
"Als erstes erkennt man, dass die praktisch das Ziel anschauen und dann nehmen sie so eine schöne Position ein zum Schießen und dann lassen sie sich vielleicht so eine halbe Sekunde Zeit und dann spritzen sie los."
Das Ziel ist in diesem Fall die Nase von Stefan Schuster. Der Biologe steht im Keller des Instituts für Tierphysiologie an der Universität Bayreuth neben einem blauen Plastikbecken. Darin schwimmen gut ein Dutzend silber-grauer Schützenfische zwischen Steinen, Pflanzen und Plastikrohren im Kreis. Immer wieder gehen die Tiere in Schussposition und schicken einen kräftigen Wasserstrahl über den Beckenrand, sobald ein Zielobjekt in Reichweite gerät.
"Das ist eigentlich relativ klar, dass die sehr genau zielen können. Dass gut trainierte Fische einfach präzise schießen in einer Entfernung bis zu einem Meter. Wenn man es darauf anlegen würde, wahrscheinlich viel weiter."
Was auf den ersten Blick sehr einfach aussieht, ist physikalisch ein hochkomplexer Vorgang, denn der Wasserstrahl muss präzise geformt sein. Für den Jagderfolg ist es wichtig, dass er die Beute mit maximaler Kraft trifft, also möglichst viel Wasser gleichzeitig ankommt. Dafür müssen die Fische das Wasser während des Spritzens unterschiedlich stark beschleunigen, sodass es "zusammenläuft", wie Stefan Schuster sagt. Am Ziel kommt dann kein Wasserstrahl mehr an, sondern ein Wasserklumpen. Das Erstaunliche:
"Wenn man in der Lage ist, da genauer hinzuschauen, dann zeigt sich, dass diese Zusammenlaufzeitpunkt ganz gut abgestimmt ist an die Zielentfernung. Und zwar so, dass das Wasser erst dann maximal zusammengelaufen ist kurz vor dem Auftreffen."
Für Hochgeschwindigkeitsaufnahmen trainiert
Die Bayreuther Forscher wollten wissen, wie die Fische diesen dynamischen Effekt erzeugen. Doch weil der Spritzvorgang für das menschliche Auge zu schnell abläuft, mussten sie ihn mit einer Hochgeschwindigkeitskamera beobachten.
"Die Möglichkeit, die verschiedenen Phasen von dieser Produktion des Wasserstrahls gezielt und systematisch anzugucken hat man nur dann, wenn man Fische hat, die bereitwillig von einem ganz kleinen Bereich aus in fester Orientierung und unter heftigster Beleuchtung, die man für Hochgeschwindigkeitsaufnahmen braucht, auch zu schießen. Wenn man die soweit trainiert hat, dann machen die alles für einen, aber die Geduld muss man aufbringen."
Ein Jahr hat es deshalb gedauert, bis die Forscher die Versuche durchführen konnten. Dann ließen sie die trainierten Fische auf Ziele in unterschiedlicher Entfernung schießen und verglichen anschließend die Aufnahmen. So konnten sie in Zeitlupe beobachten, wie die Fische die Dynamik des Wasserstrahl mit dem Maul regulieren.
"Eine Phase, wo sich die Maulöffnung kontinuierlich vergrößert, wird unmittelbar sofort gefolgt von einer Phase wo es sich wieder kontinuierlich verkleinert, und diese zwei Phasen sind es im Wesentlichen mit denen der Fisch rumspielt, die macht er länger, wenn er weiter entfernt Ziele beschießen will."
Die Fische verändern also während des Spritzens den Durchmesser der Maulöffnung, während der Druck konstant bleibt. Das Fischmaul wirkt so wie ein dynamisches Ventil. Der Öffnungsgrad reguliert die Geschwindigkeit des Wassers. Ein solches Ventil würde Stefan Schuster in Zukunft gerne mit der Hilfe von Ingenieuren entwickeln, denn das ist auch für technische Anwendungen wie das Wasserstrahlschneiden interessant. Um den Regulationsmechnismus möglichst exakt übertragen zu können, wollen die Forscher sich zunächst noch die Feinjustierung genauer ansehen. Ganz im Sinne des Leitspruches, der an der Kellertür hängt: „Es gibt viel zu tun, spucken wir es an!"