücken die Algorithmen das Volumen eines DVD-Films auf die Größe einer CD zusammen und erreichen dabei immerhin die Qualität des VHS-Systems. Allerdings eröffnet das Verfahren auch einen blühenden Handel mit illegalen Kopien.

Heinz Schmitz |
    Bald könnte der mühsame Gang bei Wind und Wetter zur nächsten Videothek der Vergangenheit angehören: Stattdessen wird der gewünschte Streifen schlicht aus dem Internet übertragen. Das Zauberwort dabei lautet DivX und entspricht einem Verfahren, das als MP3 Musikgeschichte geschrieben hat. Ganze Kinohits schrumpft das Programm auf die Größe einer herkömmlichen CD herunter. Dabei gewährleistet der verwendete MPEG-4-Algorithmus eine immer noch ansehnliche und mit dem Rekorder-Standard VHS vergleichbare Qualität. Ein herkömmlicher PC ab 500 Megahertz Takt, 128 Megabyte Arbeitsspeicher und ein wenig Geduld für die anfallende Verarbeitungszeit genügen, um die eigenen Urlaubsvideos auf platzsparende und haltbare CD-Rohlinge zu bannen. Allerdings findet der Videoencoder nicht nur für Eigenproduktionen Anwendung, denn auf einschlägigen Internetseiten finden sich bereits zahlreiche illegale Kopien von aktuellen Kino-Knüllern.

    Mehrere Programme verwenden das MPEG-4-Verfahren zur Videokompression. Dabei ist das Programm DivX der derzeit wohl beliebteste Vertreter. Dabei handele es sich, so spekulieren Experten, um eine durch Hacker illegal nutzbar gemachte Version des von Microsoft entwickelten und in seiner aktuellen Version der Windows-Media-Tools verwendeten MPEG-4-Coders-Decoders (Codec). Die Software erlaubt Kompression und Abspielen entsprechender Dateien. Die Abkürzung DivX spielt auf den "Digital Video Express" an, mit dem einige Anbieter in den USA vor einigen Jahren vergeblich versucht hatten, das so genannte "Pay per View" zu etablieren.

    MPEG-4 verwendet, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, eine variable Bitrate, die je nach Tiefe den Kompressionsgrad und die Qualität des komprimierten Ergebnisses bestimmt. Versuche zeigten, dass Bitraten ab 500 Kilobits pro Sekunde bereits eine bessere Qualität als VHS-Rekorder liefern. Im Rahmen des "Mayo"-Projektes startete vor Kurzem das Vorhaben einer Entwicklergruppe, den Quellcode für MPEG-4 als so genannte Open-Source im Internet freizugeben. Entscheidender Vorteil gegenüber proprietären Softwarelösungen ist dabei die Unterstützung vieler Hobby-Programmierer, die Fehler aufspüren und beseitigen oder das Programm weiter verbessern. Damit könnte MPEG-4 ein ähnlicher Siegeszug beschert sein wie dem heutigen de facto-Standard MP3 auf dem Musiksektor.