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Schule als Familienunternehmen

Eine junge Lehrerin, vier Dreiergruppen, eine Aufgabe: Die Schüler sollen eine Figurenbeschreibung anfertigen mit Einleitungssatz, beschreibendem Hauptteil und eigener Beurteilung am Schluss. Siebte Klasse Deutschunterricht an der Moser-Schule in Berlin-Westend: Die Kinder beraten untereinander, laufen aber auch oft zur Lehrerin und fragen nach korrekten Formulierungen. Bei zwölf Schülern in der Klasse ist das kein Problem.

Von Markus Rimmele | 03.02.2007
    Die Atmosphäre bleibt entspannt. Gregor weiß das zu schätzen. Er war vorher auf einer staatlichen Berliner Grundschule.

    " Die Räume sind schöner. Das Klassenverhältnis mit den kleineren Klassen ist besser, weil man viel öfter rankommt und viel intensiver lernen kann. Und es ist halt ein ganzer Tag. "

    Ein ganzer Tag. Die Moser-Schule bietet Unterricht und Betreuung von acht bis 17 Uhr.

    " Die Schule beginnt um halb neun. Wir haben zuerst zwei Stunden, dann haben wir eine Zwanzigminutenpause, wo wir ein Brot zum Frühstück kriegen. Dann haben wir wieder zwei Stunden, dann gibt's Mittagessen. Danach ist eine halbe Stunde auf dem Hof wieder Pause. Dann haben wir wieder eine Stunde, und dann haben wir Zehnminutenpause. Und dann sind noch mal zwei Stunden. Dann haben wir noch mal eine Zwanzigminutenpause, wo wir meistens was Süßes kriegen. Und dann ist halt Hausaufgabenbetreuung anderthalb Stunden mit entweder Lehrern oder Betreuern, die dann an die Schule kommen. "

    Der Mittwochnachmittag ist reserviert für AGs: Tennis, Theater, Segeln, Orchester.

    Die Moser-Schule ist eine Neugründung in Berlin. 2005 wurde sie erst eröffnet. Sie nennt sich selbst Schweizer Gymnasium, vor dem Eingang weht das weiße Kreuz auf rotem Grund, zur Eröffnung kam der Schweizer Botschafter. Das Mutterhaus der Schule steht in Genf, eine Art Familienunternehmen der Familie Moser. Der Privatschulmarkt in Deutschland ist lukrativ, gerade Berlin hat einen Nachholbedarf. Das haben die Schweizer erkannt. Keine besondere Weltanschauung, keine Konfession steht hinter der Schule, allerdings ein deutlicher Schwerpunkt, nämlich die Dreisprachigkeit. Die Schüler lernen von Anfang an auf Deutsch, Französisch und Englisch, erhalten etwa Biologieunterricht in einer Fremdsprache. Pia Effront, die Geschäftsführerin:

    " Die Eltern, die ihre Kinder hierher geben, wollen ein Plus. Sie wollen geregelte Strukturen, sie wollen keinen Unterrichtsausfall, sie wollen qualifizierte Lehrer, und sie wollen, dass sie in relativ rascher Zeit zu einem Ziel kommen. Und wir werden das zweisprachige Abitur anbieten in zwölf Jahren, und ich glaube, das ist eins der wichtigsten Dinge, dass hier nicht nur ein kultureller Rahmen gegeben ist, der den Kindern erlaubt, sich zu entfalten, sondern dass hier auch ein administrativer Rahmen gegeben ist und die Eltern sich hundertprozentig verlassen können, dass das, was im Prospekt steht, auch in Definitiven dann ausgeführt wird in der Schule. "

    Dafür müssen die Eltern viel Geld bezahlen. 600 Euro im Monat plus 100 Euro Verpflegung. Gregors Vater Axel Sawal, Rechtsanwalt, ist dazu bereit.

    " Klassengröße, Motivation der Lehrer, einfach ganz marktwirtschaftlich betrachtet: Eine Schule, die wie hier sich selber aufbauen will, jung ist und noch an sich arbeitet, wird automatisch ein besseres Dienstleistungsangebot bringen als eine staatliche Schule. Es ist ein kleiner übersichtlicher Apparat, wo jeder sich gegenseitig kennt. Und wenn man reinkommt, ist es schon ein völlig anderes Gefühl als wenn man in eine staatliche Schule reinkommt. Wenn ich in einen anderen Apparat komme, ziehe ich eher die Schultern ein, während ich es hier befreiend und schön finde. Und ich spüre es auch an den Kindern, dass sie in anderer Weise motiviert sind. Das merken die auch, atmosphärisch haben die eben sensible Antennen. "

    Bislang hat die Moser-Schule nur drei Klassen: fünfte, sechste und siebte, gut 40 Schüler insgesamt. Doch das wird sich ändern. Die Nachfrage übersteigt das Angebot, seit Neuestem gibt es eine Warteliste. 84 allgemein bildende Schulen in freier Trägerschaft stehen in Berlin zur Auswahl. Und es werden immer mehr. Zum laufenden Schuljahr sind allein fünf neue private Grundschulen hinzugekommen. Bereits 5,4 Prozent der Berliner Schüler lernen außerhalb des staatlichen Systems. Wie an der Moser-Schule sind es oft Kinder aus wohlhabenden Familien mit überdurchschnittlicher Bildung. Den staatlichen Schulen kommen diese Kinder immer häufiger abhanden: ein Problem für deren Niveau. Auch Irene Parrandier-Stasik, Architektin, schickt ihre Tochter Frederice auf die Moser-Schule.

    " Sicher, das ist ein Aspekt. Über den sollten sich die Bildungspolitiker Gedanken machen. Ich bin eigentlich der Meinung, dass das den Bildungsapparat anspornen müsste zu überlegen: Warum passiert das, und wie kann man da entgegen wirken? Da muss die staatliche Schule was tun. Aber den Schuh ziehe ich mir erst mal nicht an, sage ich ganz offen. "

    Die Eltern kaufen sich ein Stück heile Welt für ihre Kinder. Kleine Klassen, homogene Schülerschaft. Frederice geht gern in die Moser-Schule.