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Schule zwei Stunden in der Woche auf niederländisch

Modernste Maschinen in den Unterrichtsräumen, ein lockerer Umgangston: Deutsche Schüler und Lehrer staunen über das Lernen an der Partnerschule im niederländischen Aalten - und loben es.

Von Philip Brost |
    Der Unterricht ist auf holländisch. An der Partnerschule in Aalten in den Niederlanden lernen die deutschen Schüler, was Berufsleben eigentlich bedeutet. Um 9 Uhr beginnt der Unterricht. Rund 30 Schüler der 9. Klasse aus Isselburg und dem Berufskolleg in Bocholt sind am Morgen mit dem Bus zur Schule nach Holland gefahren. Die Räume hier sind mit modernsten Maschinen ausgestattet - computergesteuert, wie in der Industrie. Das versetzt vor allem die deutschen Lehrer, die mitgekommen sind, ins Staunen. Mit offenem Mund und großen Augen gehen sie durch die Werkstätten. Die Schüler staunen dagegen über den ungewohnten Umgang mit ihren neuen Lehrern.

    "Sogar die Lehrer sind ganz optimal, so ganz leicht, ganz chillig dabei."

    "Hier herrscht ein Du-zu-Du-Gefühl, also man spricht sich ganz normal an, als ob man mit einem Schüler redet. An unserer Schule müssen wir die Lehrer siezen, wir dürfen keinen einzigen Ton sagen."

    Den Schülern werden viele Freiräume gelassen. Sie arbeiten selbstständig - das motiviert, sagt Moritz Barth aus der 9. Klasse.

    "Bei uns müssen wir Aufgaben immer im Auge des Lehrers fertigstellen. Also, man hat immer einen im Nacken und dadurch ist man meiner Meinung nach nervöser und erledigt seine Aufgabe auch nicht so präzise, wie man es hier machen kann."

    Zwei Stunden pro Woche kommen die deutschen Schüler in die Niederlande - mehr lässt der deutsche Lehrplan nicht zu. Zu wenig finden ihre Lehrer, die sich ein Modell, angelehnt an das niederländische, wünschen. Hier wird bis zu 16 Stunden pro Woche in den Werkstätten unterrichtet.

    Mehr Stunden auch in Deutschland. Durchaus denkbar sagt die Schulamtsdirektorin für den Kreis Borken, Ulrike Schwarz:

    "Da glaube ich schon, dass auch unsere deutschen Richtlinien und Lehrpläne mehr Spielraum lassen zu handlungsorientiertem Unterricht, der möglicherweise in der Form nicht ausgeschöpft ist."

    Gemeinsamer Unterricht über die Landesgrenzen hinweg: Bislang einmalig sagen die Beteiligten. Es ist eben nicht nur ein Schüleraustausch, der auf gegenseitigen Besuchen basiert, sagt Helmut Hümbs, Lehrer der Verbundschule Isselburg.

    "Austausch bedeutet, man besucht sich für einen Tag oder eine Woche und fährt dann wieder. Die tägliche unterrichtliche Arbeit mit Schülern über ein Jahr hinaus ist eigentlich das wichtige Kriterium. Und das wollen wir hier versuchen, dass die Zusammenarbeit hier zwischen Isselburg, Bocholt und Aalten was Selbstverständliches wird."

    Inzwischen ist Mittagspause - eine Stunde. Die deutschen Schüler freuen sich über die Auszeit. In Deutschland haben sie sonst nur 15 Minuten. Hier wird dagegen in der Zeit gemeinsam Mittag gegessen. Allerdings nicht warm, das ist in Holland unüblich.

    In der Mittagspause kommen die Schüler ins Gespräch. Sie unterhalten sich über ihre Eindrücke, die sie bis jetzt sammeln konnten. Noch spricht man vor allem unter sich. Die Sprache ist eine Herausforderung, obwohl die Schüler aus Deutschland seit der 6. Klasse Holländisch lernen.

    Aber ihnen fällt auf, dass der Umgang hier freundlicher ist. An ihrer Schule in Deutschland sagt Moritz, sei die Stimmung in den Pausen oft aggressiv und das ende häufig mit Schlägen - hier nicht. Und diese Chance will Moritz Barth für sich und seine Ausbildung nutzen.

    "Also, hier weiß ich ganz genau, dass ich, wenn ich hier gut klarkommen sollte - auch niederländisch sprechen kann - auch in Holland noch eine Ausbildung oder einen Job kriegen könnte, wenn es in Deutschland nicht klappen sollte. Und hier wird mir die Ausbildung viel näher gebracht als auf meiner Schule."