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Schuldenkrise und kein Ende in Sicht

Verzweifelt sucht die Politik derzeit nach Auswegen aus der EU-Schuldenkrise. Verlorenes Vertrauen soll 2012 unbedingt wiedergewonnen werden. Doch die Ratingagentur Fitch bleibt für die Eurozone weiter skeptisch.

Von Michael Braun | 11.01.2012
    Es ist angekündigt, und es wird auch umgesetzt. Acht Länder - große wie Frankreich, Italien und Spanien und kleinere wie Belgien, Slowenien, Irland, Zypern und Portugal - acht Länder hat die Ratingagentur Fitch mit einem negativen Ausblick versehen. Das heißt: Sie sieht die bisherige Kreditwürdigkeit in Gefahr. Fast die Hälfte aller Euroländer wird also demnächst mit einer schlechteren Note leben müssen. Jens Schmidt-Bürgel, Deutschlandchef von Fitch:

    "Wir sehen das schon für den einen oder anderen kritischer, auch was die Wachstumsprognosen in der Eurozone allgemein anbelangt, die ja stark rückgängig sind von unseren Vorhersagen, was das laufende Jahr anbelangt. Insofern muss man sehen, dass wir Ratingaktionen machen werden, bei den Ländern, die ich eben erwähnt hatte. Und wir haben uns selbst einen Zeithorizont gesetzt, dass wir voraussichtlich Ende Januar dazu eine Meinung öffentlich kundtun werden."

    Dass die EZB mit Anleihekäufen den Staaten hilft, dass sie die Banken mit Geld in jeder gewünschten Höhe versorgt, dass sie die Zinsen gesenkt hat und womöglich weiter zurücknimmt, all das ändere nichts:

    "Die EZB ist dazu da, um im Endeffekt die Liquidität in den Märkten aufrechtzuerhalten, was die Staatsanleihen anbelangt. Hingegen wir, was die Solvenz oder die Kreditwürdigkeit der Länder anbelangt, und natürlich auf die makroökonomischen Daten in den jeweiligen Ländern und natürlich auch in der Eurozone stützen müssen. Insofern kann die EZB nur als rettendes Vehikel in der Verschärfung der Krise angesehen werden."

    Immerhin gibt es einige Hoffnung: Die Brutto-Neuverschuldung der Eurozone, also das aktuelle Defizit und die Verlängerung der Altschulden, wird nach Schätzung von Fitch in diesem Jahr sinken, und zwar um 6,5 Prozent auf 1.492 Milliarden Euro. Auch macht Irland dem Markt Hoffnung. Das Land hat keine neuen Schulden aufgenommen. Stramme Sparmaßnahmen haben dafür gesorgt, dass die Altschulden nicht mehr zu 15 Prozent, sondern mittlerweile mit Krediten zu sieben Prozent Zins abgelöst werden können. In einem halben Jahr könne Irland testen, ganz an den Kapitalmarkt zurückkehren zu können, meint Reiner Back, bei dem Großanleger Münchner Rück zuständig für das den Kauf von Anleihen. Wenn Irland das schaffe, strahle das auf die Eurozone als Ganzes aus:

    "Das könnte am Markt eine insgesamt positive Wirkung erzeugen, weil es zeigt, dass ein Land sich in der Eurozone positiv entwickeln kann."

    So weit ist es noch nicht. Denn die Analysten von Fitch sehen auch, dass etwa Frankreich mit knapp sechs Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung sich voriges Jahr das größte Haushaltsdefizit aller noch bestens eingeschätzten Länder geleistet hat, dass es den Kapitalmarkt 2012 mit gut 350 Milliarden Euro in Anspruch nehmen will, deutliche 100 Milliarden Euro mehr als etwa Deutschland. Und außerdem, so Fitchs Bankenanalyst Michel Dawson-Kropf, bleibe das Bankensystem durch die Schuldenkrise bedroht:

    "Das ist absolut die größte Herausforderung. Alles andere, dafür ist ein Bankensystem präpariert. Aber diese Art der Krise, das ist eine Sache, die darüber entscheiden wird, wie das Bankensystem sich in 2012 entwickeln wird."

    Eine Frage konnten die schlauen Ratinganalysten heute aber nicht beantworten: Was 2012 bringen werde: den Anfang vom Ende des Euro oder den Anfang vom Ende der Krise.