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Schule
Kindern fällt die Handschrift schwer

Die Handschrift hat es an den Schulen zunehmend schwer, sich zu behaupten. Vielerorts wird der Einsatz der Tastatur forciert - mit fatalen Folgen: Denn Deutschlands Lehrkräfte beklagen massive Schreibprobleme ihrer Schüler und Schülerinnen.

Von Claudia van Laak | 09.04.2019
Schüler machen Notizen, vor ihnen liegt ein Laptop
Das Tippen auf der Tastatur hat vielerorts das Schreiben mit der Hand ersetzt (imago stock&people / pressmaster / Panthermedia)
Mädchen lernen leichter schreiben als Jungen - das wussten wir schon immer. Jetzt ist es erneut belegt - an Grundschulen haben jeder zweite Junge, aber nur jedes dritte Mädchen Probleme mit der Handschrift, sagt Marianela Diaz Meyer. Sie leitet das gemeinnützige Schreibmotorik-Institut, das 2000 Lehrkräfte zu diesem Thema befragt hat.
"Also sie verkrampfen sich, sie können gar nicht mehr einen Stift locker halten. neun von zehn Lehrkräften sehen die motorische Kompetenzen nicht mehr gegeben, um das Handschreiben leicht zu erlernen."
Die Probleme setzten sich nach der Grundschule fort. So könnten nur zwei von fünf Schülerinnen und Schülern länger als 30 Minuten beschwerdefrei mit der Hand schreiben. Dies habe Folgen für das Lernen.
"Wenn wir an das Handschreiben denken, denken wir in erster Linie an das Resultat, die Schrift. Dabei sind die Bewegungen, die zur Schrift führen, das Wichtigste. Diese Bewegungen aktivieren bis zu zwölf Gehirnareale, von der Wahrnehmung über die Verarbeitung der Information bis hin zur motorischen Ausführung. Das ist sehr wichtig, für Kinder und Erwachsene."
Klage über Schüler: "Sie wollen nur noch tippen"
Das Tippen auf der Tastatur hat vielerorts das Schreiben mit der Hand ersetzt. Leider wissen wir noch zu wenig über die Folgen, bedauert Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung VBE - nach der GEW die zweitgrößte deutsche Lehrergewerkschaft. Beckmann warnt davor, die Handschrift durch die Tastatur zu ersetzen.
"Dann glaube ich würden wir feststellen, nach einiger Zeit, dass Schülerinnen und Schüler bestimmte Lernleistungen nicht mehr erbringen können. Dass sie dort größere Schwierigkeiten haben. Wir kennen solche Ergebnisse aus Ländern, in denen das Tablet von der ersten Klasse konsequent eingesetzt wurde, zum Beispiel China, und man feststellen musste, dass man wachsenden Analphabetismus hat."
"Sie wollen nur noch tippen" - so lautet die weitverbreitete Klage von Eltern und Lehrern. Der Einkaufszettel auf dem Smartphone, die E-Mail an die Oma statt eines handgeschriebenen Briefes, die Vokabeln online lernen statt sie mit der Hand zu schreiben. Eine - natürlich nicht repräsentative - Umfrage unter Berliner Abiturienten zeigt etwas anderes.
"Ich schreibe gerne mit der Hand. Weil es übersichtlicher ist als auf dem Computer. Weil man sich besser organisieren kann auf einem Blatt Papier, schneller zwischen den Unterlagen wechseln kann."
"Tastatur. Das geht schneller und ist außerdem schöner. Also bei meiner Handschrift."
"Wenn ich etwas lernen muss, schreibe ich das immer mit der Hand. Weil ich auch das Gefühl habe, wenn ich es schreibe, muss ich mehr darauf konzentrieren als wenn ich es tippe. Und dann hat das einen besseren Einfluss aufs Lernen."
"Ich lerne auch besser, wenn ich es aufschreibe. Weil man dann mehr Zeit verbringt mit den Dingen, die man lernt. Und ich auch weil ich ein visuelles Gedächtnis habe und ich mir die Struktur der Sachen besser merke, wenn ich sie aufschreibe."
Zu wenig Zeit, das Schreiben mit der Hand zu üben
Der Verband Bildung und Erziehung will nicht zurück in die Kreidezeit, will die Tastatur nicht wieder aus den Klassenzimmern verbannen. Allerdings hätten die Lehrerinnen und Lehrer in der Grundschule zu wenig Zeit, um mit den Kindern das Schreiben mit der Hand zu üben. Es geht nicht um Entweder-Oder, um Hand oder Tastatur, sagt Verbandschef Udo Beckmann.
"Wir suchen nach den verbindenden Modellen. Darum geht es. Dass man digitale Endgeräte auch einsetzt, um das Handschreiben, also die Feinmotorik weiter zu schulen."
Das Schreiben mit der Hand lasse sich in die digitale Welt integrieren.
Sprich: nicht mit dem Stift auf Papier schreiben, sondern mit einem Stift auf dem Bildschirm. Entsprechende pädagogische Konzepte fehlten allerdings noch, beklagt der Verband Bildung und Erziehung.