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Schule der Nanotechnologie

Technik. - Die verschiedenen Disziplinen der Naturwissenschaften waren lange Zeit eher auf Trennung bedacht. Mit dem Aufkommen der Nanotechnologie wird diese Trennung mehr und mehr überwunden, denn auf der Ebene der Atome treten die Gemeinsamkeiten deutlich zutage. Ein kürzlich in der Wissenschaftszeitschrift "Science" erschienener Artikel beschreibt ein nanotechnologisches Unternehmen, bei dem nichts weniger als anorganische Chemie, Materialwissenschaft, Biomineralisation, Biochemie, Molekularbiologie, Elektronik und Evolutionstechnik bemüht werden mussten.

    Von Mathias Schulenburg

    Nach funktionierender Nanotechnologie muss man nicht lange suchen, in jedem Lebewesen sind nanoskopische Strukturen aktiv: Die Erbsubstanz DNA, Antikörper, Muskelproteine als Nanomaschinen und vieles andere mehr. Besonders raffinierte Nanotechnologie findet sich im Meer, Muscheln etwa können Proteine bilden, die aus den im Meerwasser gelösten Stoffen Kristalle wachsen lassen, die sich zu zähen, mehrschichtigen Panzern fügen. Die detaillierte Erforschung solcher Vorgänge wird "Biomineralisation" genannt, das Zahnwachstum gehört auch dazu; jetzt, sagt Angela Belcher, Assistant Professor an der University of Texas und Verfasserin des Science-Beitrages, sollen der Disziplin auch Ausläufer ins Hochtechnologische wachsen:

    Wir versuchen, von der Natur abzukupfern, wie etwa Seemuscheln Proteine dazu bringen, Minerale zu synthetisieren. Diese Methoden möchten wir jetzt für elektronische Materialien nutzen.

    Viele Substanzen gewinnen technisch interessante Eigenschaften, wenn sie in der Gestalt von Nanopartikeln vorliegen, Ensembles von einigen hundert bis tausend Atomen. Goldnanos etwa können dann in hauchdünnen Schichten Glas färben; ansonsten ganz ordinäre Verbindungen verdoppeln die Lichtfrequenz von Lasern, wenn sie in Nanoclustern organisiert sind. Angela Belchers Verfahren zur Erzeugung solcher Quantenpunkt- Strukturen klingt so exotisch, dass ein Hinweis auf ihre zahlreichen wissenschaftlichen Auszeichnungen angebracht scheint, Angela Belcher verwendet - dressierte Viren.

    Wir nehmen im Wesentlichen vielleicht eine Milliarde Viren, die bis auf ein variables Proteinanhängsel identisch sind, und setzen die einem Selektionsprozess aus. Übrig bleiben die, deren Protein fest an das interessierende Material bindet, in diesem Fall Zinksulfid. Die haben dann einen molekularen Keim für Kriställchen des gewünschten Materials, in diesem Fall Zinksulfid.

    Die "guten" Viren dürfen sich in Gast-Bakterien vermehren. Das Zinksulfid ist in diesem Fall vornehmlich Modellsubstanz, die von den Viren selektiv gesucht, gebunden und zu Kriställchen, Quantenpunkten, gefügt wird. Deren Qualität, sagt Angela Belcher, sei noch nicht sonderlich hoch, aber verbesserungsfähig. Das Verfahren funktioniere auch bei vielen anderen Verbindungen:

    Wir haben auch Viren für Cadmium-Sulfid. Mit diesem Prozess von Virenselektion, -vermehrung und Reinigung können wir Viren für viele verschiedene Materialien herausfiltern.

    Mit nanoskopischen Partikeln lassen sich neue Eigenschaftsräume erschließen, wenn sie ganz regelmäßig, wie in einem Kristall, arrangiert werden. Mikroskopisch feine Siliziumdioxidkügelchen etwa sind ungeordnet unscheinbar, in einem strengen Gitter geordnet werden sie zu farbenprächtigem Opal. Materialien mit gitterartig angeordneten Partikeln werden es auch sein, die das Rechnen mit Licht ermöglichen; jetzt schon helfen sie, die Übertragungskapazität von Glasfasern zu vervielfachen etc. Angela Belcher kann solche Strukturen erzeugen, indem sie ihre Nanokristalle erzeugenden Viren ihrerseits kristallisiert.

    Wir haben also die Neigung dieser Viren mit den daran gebundenen Halbleiter-Nanopartikeln genutzt, sich ganz von selbst zu langreichweitig geordneten Strukturen zu fügen, in diesem Fall zu Flüssigkristallen, zu Dünnfilmen. Jedes Virus hat also an seinem Kopf ein Nanoteilchen wachsen lassen und sich dann eingeordnet, das gab schließlich Reihen von Nanopartikeln über viele Zentimeter hinweg.

    Diese Verbindung von verschiedenen Disziplinen wird sicherlich noch manche Überraschung bringen. Die Natur hat sie jedenfalls parat, vor kurzem wurde entdeckt, weshalb der Haarstern, ein Seestern, so effizient fliehen kann, obwohl er kein Auge erkennen lässt: Das Tier ist mit Hunderten winziger Linsen aus biomineralogisch perfekt kristallisiertem Calciumkarbonat übersät, die einen Panzer und ein großes Komplexauge zugleich bilden. Mit menschlicher Hilfe sollte dann auch der Quantencomputer aus dem Aquarium möglich sein.