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Schülermangel im ländlichen Raum
Zwergschulen müssen schließen

Jetzt steht die Entscheidung fest: Mindestens drei Kleinstschulen in Rheinland-Pfalz müssen bald schließen. Nach den Sommerferien sollen die Schülerinnen und Schüler auf Nachbarorte verteilt werden. Aber zumindest für eine kleine Schule besteht noch etwas Hoffnung.

Von Ludger Fittkau | 20.06.2018
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    In Einklassenschulen lernen Kinder mehrerer Jahrgänge zusammen (Carsten Rehder/dpa)
    Die 14 Schülerinnen und Schüler der Grundschule Lieg toben über den Schulhof wie an jedem anderen Tag. Doch bei Esmeralda Diaz, deren neunjährige Tochter zu der Grundschülern gehört, ist die Anspannung groß. Denn die gebürtige Mexikanerin, die seit zehn Jahren in dem hübschen Hunsrückdorf mit 400 Einwohnern lebt, wartet wie ihre Nachbarn auf die Nachricht, ob die Schule in dieser Woche geschlossen wird oder ob der Schulbetrieb nach den Sommerferien weitergehen kann. Die Schule, so Esmeralda Diaz, sei für das soziale Leben im Dorf unverzichtbar:
    "Ich glaube, überall wo es eine Schule gibt, bietet sie für die Kinder Zukunft. Erziehung, Freude, Freundschaft. Es ist so wichtig für die Gemeinde, für den Ort, sie macht eine Verknüpfung zwischen unseren Kindern und den Einwohnern. Und das ist, ich denke, ganz, ganz wichtig."
    Ganz ähnlich sieht das Ralf Lauxen, der Vorsitzende des Elternbeirates der Grundschule Lieg:
    "Die Politik spricht seit etlichen Monaten und Jahren davon, den ländlichen Raum zu stärken, um Attraktivität in den ländlichen Raum zu bringen. Insofern ist es ein großer Verlust. Wenn man sich anschaut, alle vier Schulen, um die es nun geht, sind alles Schulen aus dem ländlichen Raum, der an vielen anderen Punkten eh schon benachteiligt ist."
    Drei Schulen müssen schließen
    Doch nun, in der letzten Schulwoche vor Beginn der Sommerferien in Rheinland-Pfalz, ist die Entscheidung bei drei von vier Schulen gefallen. Weil die Mindestschülerzahlen fehlen und weil das Land in den konkreten Fällen auch keine Trendwende sieht, werden diese Schulen in der Eifel, im Westerwald und im Pfälzer Wald geschlossen. Stefanie Hubig, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin von der SPD:
    "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die Schulen überprüfen, wir haben transparent gemacht, welche es sind. Und wir haben gesagt, wir machen es mit Augenmaß. Und jetzt sind es am Ende vier Schulen, bei denen wir sagen: Da empfiehlt sich eine Aufhebung."
    Anke Beilstein, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag, hält diese Entscheidung für falsch:
    "Es werden im Zweifel keine Lehrer eingespart, aber man macht Strukturen kaputt, die hervorragend arbeiten."
    Und dies nicht nur pädagogisch, sondern auch für den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft. Das betont Ralf Lauxen vom Elternbeirat der Grundschule Lieg, der auch im örtlichen Musikverein engagiert ist:
    "In punkto Dorfgemeinschaft ist es ein wichtiger Bestandteil, weil bei vielen Festen und Aktivitäten die Schule mit ihren Kindern immer mit beteiligt ist. Wir haben eine der jüngsten Feuerwehren im ganzen Landkreis und das hat natürlich seine Ursache darin, dass wir mit der Schule vor Ort einen ganz kurzen Weg und Zugriff auf die Kinder haben. Die Vereine bieten tolle Möglichkeiten an, die von den Eltern und Kindern auch gerne genutzt werden."
    Überraschende Wende nicht ausgeschlossen
    Wenn die Kinder aber erst einmal in weit entfernten Nachbarorten zur Schule gehen, geht die Bindung an das Dorf verloren, befürchten die Bewohner des Hunsrückdorfes Lieg. Wenn die Kinder aus dem alltäglichen Dorfleben verschwinden, ist die Zukunft in Gefahr, glaubt auch Esmeralda Diaz. Doch der Sieg Mexikos gegen Deutschland bei der Fußball-WM habe bei ihr die Hoffnung geweckt, dass es auch bei der Dorfschule noch eine überraschende Wende geben könnte und die Schule nicht geschlossen wird:
    "Mit der Unterstützung von der Gemeinde selber finde ich, dass es gute Chancen gibt. Und ich bin sicher, dass die Schule nicht geschlossen wird."
    Immerhin: Wegen Verfahrensfragen ist die Schließung der Grundschule Lieg tatsächlich noch nicht offiziell verfügt - anders als in Fall der weiteren drei Schulen. Wenn sie käme, werden die Gerichte das Wort haben. Denn der Kreistag des Landkreises Cochem/Zell hat jetzt beschlossen, gegen eine Schließungsverfügung des Landes zu klagen.