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Schrumpfkurs und dezente Exporte

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Rüdiger Moniac | 13.01.2002
    Afghanistan - das Wort hat in diesen Tagen eine völlig neue Bedeutung bekommen. Journalisten aus Deutschland berichten aus einem Land, in dem noch vor wenigen Wochen der größte Terroristen-Anführer der Moderne seinen Unterschlupf hatte. Geduldet von einer quasi-staatlichen Autorität. Deutsche Soldaten in einer neuen Rolle weit weg von der Heimat.

    Ein ZDF-Reporter berichtete schon zum Jahreswechsel, als im Vorauskommando erste deutsche Fallschirmjäger in Kabul eingetroffen waren, von deren größtem Problem: Es gibt keine Transportflugzeuge, die die 5000 Kilometer von Deutschland nach Afghanistan im Direktflug überwinden können. Ganz zu schweigen von tonnenschwerer Ladung, die man braucht, um an einem fremden Ort sofort einsatzbereit und handlungsfähig zu sein.

    Damit sind wir bei einer zentralen Frage: Was ist los in unserem Land, dass die Bundeswehr, obwohl sie nun auch in Afghanistan in immer schwierigere Auslandseinsätze aufbrechen muss, dafür unzureichend ausgerüstet ist? Und warum muss sich die wehrtechnische Industrie, die über Jahrzehnte in der Lage war, die Armee angemessen auszustatten, sich just in dieser Weltlage gesundschrumpfen? Schließlich: Warum baut die deutsche Politik gegen den Export von Rüstungsgütern im Vergleich zu anderen westlichen Ländern dermaßen hohe Hürden auf, dass immer mehr Manager in der wehrtechnischen Industrie nur noch mit Zähneknirschen das Geschäft weiterbetreiben wollen?

    Wer die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Terroranschlägen vom 11. September im Rundfunk verfolgte, für den wirft sich seither die Frage auf nach Anspruch der Politik im Vergleich zur Wirklichkeit in den Streitkräften:

    Gerade wir Deutschen, die wir durch die Hilfe und Solidarität unserer amerikanischen und europäischen Freunde und Partner die Folgen zweier Weltkriege überwinden konnten, um zu Freiheit und Selbstbestimmung zu finden, gerade wir haben nun auch eine Verpflichtung, unserer neuen Verantwortung umfassend gerecht zu werden. Das schließt, und das sage ich ganz unmissverständlich, auch die Beteiligung an militärischen Operationen zur Verteidigung von Freiheit und Menschenrechte, zur Herstellung von Stabilität und Sicherheit ausdrücklich ein.

    Hilfe und Solidarität will der Bundeskanzler Amerika und den Verbündeten mit dem deutschen Engagement in und für Afghanistan zurückgeben als Dank für die Unterstützung im Kalten Krieg. Sicher eine kluge und politisch angemessene Geste. Nur stellt sich die Frage, warum von Berlin die Bundeswehr einerseits so gefordert wird, auf der anderen Seite aber die rot-grüne Koalition sich dermaßen schwer tut, den Streitkräften mit einer ausreichenden Finanzausstattung auch die Möglichkeit zu verschaffen, sich für solch komplizierte Einsätze entsprechend modern und hochtechnisiert auszurüsten?! Und da beginnen wir mit einem aktuellen Kernproblem: Die Bundeswehr hat kein großes Transportflugzeug.

    Seit Jahren geht der politische Streit um das Projekt A400M, den Militär-Airbus. Er wird von insgesamt acht europäischen Nationen für ihre Luftwaffen gefordert. Erst vor wenigen Wochen aber wurde in Brüssel der Industrievertrag unterzeichnet. 196 Flugzeuge insgesamt sollen beschafft werden, 73 für die deutsche Luftwaffe.

    Ob damit die Beschaffung der strategisch nutzbaren Transportflugzeuge auch wirklich unter Dach und Fach ist, steht freilich noch dahin. In Berlin sind die Schwierigkeiten längst nicht alle aus dem Wege geräumt.

    Bereits vor mehr als anderthalb Jahren, im Juni 2000, antwortete Gustav Humbert, der damalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie im Interview der Woche des Deutschlandfunk auf Fragen nach der Zukunft des Projektes A400M. Dabei geht es auch um die Notwendigkeit für Airbus, sich überhaupt militärisch zu engagieren:

    Frage: Der Bundesverteidigungsminister hat sich sehr positiv geäußert zum Kauf Ihres militärischen Transportflugzeugs am Freitag. Nun finde ich, dass Ihr Unternehmen in diesem Punkt etwas von seiner Sauberkeit verliert. Was war der Grund, mit militärischen Aktivitäten an den Markt zu gehen? Macht es so viel Sinn, dass man dieses weiße Image, das Airbus hatte - im Gegensatz zu Boeing, was ja auch immer große Diskussionen hervorrief, dass man dieses wirklich aufgibt?

    Humbert: Zunächst erst einmal sehe ich es als völlig irrelevant an oder auch für mich nicht nachvollziehbar an, warum Militäraktivitäten als unsauber und Zivilaktivitäten als sauber bezeichnet werden. Das sehe ich nun ganz anders. Ich meine, dass der, der für Verteidigung eintritt und auch für Verteidigung die richtigen Tools zusammenstellt, vielleicht sogar höher gepriesen werden müsste, als der, der sich nur im zivilen Bereich aufhält. Also, ich sehe hier überhaupt keinen Unterschied in der Qualität - Punkt eins. Punkt zwei: Es ist auch industriell notwendig, in dieses Feld hineinzugehen, weil - unser Konkurrent von Airbus heißt heute Boeing. Von daher müssen wir uns aufstellen, sowohl von der Produktfamilie, wie auch von der Struktur und dem Portfolio des Unternehmens wie Boeing, wenn es denn in dem Boeing-Portfolio Vorteile gibt.

    Doch geht es dem europäischen Unternehmen EADS, das den Militär-Airbus bauen soll, nicht allein darum, sich gegenüber dem einzigen wirklichen Konkurrenten Boeing behaupten zu können. Es geht auch um die Synergie zwischen ziviler und militärischer Technologie-Nutzung, aus der Airbus bisher noch nicht profitierte:

    Und es gibt durchaus einen Vorteil, auch im militärischen Flugzeugbau tätig zu sein: Militärische Transportflugzeuge zu bauen, wenn man zivile Transportflugzeuge baut. Denn Boeing entwickelt hier im militärischen Transportflugzeugbereich Technologien, die sie nachher relativ leicht überführen können in ihren zivilen Flugzeugbau. Das heißt, hier werden Technologietransfers gemacht, die auch legitim und völlig in Ordnung sind, die wir aber derzeit bei Airbus nicht machen können, weil wir ja nur im zivilen Bereich tätig sind - und somit auch in dieser Ecke, nicht nur im Programm-Portfolio, sondern auch in dieser Ecke der Struktur des Unternehmens so aufgestellt sein wollen, wie es Boeing ist.

    Humberts Nachfolger als BDLI-Präsident, Rainer Hertrich, neben dem Franzosen Camus der zweite Vorstandsvorsitzende von EADS, muss fast eineinhalb Jahre später die Berliner Politiker immer noch drängen, dem A400M-Projekt endlich grünes Licht zu geben:

    Das verfolgen unsere europäischen Partner mit Ungeduld. Sie können nicht verstehen, dass der größte A400M-Kunde im Bremserhäuschen sitzt, statt eine klare Führungsposition in diesem Musterfall europäischer Verteidigungsintegration zu übernehmen.

    Auch Thomas Enders, im EADS-Vorstand für Zivile und Verteidigungssysteme verantwortlich, sorgt sich um die Wettbewerbsfähigkeit des französisch-spanisch-deutschen Luft- und Raumfahrtkonzerns. Immer wieder ist das Thema der nicht sicher erkennbare Wille der Berliner Politik, für die Ausrüstung der Streitkräfte die nötigen Gelder zur Verfügung zu stellen:

    Wir freuen uns natürlich sehr, dass es zu den Unterschriften noch vor Weihnachten gekommen ist. Die Vorgeschichte war ja lang genug seit dem MoU in Le Bourget im Juni letzten Jahres. Das ist natürlich ein ganz erfreulicher und wichtiger Auftrag für die EADS, wenn ich mal davon ausgehe, dass das deutsche Parlament vor Ende Januar da tatsächlich dann den Haken dran macht. Erfreulich auch deshalb, weil auf der zivilen Seite sich doch einige dunkle Wolken sich am Horizont zeigen - Stichwort Airbus - und um mit unseren amerikanischen Wettbewerbern einigermaßen gleichauf zu bleiben, etwa Boeing, ist es ganz wichtig, dass wir nicht nur zivile Aufträge haben sondern auch große militärische Aufträge haben. Insofern ist A400M für die EADS - man wird sicherlich, so denke ich, doch auch für die nationalen Kunden, die diesen Transporter bestellen, von großer strategischer Bedeutung.

    Für das Airbus-Projekt A400M ist es von herausragender Bedeutung, dass, wie der EADS-Manager sagt, "das deutsche Parlament vor Ende Januar tatsächlich den Haken" unter den Vertrag macht, viele Monate nach dem MoU, dem sogenannten "Memorandum of Understanding" von Le Bourget, wo die Pariser Luftfahrtausstellung stattgefunden hatte. Wenn die klare deutsche Finanzierung nicht zustande kommt, stünde das europäische Transporter-Programm wohl vor dem endgültigen Aus. Denn nach Informationen des Deutschlandfunk haben sich die sieben Partner-Staaten Deutschlands entschlossen, der Berliner Politik, die bei der Finanzierung trotz aller Beteuerungen von Verteidigungsminister Scharping immer noch schwankt, die Daumenschrauben anzulegen. Ein sogenannter "side-letter" zum Industrievertrag legt fest, dass das Produktionsabkommen für die 196 Transporter null und nichtig wird, wenn Berlin bis Ende Januar 2002 nicht Sorge trägt für eine politisch wie rechtlich unanfechtbare Finanzierungsgarantie.

    Denn anders als die Partnerstaaten des Vertrages Großbritannien, Frankreich, Spanien, Türkei, Belgien, Portugal und Luxemburg hat Deutschland bis heute keine wirklich wasserdichte und klare Garantie für die Finanzierung zustandegebracht. Berlin möchte die vom Jahr 2008 an für die deutsche Luftwaffe auszuliefernden Flugzeuge stückweise dann bezahlen, wenn sie dem Kunden übergeben werden. Dafür reicht aber die bis heute vom Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossene Verpflichtungsermächtigung nicht aus. Sie beläuft sich auf knapp fünf Milliarden Euro. Nach dem heutigen Preisstand werden aber etwa neun Milliarden für die 73 Transportflugzeuge benötigt. EADS-Manager Thomas Enders gibt sich trotz seiner Sorgen zuversichtlich:

    Da bin ich ganz zuversichtlich, dass die deutsche Bundesregierung, an der Spitze der Bundeskanzler und der Verteidigungsminister, die gegebenen Zusagen einhalten werden. Davon können, müssen wir fest ausgehen. Und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass die zuständigen parlamentarischen Gremien angesichts der politischen und industriellen, insgesamt der strategischen Bedeutung des Projekts, die Entscheidungen bis Ende Januar treffen werden.

    Die Bundeswehr steckt in einer grundlegenden Reform. Sie wird nach dem Willen der Bundesregierung zu einer für Auslandseinsätze geeigneten und fähigen Armee umorganisiert. Dazu braucht sie höhere Mobilität, neue strategische und taktische Aufklärungsmittel, weitreichende und störungssichere Telekommunikationsverbindungen, leichtere und damit durch die Luft transportierbare gepanzerte Fahrzeuge für unterschiedliche Zwecke, aber auch einen völlig neu konzipierten Schutz für den Soldaten im Einsatz. Experten haben die zum Geldmangel der Armee noch vorsichtigen Aussagen von Generalinspekteur Kujat konkretisiert und sprechen inzwischen eine deutliche Sprache.

    Sie sagen, wenn die Bundeswehr in rund zehn Jahren die Fähigkeiten erreicht haben soll, die Schröders Regierung mit der Kabinettsentscheidung vom Juni 2000 von ihr fordert, braucht sie über die nächste Dekade jährlich mindestens 3 bis 4 Milliarden Euro mehr im Verteidigungsetat als bislang vorgesehen. Es liegt auf der Hand: Dieser gravierende Geldmangel wirkt sich direkt auf die Auftragslage der wehrtechnischen Industrie in Deutschland aus. EADS-Vorstand Thomas Enders:

    Die Lage der deutschen wehrtechnischen Industrie, und das ist ja nicht neu, ist äußerst bescheiden. Um etwas weiter auszuholen: Wir hatten vor gut zehn Jahren etwa 280.000 Beschäftigte in diesem Sektor, deutlich weniger als unsere britischen und französischen Partner. Wir haben notwendige Anpassungen, die aus dem Ende des Kalten Krieges resultierten, selbstverständlich vorgenommen. Das haben die Unternehmen übrigens alle auf eigene Kosten gemacht. Viele, viele Milliarden sind in die Abbaumaßnahmen, Restrukturierung geflossen.

    Verglichen mit den vielen Milliarden aus öffentlichen Kassen, die der heimische Steinkohle-Bergbau zum Beispiel für seine schrittweise Schrumpfung über die Jahre bekommen hat und weiter erhält, hat die Rüstungswirtschaft, ohne dass die Arbeitnehmer zum Protestieren je auf die Straße gegangen wären, eine politisch unschätzbare Leistung vollbracht. Im Bergbau wird jeder Arbeitsplatz heute mit 130.000 Mark subventioniert, in einer Branche, deren volkswirtschaftlicher Nutzen angesichts der niedrigen Weltmarktpreise für Steinkohle von Experten stark in Zweifel gezogen wird. Für Rüstungsbetriebe gibt es eine derartige Vorzugsbehandlung durch die öffentlichen Hand nicht. Von den 280.000 Arbeitsplätzen des Jahres 1990 sind laut Aussage von Thomas Enders heute kaum mehr als 50.000 geblieben. Zu Recht weisen ihre Unternehmensvertreter, aber auch die Betriebsräte auf diese Tatsache hin. Und sie machen sich, abgesehen vom Geldmangel im Verteidigungsetat, auch Sorgen darüber, dass ihre Arbeit in einer Branche, die Waffen und militärisch nutzbare Ausrüstung herstellt, in der Öffentlichkeit immer wieder angefeindet wird. Gisela Walter ist Betriebsrätin beim Panzerbauer Rheinmetall im Werk Kassel:

    Wehrtechnische Industrie oder Rüstungsindustrie - eine Rüstung ist ein Schutz. Und hier produzieren wir den Schutz für den Soldaten. Und das ist eine ganz wichtige Aufgabe in unseren Land. Und als solches als Betriebsratsvorsitzende, aber auch als Mutter ist es mir ein Anliegen, dass die Soldaten mit dem bestmöglichen Schutz ausgerüstet werden. Und damit arbeite ich auch gern in diesem Industriezweig.

    Der Schrumpfungsprozess in der Branche, deren politische Bedeutung die Betriebsrätin und Mutter auf ihre Art beschreibt, ist, obwohl öffentlich kaum bemerkt, gewaltig. Thomas Enders von EADS nennt Zahlen, die in dieser Klarheit so in der Öffentlichkeit noch nicht erwähnt wurden:

    Wir schätzen eigentlich, dass wir heute eigentlich nicht mehr als etwa 50.000 Beschäftigte in diesem Sektor haben und in einigen Bereichen ganz klar in kritische Größenordnungen hinabgefallen sind. Und was uns besondere Sorge bereitet, ist natürlich das relativ geringe Beschaffungsbudget in Deutschland, und noch gravierender für die Zukunft die reduzierten Mittel für Forschung und Technologie. Denn das sind die Saatkartoffeln von morgen. Und wenn die verspeist werden beziehungsweise, wie vorgesehen, deutlich reduziert werden, noch weiter reduziert werden in den nächsten Jahren, dann kann man sich vorstellen, dass die deutsche Wehrtechnik nicht mehr in der Spitzenposition sein wird in einigen Jahren.

    Es geht also nicht mehr nur darum, gesund zu schrumpfen. Inzwischen ist die wehrtechnische Industrie in Deutschland an einem Punkt angelangt, an dem sie klagen muss, in bestimmten Sparten bald vor dem endgültigen Aus zu stehen. In der Nürnberger Diehl-Gruppe, die in erster Linie Munition fertigt, aber auch spezielle Lenkflugkörper, gibt es das Werk Junghans Feinwerktechnik in Schramberg im Schwarzwald. Der Geschäftsführer dort weist auf einen ganz besonderen Aspekt des Gesundschrumpfens hin. Experten sprechen von bestimmten Kernfähigkeiten der deutschen Wehrtechnik, die erhalten werden müssen. In Schramberg ist es die Fähigkeit, für Munition komplizierte, aber auch technisch zuverlässige Zünder zu fertigen. Gerhard Nowicki:

    Es sind vielleicht nicht Versprechungen gemacht worden, aber zumindest ist uns erklärt worden, dass Junghans Feinwerktechnik, einer der führenden Spezialisten weltweit auf dem Zündergebiet, erhalten werden muss und dass dazu nationale Aufträge erforderlich sind. Aber bislang sind diese Aufträge ausgeblieben. Zur Zeit produziert Junghans Feinwerktechnik ausschließlich für den Export. Ohne den Export wäre die Entscheidung angestanden, ob diese Firma noch überlebensfähig ist.

    Der Betriebsleiter nennt ein wichtiges Stichwort: Export. Die Wehrtechnik-Branche steckt in einer Zwickmühle, aus der sie gegenwärtig kein Entrinnen sieht. Auf der einen Seite fehlen weithin Aufträge zur Modernisierung der Bundeswehr. Auf der anderen sieht sie sich durch rigide gesetzliche, aber auch politische Praktiken der derzeit regierenden rot-grünen Koalition beim Export von Wehrmaterial behindert. So musste ein Betrieb der Diehl-Gruppe in Nürnberg beinahe zwei Jahre auf die Genehmigung für den Export von Munitionszündern durch die Bundesregierung warten. Und der Betrieb erhielt die Genehmigung auch erst dann, als er eine Untätigkeitsklage vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht gegen die Bundesrepublik Deutschland anstrengte. Prozessgegner war das Auswärtige Amt. Und die Stimmung im Lande, die einerseits der Unterstützung der Auslandseinsätze der Bundeswehr hinterfragt, andererseits aber den Rüstungsexport blockiert - sie wird überdeutlich im kürzlich veröffentlichten Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung. Anlässlich der Veröffentlichung des Berichts, der Deutschland nach den USA, Russland, Großbritannien und Frankreich auf Platz fünf der Rüstungs- Exportländer vermerkt, sagte Prälat Karl Jüsten:

    Erfreulicherweise gibt es bei vielen engagierten Gruppen, aber auch auf Seiten politisch Verantwortlicher eine wachsende Sensibilität für die Brisanz der Thematik. Der Bereich des Rüstungsexports wird mehr und mehr aus der Nische ominösen Insiderwissens herausgehoben und unter ethischen Gesichtspunkten kritisch durchleuchtet.

    Ethische Gesichtspunkte. Eine wahrhaft schwierige Aufgabe, die Rolle der Wehrtechnik in Deutschland danach zu beurteilen. Noch schwieriger wird sie, wenn die Kirche zusätzlich als politisches Ziel von Außenpolitik fordert, ein gerechter Friede müsse erreicht werden. Professor Stefan Reimers von der GKKE:

    Aber gerade vor dem Hintergrund der Ereignisse des 11. September und danach hat eine Debatte über den Einsatz militärischer Gewalt stattgefunden und auch die Kirchen zu weiteren Präzisierungen gezwungen hat. Wir haben gesagt, dass der Einsatz von Waffen als ultima ratio möglich sein muss. Wir haben aber auch darauf verwiesen, dass die Leitvorstellung staatlichen Handelns ein gerechter Friede sein soll. Ein gerechter Friede setzt weit mehr und anderes als militärische Mittel voraus und verweist gerade auf die Notwendigkeit, Sicherheit in den Gesamtzusammenhängen menschlichen Lebens herbeizuführen.

    Der Waffeneinsatz also als ultima ratio politischen Handelns. Die Bundesrepublik Deutschland definiert für sich eine neue Rolle in der Außenpolitik und die Verfassung verlangt, unser Staat solle dem Frieden in der Welt dienen. Die Rolle der Wehrtechnik bleibt aber klein: Im Jahr 2000 erwirtschaftete die Rüstungsindustrie einen nationalen Umsatz von rund 7,5 Mrd. Euro. Das ist weniger als ein Prozent des Bruttosozialprodukts.

    Im vor wenigen Monaten verabschiedeten Bericht einer sogenannten High-Level-Group, in der Fachleute aus allen Branchen der Industrie und des Verkehrswesens gemeinsam mit Experten von Forschungsinstituten die Zukunft für die Bundesregierung bewerteten, heißt es: "Die wehrtechnische Luft- und Raumfahrtindustrie schafft wesentliche Voraussetzungen für eine souveräne Außen- und Sicherheitspolitik einer Industrienation. Sie ermöglicht die Teilhabe an bündnispolitischer Verantwortung und definiert darüber die Rolle eines Landes in der transatlantischen Partnerschaft und in europäischen Kooperationen. Einsatzfähige moderne Streitkräfte und eine hoch entwickelte Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie sind für die Wirtschaftsmacht Deutschland Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit als Partner in internationalen Bündnissen."