Manila, die Hauptstadt der Philippinen, ist der Schauplatz. Es regnet permanent. Ein starker Wind pfeift. Und beides wird in diesem Film kaum je aufhören. Eine alte Frau geht mit einem kleinen Jungen durch die Stadt. Zuerst in eine Kirche. Dann, wieder draußen, versuchen sie eine Gedenkkerze anzuzünden. Im Wind und Regen ist das ein schweres Unterfangen. Jay-Jay, der kleine Junge, der den Schirm schützend gegen den Wind halten soll, stellt sich dabei nicht gerade geschickt an. Minutenlang dauert es, mit großer Geduld präzise eingefangen von der Handkamera.
Dieser Anfang schon zeigt die ganze Meisterschaft des Regisseurs Brillante Mendoza. Die Kamera zittert leicht, macht dadurch die Anstrengung, die Nervosität, die in dem an sich banalen Vorgang liegt, spürbar, und baut beiläufig jene Atmosphäre auf, die den ganzen Film prägt: Menschen in Not, Menschen die schwach sind, Anstrengung, die in jeder der langsamen und umständlichen Bewegungen der alten Frau enthalten ist, genau wie die Energie, die diese Alte mit ihren vermutlich über 80 Jahren noch hat.
Nichts passiert, werden manche sagen; alles passiert, erkennt man, wenn man hinguckt.
"Lola" - das heißt Großmutter auf Philippinisch, und so heißt der neueste Film des philippinischen Regisseurs Brillante Mendoza, der den Kampf einer alten Frau, deren Enkel ermordet wurde, um Gerechtigkeit, zeigt, und den Kampf einer weiteren Großmutter, deren Enkel der Mörder ist. Im Folgenden parallelisiert der Film unter ständigen Perspektivwechseln diese beiden Großmütter. Sie kommen beide aus der Armenschicht, und haben mehr gemeinsam, als sie trennt. Das gilt besonders für ihren Alltag. Denn die alten Frauen werden keineswegs verklärt. Mendoza zeigt, wie die eine ihre Kunden betrügt, die andere Behörden belügt, denn nur so kann man überleben.
Es herrscht universale Korruption. Alle betrügen alle. Und als Zuschauer versteht man das auch. Denn Not kennt kein Gebot.
So wird "Lola" zur rührenden, dabei hochspannenden Parabel um Gerechtigkeit, um Schuld und Sühne.
Brillante Mendoza ist der neueste Shooting-Star des Weltkinos. Mit unglaublicher Geschwindigkeit hat er in den letzten fünf Jahren sechs Filme gedreht: Low Budget, oft mit Laien. Sie zeigen uns Facetten des Alltags in den Philippinen.
Aber darüber hinaus zeigen sie - wie einst die italienischen Neorealisten Rosselini und Fellini, die Mendozas Vorbild sind - etwas ganz Universales: Das Leben selbst, das kleine Glück; den tägliche Überlebenskampf.
Großfamilien, in denen oft Mütter und Großmütter den Ton angeben, und auch ihren längst erwachsenen Söhnen mal eins hinter die Löffel geben; Hochzeiten, Familienfeste, aber auch Beerdigungen und den mühsamen Gang zu einer Behörde.
Wie bei Rosselini oder heute bei Ken Loach und Andreas Dresen stehen in allen Filmen Mendozas die einfachen Leute im Zentrum.
"Ich will so viel Leben wie ich kann in meine Filme packen",
sagt Mendoza, der von "found storys", von "gefundenen Geschichten" redet.
Und natürlich müssen seine Filme daher auch als ein - allerdings nie einfacher, plakativer - Kommentar zu den sozialen und politischen Zuständen in seiner Heimat und der Welt verstanden werden. Mendoza sagt dazu:
"Sie können gar nichts anderes sein. Sie basieren auf der Wirklichkeit. Der politisch-soziale Kommentar liegt in der Wirklichkeit selbst. (..) Ich bezeichne mich nicht als militanten Filmemacher. Ich will einfach meine Filme machen."
Nie wird das pädagogisch. Stattdessen stecken Mendozas Filme voller Sinnlichkeit: Man hört den Lärm der Großstadt im Hintergrund rauschen, man sieht Regen, spürt förmlich die Feuchtigkeit, den Wind, die schwere Hitze.
Natürlich besteht ein großer Reiz dieser Filme darin, dass sie uns eine unbekannte Region erschließen, dass man in ihnen sehen kann, wie es eigentlich aussieht auf den Philippinen, ahnen kann, wie es sich vermutlich anfühlt, hier zu leben. Man glaubt Manila zu riechen, zu schmecken, man glaubt, selbst dort zu sein.
Neben "Lola" kommt jetzt auch "Kinatay" ins Kino, für den Mendoza in Cannes letztes Jahr den Regiepreis gewann: Dieser Film ist weniger versöhnlich, sondern finster, er mündet in eine abgründige Nachtreise: Ein junger Mann steht im Zentrum. Wir lernen ihn am Tag seiner Hochzeit kennen. Dann erfahren wir, dass er Polizist ist. Um kurz darauf zu verstehen, dass er auch im Sold der Mafia steht.
Die Zuschauer folgen diesem jungen Mann weiter durch die Nacht bis zu einem brutalen Mord.
"Kinatay" wurde in Cannes gefeiert und ausgezeichnet, erntete aber auch wütende und verständnislose Reaktionen.
Mendoza versteht das. Er will es sogar:
"Das Publikum ist heute abenteuerlustiger. Sie wollen vom Filmemacher herausgefordert werden. (..) Darum geht es im Kino. Es soll eine kontinuierliche Diskussion auslösen, die andauert. Mit meinen Filmen will ich die Leute verstören. Sie sollen über den Film diskutieren. (..) Ich will, dass die Leute meinen Film nicht so schnell loswerden."
Der erst Mitte 40-jährige Brillante Mendoza und seine atemberaubenden, aus dem Leben gegriffenen Filme werden uns noch lange erhalten bleiben.
Dieser Anfang schon zeigt die ganze Meisterschaft des Regisseurs Brillante Mendoza. Die Kamera zittert leicht, macht dadurch die Anstrengung, die Nervosität, die in dem an sich banalen Vorgang liegt, spürbar, und baut beiläufig jene Atmosphäre auf, die den ganzen Film prägt: Menschen in Not, Menschen die schwach sind, Anstrengung, die in jeder der langsamen und umständlichen Bewegungen der alten Frau enthalten ist, genau wie die Energie, die diese Alte mit ihren vermutlich über 80 Jahren noch hat.
Nichts passiert, werden manche sagen; alles passiert, erkennt man, wenn man hinguckt.
"Lola" - das heißt Großmutter auf Philippinisch, und so heißt der neueste Film des philippinischen Regisseurs Brillante Mendoza, der den Kampf einer alten Frau, deren Enkel ermordet wurde, um Gerechtigkeit, zeigt, und den Kampf einer weiteren Großmutter, deren Enkel der Mörder ist. Im Folgenden parallelisiert der Film unter ständigen Perspektivwechseln diese beiden Großmütter. Sie kommen beide aus der Armenschicht, und haben mehr gemeinsam, als sie trennt. Das gilt besonders für ihren Alltag. Denn die alten Frauen werden keineswegs verklärt. Mendoza zeigt, wie die eine ihre Kunden betrügt, die andere Behörden belügt, denn nur so kann man überleben.
Es herrscht universale Korruption. Alle betrügen alle. Und als Zuschauer versteht man das auch. Denn Not kennt kein Gebot.
So wird "Lola" zur rührenden, dabei hochspannenden Parabel um Gerechtigkeit, um Schuld und Sühne.
Brillante Mendoza ist der neueste Shooting-Star des Weltkinos. Mit unglaublicher Geschwindigkeit hat er in den letzten fünf Jahren sechs Filme gedreht: Low Budget, oft mit Laien. Sie zeigen uns Facetten des Alltags in den Philippinen.
Aber darüber hinaus zeigen sie - wie einst die italienischen Neorealisten Rosselini und Fellini, die Mendozas Vorbild sind - etwas ganz Universales: Das Leben selbst, das kleine Glück; den tägliche Überlebenskampf.
Großfamilien, in denen oft Mütter und Großmütter den Ton angeben, und auch ihren längst erwachsenen Söhnen mal eins hinter die Löffel geben; Hochzeiten, Familienfeste, aber auch Beerdigungen und den mühsamen Gang zu einer Behörde.
Wie bei Rosselini oder heute bei Ken Loach und Andreas Dresen stehen in allen Filmen Mendozas die einfachen Leute im Zentrum.
"Ich will so viel Leben wie ich kann in meine Filme packen",
sagt Mendoza, der von "found storys", von "gefundenen Geschichten" redet.
Und natürlich müssen seine Filme daher auch als ein - allerdings nie einfacher, plakativer - Kommentar zu den sozialen und politischen Zuständen in seiner Heimat und der Welt verstanden werden. Mendoza sagt dazu:
"Sie können gar nichts anderes sein. Sie basieren auf der Wirklichkeit. Der politisch-soziale Kommentar liegt in der Wirklichkeit selbst. (..) Ich bezeichne mich nicht als militanten Filmemacher. Ich will einfach meine Filme machen."
Nie wird das pädagogisch. Stattdessen stecken Mendozas Filme voller Sinnlichkeit: Man hört den Lärm der Großstadt im Hintergrund rauschen, man sieht Regen, spürt förmlich die Feuchtigkeit, den Wind, die schwere Hitze.
Natürlich besteht ein großer Reiz dieser Filme darin, dass sie uns eine unbekannte Region erschließen, dass man in ihnen sehen kann, wie es eigentlich aussieht auf den Philippinen, ahnen kann, wie es sich vermutlich anfühlt, hier zu leben. Man glaubt Manila zu riechen, zu schmecken, man glaubt, selbst dort zu sein.
Neben "Lola" kommt jetzt auch "Kinatay" ins Kino, für den Mendoza in Cannes letztes Jahr den Regiepreis gewann: Dieser Film ist weniger versöhnlich, sondern finster, er mündet in eine abgründige Nachtreise: Ein junger Mann steht im Zentrum. Wir lernen ihn am Tag seiner Hochzeit kennen. Dann erfahren wir, dass er Polizist ist. Um kurz darauf zu verstehen, dass er auch im Sold der Mafia steht.
Die Zuschauer folgen diesem jungen Mann weiter durch die Nacht bis zu einem brutalen Mord.
"Kinatay" wurde in Cannes gefeiert und ausgezeichnet, erntete aber auch wütende und verständnislose Reaktionen.
Mendoza versteht das. Er will es sogar:
"Das Publikum ist heute abenteuerlustiger. Sie wollen vom Filmemacher herausgefordert werden. (..) Darum geht es im Kino. Es soll eine kontinuierliche Diskussion auslösen, die andauert. Mit meinen Filmen will ich die Leute verstören. Sie sollen über den Film diskutieren. (..) Ich will, dass die Leute meinen Film nicht so schnell loswerden."
Der erst Mitte 40-jährige Brillante Mendoza und seine atemberaubenden, aus dem Leben gegriffenen Filme werden uns noch lange erhalten bleiben.