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Schützendes Mäntelchen

Energie.- So tief Atommüll auch vergraben wird: mit Mikroorganismen kommt der strahlende Abfall auf jeden Fall in Kontakt. Französische und irische Wissenschaftler untersuchen deshalb, was passiert, wenn Bakterien auf den verglasten Atommüll aus der Wiederaufarbeitung treffen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung ausgedienter Brennelemente fallen in die Kategorie "hochaktiver Atommüll". Es sind Metallzylinder voll mit einer Glasmasse, in die die stark strahlenden Abfälle eingeschmolzen worden sind. Diese Kokillen sollen tief in der Erde endgelagert werden, bis ihre Strahlung in Hunderttausenden von Jahren abgeklungen sein wird. Allerdings gibt es selbst in 1000 und mehr Metern Tiefe Mikroorganismen: Und die spielen bei der Betrachtung, wie sicher ein Atomendlager ist, eine wichtige Rolle:

    "Wir wollen herausfinden, ob Mikroorganismen die verglasten Nuklearabfälle in einem Endlager angreifen und freisetzen oder ob sie sie vielleicht schützen und dabei helfen, die im Glas eingeschmolzenen Radionuklide besser einzuschließen."

    Elena Hutchens vom University College in Dublin. Um dieser Frage nachzugehen, haben Elena Hutchens und ihr Kollege Jean-Louis Crovisier von Centre National de la Recherche Scientifique in Straßburg mit Proben von verglastem Atommüll experimentiert:

    "Wir haben untersucht, was passiert, wenn dieses Glas mit weit verbreiteten Bakterien in Berührung kommt, die auch in einem Endlager auftreten können. Für unsere Experimente haben wir zunächst zwei Organismen ausgesucht, Pseudomonas aeruginosa und Acidithiobacillus thiooxidans."

    Dabei wurden die Glasproben sowohl sterilem Wasser ausgesetzt als auch mit Bakterien versetztem Wasser. Bei dem Bodenbakterium Pseudomonas aeruginosa war die Sache eindeutig:

    "Wir haben festgestellt, dass Pseudomonas aeruginosa auf dem Glas einen dicken, schützenden Biofilm ausbildet, der die Korrosionsrate mindert und auch einige der toxischen Elemente, die freigesetzt worden sind, einfängt."

    Am Ende des Experiments hatten sich in steriler Umgebung mehr Radionuklide und toxische Elemente aus dem Glas gelöst als in der Versuchsreihe mit Pseudomonas aeruginosa. Außerdem hielt der Biofilm schwer lösliche Elemente besser fest als die ungeschützte Oberfläche. Pseudomonas aeruginosa schützt den Nuklearabfall, so das Urteil der beiden Forscher. Beim zweiten Mikroorganismus ist das Urteil schwieriger:

    "Acidithiobacillus thiooxidans ist ein extremphiler Organismus. Wir haben ihn extra ausgesucht, weil er stark korrodierend ist und aus Schwefelverbindungen Säuren bildet. Im Experiment erlebten wir dann eine Überraschung, denn Acidithiobacillus thiooxidans hat auf dem verglasten Nuklearabfall einen Biofilm gebildet. Das ist zuvor noch nie beobachtet worden."

    Zunächst verhielt sich das Bakterium wie erwartet. Die mit ihm versetzte Lösung wurde sehr sauer, erklärt Jean-Louis Crovisier:

    "Acidithiobacillus thiooxidans ist dafür bekannt, dass es den pH-Wert drastisch senkt. Aber nach 17 Tagen entwickelte sich dieser Biofilm. Dann blieb der pH-Wert zwar konstant niedrig, aber die Korrosionsrate nahm ab."

    Zwar sank im Lauf dieses Experiments die Korrosionsrate nicht auf die Werte der sterilen Umgebung, aber:

    "Dieses Experiment dauerte nur wenige Wochen, so dass es durchaus möglich ist, dass der Biofilm im Lauf der Zeit immer besser schützt und die Korrosionsrate weiter sinkt."

    Das Urteil der beiden: Es könnte lohnen, die Wirkung von Biofilmen auf verglaste Abfälle näher zu untersuchen. Vielleicht ließe sich daraus ein zusätzlicher Schutz für Glaskokillen im Endlager entwickeln, hofft Elena Hutchens.