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Schule für Spione

Wenn Geheimdienste neue Agenten und Mitarbeiter anwerben, dann muss man sich das ganz praktisch vorstellen. Wie viele andere Unternehmen auch suchen sie an Hochschulen nach Kandidaten. In den USA gibt sich die Regierung sogar besonders viel Mühe: Sie unterstützt eine ganze Reihe von Universitäten nicht nur finanziell.

Von Arndt Reuning |
    Die Trinity University gehört zu den kleineren Hochschulen im District of Columbia. Einst ein katholisches Frauencollege, das mittlerweile aber auch jungen Männern offen steht. Dort leitet Dr. James Robbins das Intelligence Community Center for Academic Excellence. Studierende aus allen Hauptfächern können hier eine Einführung in die Welt der Spionage erhalten. Eine Schule für Geheimagenten, könnte man meinen.

    "Nein, das hört sich so dramatisch an. Tatsächlich sind wir Teil eines Programms, das von der amerikanischen Bundesregierung finanziert wird. Wir wollen Studierende an verschiedenen Universitäten des Landes dazu anregen, über eine Karriere bei einem Nachrichtendienst nachzudenken. Wir bieten Kurse an, die es ihnen erleichtern sollen, als Analyst oder in einer anderen Funktion bei einer Behörde zu arbeiten im Bereich der Aufklärung."

    Neun Pflichtkurse innerhalb von vier Halbjahren, dazu kommen noch freiwillige Veranstaltungen und Praktika bei verschiedenen US-Behörden. In den Kursen lernen die Studierenden allerdings nicht, wie man geheime Botschaften entschlüsselt, verdächtige Subjekte beschattet oder auf einer Cocktailparty möglichst gut dasteht. Es geht vielmehr um die Arbeit der sechzehn verschiedenen Regierungsbehörden, die sich mit Aufklärung beschäftigen. Länderkunde steht auf dem Programm, und die Trinity University bietet auch Sprachkurse an, zum Beispiel Arabisch. Und das analytische Denken soll geschult werden, eine der wichtigsten Eigenschaften für die Arbeit bei einem Nachrichtendienst, so James Robbins.

    "Es geht vor allem darum, offen zugängliche Quellen auszuwerten. Ausländische Zeitungen und andere Medien. Und daraus ein Verständnis dafür zu entwickeln, was in diesen Ländern vor sich geht. Was in der Welt vor sich geht. So dass unsere Entscheidungsträger besser informiert sind, wenn die Zeit für die USA gekommen ist, mit diesen Teilen der Welt zu interagieren."

    Auf alle Fälle soll die Ausbildung verschieden Fächer übergreifen. Ein Urdu sprechender Ingenieur mit Islamkenntnissen, so das Wunschbild des Nationalen Geheimdienstbüros ODNI. Und auch sonst sollen für die Geheimdienste neue Bevölkerungsgruppen interessiert werden

    "Trinity ist traditionell ein Frauencollege. Und es studieren hier auch sehr viele Afroamerikaner und Lateinamerikaner. Das sind alles Gruppen, die bisher in den Nachrichtendiensten unterrepräsentiert sind. Die Idee ist also, ihnen auf den Weg zu helfen."

    Wer die Kurse belegen möchte, muss amerikanischer Staatsbürger sein und einen überdurchschnittlichen Notendurchschnitt vorweisen. Zu den Teilnehmerinnen am Programm gehört auch Angela Puryear-McDuffie. Sie studiert Politikwissenschaft und Geschichte im Hauptfach. Im vergangenen Herbst hat sie an einem Auslandsaufenthalt teilgenommen, der über das Intelligence Community Center organisiert worden war.

    "Ich war vier Monate lang an der Universität von Nikosia auf Zypern. Ich habe dort fünf historische Kirchen untersucht, ihre Geschichte in ihrem sozialen Umfeld. Wie die Menschen dort im Laufe der Zeit mit den Gemeinden umgegangen sind. Ich habe gelernt, wie oft die verschiedenen Kulturen im Umfeld der Kirchen sich einander angenähert haben."

    Wer an dem Programm teilnimmt, landet nicht automatisch nach seinem Hochschulabschluss bei einem Nachrichtendienst. Aber die meisten der Studierenden streben solch eine Karriere - in welcher Form auch immer - natürlich an.

    "Für mich hat das einfach perfekt zusammen gepasst. Ich denke, das ist ein Projekt, wo mein Wissen aus den Politikwissenschaften zusammenkommt mit dem, was ich über Geschichte lerne. Und dann auch irgendwie Sinn macht in Form einer beruflichen Laufbahn."

    Und wenn es nicht klappt mit der Karriere bei der Aufklärung, dann bleibt den Studierenden schließlich immer noch ihr Hauptfach. Geheimdienstliche Fähigkeiten sind bestimmt auch in anderen Berufen nicht von Nachteil.