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Schützenhilfe für Radovan Karadzic

Zum Auftakt des Prozesses gegen Radovan Karadzic, den früheren Serbenführer in Bosnien, erschien dieser einfach nicht vor Gericht. Begründung: Nicht genügend Zeit, um sich vorzubereiten. Dabei hat Karadzic ein ganzes Juristen-Team um sich geschart. An der Spitze steht Goran Petronijevic, der aus seiner Sympathie für den Angeklagten keinen Hehl macht.

Von Andrea Mühlberger |
    Auf dem Schreibtisch von Goran Petronijevic liegt ein Buch, das eigentlich schon alles über die Gesinnung des Belgrader Anwalts verrät: Der Roman "Die wundersame Chronik der Nacht" stammt aus der Feder von Radovan Karadzic. Erschienen und präsentiert in serbischen Buchläden im Jahr 2004. Literatur aus dem Untergrund, sozusagen: Während weltweit erfolglos nach dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher gefahndet wird, bringt der ungestraft seine Ansichten unters Volk. Zum Hohn der Opfer. Zur Freude seiner treuen Anhänger.

    Auch Goran Petronijevic macht aus seiner Sympathie für den Angeklagten kein Geheimnis. Der Anwalt ist überzeugt, dass Radovan Karadzic für die unbeschreiblichen Kriegsgreuel in Bosnien nicht verantwortlich ist:

    "Alles was in der Anklage steht, hat sich ganz anders zugetragen! Seit 13 Jahren wird Radovan Karadzic in den Medien zum schlimmsten Kriegsverbrecher stigmatisiert – ohne dass er sich bisher verteidigen konnte. Und auch in Serbien durfte man nichts dagegen sagen, so groß war der Druck von außen!"

    Goran Petronijevic zählt zu den noch immer zahlreichen serbischen Nationalisten, die den mutmaßlichen Drahtzieher der Bosnienkriege wie einen Helden verehren - und das Haager Gericht als "anti-serbisches Tribunal" ablehnen. Radovan Karadzic bei diesem "Schauprozess" beizustehen, ist für den erfahrenen Anwalt also durchaus mehr als eine berufliche Herausforderung. Es geht gewissermaßen um die serbische Sache:

    "Zuerst bin ich Anwalt, dann Serbe. Aber abgesehen von der professionellen Herausforderung: Als erster Berater von Radovan Karadzic wird man in diesem wichtigen Prozess ja auch Teil der historischen Wahrheit."

    Nicht zum ersten Mal wird der in nationalistischen Kreisen als Staranwalt gefeierte Goran Petronijevic zum "Werkzeug der Geschichte": Im Jahr 2000 war er Richter im Belgrader Schauprozess um die Verantwortung für die Nato-Bombardierung Serbiens. Ranghöchste NATO-Funktionäre und Staatsmänner wie Bill Clinton, Gerhard Schröder und Joschka Fischer waren angeklagt – natürlich in Abwesenheit.

    Danach zieht sich die Verteidigung "schillernder Gestalten" der ultra-rechten Szene wie ein roter Faden durch Petronijevic' Laufbahn. Darunter Mitglieder des berüchtigten Zemun-Clans, aus dem die Mörder des prowestlichen Premiers Zoran Djindjic stammen. Die Turbofolk-Sängerin Ceca, Witwe des ermordeten Milizenführers Arkan. Sowie mehrere serbische Kriegsverbrecher. Offensichtlich die richtige Visitenkarte, um sich bei Karadzic als Rechtsbeistand zu empfehlen. Goran Petronijevic koordiniert das juristische Beraterteam unter Leitung von US-Anwalt Peter Robinson - angeblich für einen Hungerlohn:

    "Unser Team wird vom Tribunal sehr schlecht bezahlt ... Die Summe, die Herr Robinson und ich in diesem Verfahren bekommen, entspricht dem Verdienst einer Putzfrau im Haager Tribunal."

    Bei jeder Gelegenheit kritisiert Petronijevic das angebliche Ungleichgewicht zwischen Anklage und Verteidigung. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um die mangelnde Vorbereitungszeit, die man Karadzic und seinen Anwälten zugestanden hat, um das Verfahren zu beschleunigen:

    "Eine schnelle Justiz ist eine blinde Justiz. Es ist nicht unser Problem, wenn es das Tribunal eilig hat!"

    … erklärt der Anwalt mit kahlem Schädel und schmalem Jägerbärtchen. Seine Augen funkeln bedrohlich.

    "Karadzic ist zu jeder Form des gewaltfreien Widerstands bereit. Und wie ich ihn kenne, könnte der Prozess in eine ernsthafte Krise geraten."

    Das ist bereits passiert. Der mutmaßliche Kriegsverbrecher boykottiert den Prozessauftakt. Die Opfer und ihre Angehörigen - wütend und schockiert. Man darf gespannt sein, was Radovan Karadzic und seinen Anwälten als Nächstes einfällt, um den Prozess zu verschleppen und die Ankläger zu blamieren.