Archiv

Schulen
Elternrat fordert Geld vom Bund für Sozialarbeiter

Schulsozialarbeiter sind wichtig, da sind sich Schüler, Lehrer und auch Politiker einig. Unklar ist aber, wer sie bezahlen soll, denn die Zuschüsse des Bundes sind ausgelaufen. Der sei aber in der Verantwortung, sagte Michael Töpler, der stellvertretende Vorsitzende des Bundeselterrates, im DLF.

Michael Töpler im Gespräch mit Sandra Pfister |
    Ein Schulkind steht vor einer Tafel, auf der das Wort "Inklusion" geschrieben steht.
    Auch für die Integration behinderter Kinder in den Unterricht werden Sozialarbeiter benötigt. (picture alliance / dpa)
    Sandra Pfister: Sie kümmern sich um Mobbingfälle, sie schlichten Streit, sie holen Schulschwänzer zurück oder sie helfen überforderten Eltern. Schulsozialarbeiter sind oft die ersten, die Schülern gleich morgens anmerken, dass zu Hause dicke Luft ist. Schule, so finden viele, funktioniert heute gar nicht mehr ohne Sozialarbeit. Alle sagen den Sozialarbeitern, wie wichtig ihre Arbeit ist, nur Geld ist leider keines mehr für sie da. Drei Jahre lang hat der Bund viele Stellen finanziert im Rahmen des sogenannten Bildungs- und Teilhabepaketes. Seit Januar aber ist Schluss. Bislang konnten einige Stellen noch gerettet werden, aber jetzt sind die Reserven vielerorts aufgebraucht. Allein in Nordrhein-Westfalen stehen 1.500 Stellen auf der Kippe. Woher das Geld dafür nehmen? Der Bundeselternrat, die Vertretung aller Eltern von Schülern, findet, da muss dringend der Bund dran. Wir sprechen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Michael Töpler. Guten Tag, Herr Töpler!
    Michael Töpler: Schönen guten Tag!
    Pfister: Herr Töpler, der Bund hat ja mit Bildung eigentlich nichts zu tun. Dafür sind die Länder zuständig und die Kommunen. Die wollen das ja auch so. Ist es da jetzt nicht wohlfeil, schon wieder nach Geld vom Bund zu rufen?
    Töpler: Also zum Ersten kann man natürlich wieder kritisch hinterfragen, ob dieses Kooperationsverbot, das der Bund damit mit der Bildung auf Länderebene nichts zu tun hat, ob das wirklich von allen gewollt und von allen positiv gesehen wird. So, die eine Frage. Konkret auf Schulsozialarbeit bezogen, muss man aber sagen, dort geht es ja gar nicht um die formale Schulbildung, die in der Länderhoheit liegt, sondern es geht darum, Kindern und Jugendlichen Angebote dort zu machen, wo sie vor Ort sind, und ihnen zum Teil Teilnahme am Unterricht erst zu ermöglichen, Familien zu unterstützen und einfach direkt dort anzusetzen, wo es noch gar nicht um die eigentliche Bildung geht, sondern eher um den Auftrag, wirklich Dinge zu ermöglichen und individuelle Förderung in Gang zu bringen, die nicht auf Bildungsinhalte sich eigentlich bezieht.
    "Bund macht es sich zu einfach"
    Pfister: Und genau deshalb sagen aber auch der Bund und die Länder gerne, ja, Schulsozialarbeit muss sein, ist aber klassisch eine Sache der Jugendhilfe. Dass es jetzt Extraprogramme gibt, ist gut und schön, aber der Bund, der ist dafür gar nicht zuständig, da müssen sich die Städte engagieren.
    Töpler: Ja, das ist ja sehr beliebt, grundsätzlich immer zu sagen, das müssten Städte und Kommunen machen. Das mag so sein, dass das ihre Aufgabe ist und dass sie das nach Kräften, die sie haben, tun. Die Frage ist aber, wenn dies der Fall ist, Städte und Kommunen nicht die notwendigen Ressourcen dafür zur Verfügung haben, stellt sich der Bund schon als Ansprechpartner dar, wo man sagen kann, wenn das aber eine gesamtgesellschaftliche, bundesweite Aufgabe ist, zum Beispiel auch im Rahmen der Inklusion, wenn man das ernst nimmt, ist das ohne Schulsozialarbeit nicht zu schaffen, dann ist der Bund einfach da in der Verantwortung, nicht nur zu sagen, ja, rein theoretisch möchten wir das, und wenn die Städte und Kommunen das machen, finden wir das toll. Aber die Realität ist ja, Städte und Kommunen haben das Geld, das sie aus dem Bildungs- und Teilhabepaket hatten, das gar nicht ursprünglich dafür geplant war, dafür eingesetzt, weil es so eine wichtige Aufgabe ist. Der Bund sieht, damit wurde Sinnvolles und Gutes gemacht, und da dann zu sagen, nee, das ist uns jetzt aber nicht mehr wichtig, nur mit dem Hinweis darauf, das wäre nicht ihre Zuständigkeit, finde ich, ist von der Seite her zu einfach.
    Pfister: Nun ist es ja so, dass der Bund beziehungsweise Schwarz-Rot in den Koalitionsverhandlungen ja durchaus gesagt hat, wir geben sechs Milliarden unter bestimmten Auflagen an die Länder, nur, die sind ja schon so gut wie verplant. Für Ganztagsschulen, für Kitas, für Hochschulen und so weiter. Das reicht dann ja hinten und vorne nicht.
    Töpler: Ja. Da wäre generell noch mal zu klären, wer bekommt jetzt wirklich genau was von diesen sechs Milliarden. Eben, dass relativ viel davon in den Hochschulbereich fließen sollte, kann man kritisch sehen, weil der Hochschulbereich in Deutschland eigentlich sehr gut finanziert ist, während umgekehrt gerade der Elementar- und Primarbereich sehr schlecht finanziert ist. Und ob man da nicht sagt, eigentlich müssen wir dort mal gegensteuern und sagen, das Geld muss anders verteilt werden. Natürlich könnte man sagen, wir brauchen einfach mehr Geld, aber rein realistisch kann man auch diese sechs Milliarden so verteilen, dass zum Beispiel Schulsozialarbeit gestärkt wird, was letztendlich auch der Bildungsqualität am Ende zugutekommt, weil damit können wir ja nicht erst an Hochschulen anfangen.
    "Kein Vorwurf an die Fachlehrer"
    Pfister: Ist es denn nicht ein Armutszeugnis für Schulen, dass sie ohne Schulsozialarbeiter gar nicht mehr funktionieren?
    Töpler: Das würde ich nicht sagen. Sondern die Aufgaben von Schule haben sich insofern verändert, dass viele Lehrer sagen, sie kommen mit der Situation nicht gut zurecht, mit der Heterogenität, die ja aber gewollt ist. Wir wollen ja über Inklusion Heterogenität. Und in den Schulen verändert sich etwas, und mit sich verändernden Anforderungen kann man auch sagen, wir brauchen neue Kompetenzen, neue Professionen. Aber das ist auch nicht neu. Seit Jahrzehnten gibt es ja auch Schulsozialarbeit, in Gesamtschulen oder in Hauptschulen oder Förderschulen schwerpunktmäßig. Und die hat ja schon gezeigt, das macht Sinn, und man kann ja auch sagen, wir haben jetzt etwas erkannt, was wir gern zusätzlich wollen. Das heißt nicht, dass wir in unserem Kernkompetenzbereich des Fachunterrichtes nicht mehr fähig seien. Also, das würde ich nicht als Vorwurf an die Fachlehrer richten.
    Pfister: Wenn wir Sozialarbeiter fest an Schulen brauchen, wie das Ihnen vorschwebt - da würden Ihnen ja auch viele zustimmen - wie viele? Haben Sie das mal durchgerechnet, wie viele pro wie viel Schüler?
    Töpler: Es gibt da so einen Richtwert, dass man sagen könnte, pro 150 Schüler ein Schulsozialarbeiter. Das ist jetzt nicht der Weisheit letzter Schluss, so die endgültige Forderung, sondern das ist so eine grobe Richtung, wo man sagen kann, damit könnte man arbeiten, und das ist letztendlich neben der Frage, welche Ergebnisse bringt es und was spart es uns an anderer Stelle und welche Möglichkeiten, durchaus vertretbar vom Aufwand her.
    Pfister: Haben Sie es mal durchgerechnet, wie viel das den Bund so pro Jahr kosten würde, pro 150 Schüler ein Sozialarbeiter?
    Töpler: Also das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Mit dieser Frage hatte ich mich noch nicht genau auseinandergesetzt, das wäre sicher noch zu prüfen. Aber wenn wir erst mal in der Diskussion sind, zu sagen, was kostet uns das, und zu sagen, ist das einer pro 150 oder einer pro 200 oder sogar einer pro 50, dann sind wir in der richtigen Diskussion, und die würden wir dann auch gerne weiter führen.
    Pfister: Michael Töpler war das, der stellvertretende Vorsitzende des Bundeselternrates, der sagt, die Schulen brauchen unbedingt Sozialarbeiter und der Bund sollte das Geld dafür geben. Danke Ihnen, Herr Töpler!
    Töpler: Ja, herzlichen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.