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Schrumpfkur für Satelliten

Sie sind maximal so groß wie eine Waschmaschine, minimal wie ein Stück Würfelzucker: Kleinstsatelliten. Im Vergleich mit ihren tonnenschweren Kollegen können sie vor allem durch geringe Anschaffungskosten punkten. Und auch technisch sind die kleinen Flugkörper auf der Höhe der Zeit.

Von Karl Urban | 12.04.2013
    Der erste Satellit der Geschichte war ein Fliegengewicht. Sputnik-1 war eine einfache, 83 Kilogramm schwere Metallkugel mit vier Antennen und einem Funksender an Bord. Im Jahr 1957 waren solche leichten und einfachen Satelliten – anders als heute – noch aus der Not geboren.

    "Also alle haben mal mit kleinen Satelliten angefangen, auch die USA und Sowjetunion. Aber damals war der Hintergrund, dass sie keine größeren Launching-Kapazitäten hatten. Das war einfach begrenzt durch die Rakete. Dann stellte man plötzlich fest: da oben kann man so viel messen, was interessant ist auf der Erde. Und es wurden dann immer komplexere Missionen zusammengestellt."

    Ein Trend, der sich längst wieder umgekehrt hat: Neue Satelliten werden laut Rainer Sandau immer kleiner und leichter. Der Ingenieur gehört zu den Organisatoren des Symposiums für Kleinsatelliten - eine Tagung, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt diese Woche zum achten Mal in Berlin abhält. Die erdnahe Raumfahrt bewegt sich also längst zu ihren Wurzeln zurück. Satelliten wie der 2012 ausgefallene Envisat – der größte Umweltsatellit aller Zeiten – gehören der Vergangenheit an. Denn er hatte große Nachteile: Envisat wog mit acht Tonnen immerhin 100 Mal mehr als Sputnik-1. Die Entwicklung des Schwergewichts zog sich ganze 15 Jahre hin. Beim Start waren deshalb Elektronik und Instrumente an Bord hoffnungslos veraltet.

    "Das heißt, nach 15 Jahren hätte man viele Dinge ganz anders gemacht und vielleicht sogar viel kleiner, leichter, mit besserer Performance."

    Technisch sind Kleinsatelliten also auf der Höhe der Zeit: Zwischen Planung und dem Start ins All vergehen dadurch statt Dekaden nur noch wenige Monate. Die Zyklen, in denen technische Neuerungen ins All gelangen, werden somit immer kürzer.

    Bei den Satellitenmassen gibt es dabei nach unten keine Grenze mehr. Sie reichen von wenigen hundert Gramm bis zu einigen Dutzend Kilogramm. Kaffeemaschinengroße Picosatelliten fotografieren etwa Katastrophengebiete oder fahnden nach Waldbränden. Waschmaschinen-große Mikrosatelliten beobachten die Sonne oder suchen seltene atmosphärische Leuchterscheinungen. Allesamt Aufgaben, wo die Schrumpfkur einen entscheidenden Vorteil bietet: Eine Formation von Zwergsatelliten kann einen Ort häufiger überfliegen und somit regelmäßiger Daten zum Boden übertragen.

    Doch die schöne neue Welt der Kleinsatelliten kämpfte bisher noch mit ernsthaften Kinderkrankheiten. Viele Kleinsatelliten gelangten etwa mangels verfügbarer Mikrotechnik völlig ohne Triebwerke und mit ungenauer Lagerregelung ins All. Das hat sich in den letzten Jahren geändert: Winzige Satelliten können längst spezielle Aufgaben ihrer großen Vorgänger übernehmen, etwa punktgenau einen Landstrich an der Erdoberfläche fotografieren. Dafür stellen winzige Sensoren hochgenau ihre Lage fest, damit dann winzige Triebwerke winzige Bahnkorrekturen ausführen.

    Eine Herausforderung bleibt aber bis heute: Die Ingenieure können nur schwer planen, wie gut ein neuer Satellit unter den extremen Bedingungen im All funktioniert. Das sagt Thomas Terzibaschian vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Er arbeitet an der Mission Firebird, die demnächst mit zwei Kleinsatelliten weltweit nach Bränden sucht.

    "Die Miniaturisierung: im ersten Moment bringt sie neue Probleme, weil die Packungsdichte geht hoch. Das kann man hier in der Konferenz sehr gut sehen. Die Cubesats, zehn mal zehn mal zehn Zentimeter, haben die Dichte von Wasser. Ein Liter wiegt ein Kilo. Riesensatelliten, die würden also schwimmen im Wasser. Das sind praktisch hohle Vögel. Das hat zur Folge, dass auch die Energiedichte höher ist, dass man Thermalprobleme kriegt. Man muss also erstmal wirklich viele Fragen klären."

    Für den Organisator der Konferenz, Rainer Sandau, erreichen die Zwerge im Erdorbit ihre Grenzen, wo ihre Größe zu einem wirklichen Nachteil wird. Hier wird die Raumfahrt wohl auch zukünftig nicht auf große Satelliten verzichten können.

    "Eins der Probleme, mit denen wir uns befassen müssen ist, dass nicht alles mit Kleinsatelliten gemacht werden kann. Es gibt physikalische Begrenzungen. Wenn ich also Radar machen möchte mit viel Leistung. Dann brauche ich auch große Sonnenpanels. Dann geht das schon mit einem kleinen Satelliten nicht."