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Schulen in Flammen
Krise im kenianischen Bildungssystem

Über 100 Schulen wurden in den vergangenen drei Monaten in Kenia angezündet. Zwar sind die Verantwortlichen alles andere als identifiziert, an Verdächtigen mangelt es aber nicht: zu den potenziellen Tätern zählen Schüler sowie die Überreste eines Betrugskartells, das Prüfungs-Lösungen verkauft hat. Selbst Lehrer werden für die Übeltäter gehalten.

Von Linda Staude | 11.08.2016
    Streichholz
    Wer genau für die Brände verantwortlich ist, ist bislang unklar. (imago/Jochen Tack)
    Meterhohe Flammen lodern aus dem Schlafsaal der St. Patrick's Highschool in Iten, einem Städtchen mitten im idyllischen Rift Valley, knapp 350 Kilometer nordwestlich von Nairobi. Der Brand wütet Stunden, bevor die Feuerwehr ihn unter Kontrolle bringen kann. Ein paar verkohlte Balken, geschwärzte Bettgestelle und die Asche der persönlichen Habseligkeiten der Schüler – viel mehr ist von dem Gebäude nicht übrig geblieben.
    "Ich bin völlig fertig", sagt Schuldirektor Wilson Yego fassungslos, "dass so etwas an einer Schule wie unserer passieren kann. St. Patrick's gehört zu den bekanntesten und besten Schulen Kenias."
    "Jemand ist gesehen worden, als er aus dem Schlafsaal rannte und über den Zaun gesprungen ist – mit verhülltem Kopf. Schüler haben ihn gejagt, aber er war zu schnell."
    Brandstiftung ist in letzter Zeit beinahe schon Alltag an Kenias Schulen: In den vergangenen gut drei Monaten sind über 100 Highschools in Flammen aufgegangen, quer über das ganze Land verteilt. Wer dahinter steckt, darüber wird nur spekuliert. Verdächtig sind an allererster Stelle die Schüler
    "Manche glauben, dass der beste Weg, ihre Frustration loszuwerden, das Niederbrennen von Schlafsälen ist. Sie verstehen nicht, dass ihre eigenen Eltern die wieder aufbauen müssen. Das ist schändlich", wetterte Kenias Präsident Uhuru Kenyatta, der sich persönlich mit der Krise befassen musste. In einigen Fällen ist der Verdacht wohl berechtigt. Im kenianischen Fernsehen hat ein Täter anonym seine Gründe für die Brandstiftung genannt. Schockierend banale
    "Die haben die Vorschriften geändert. Wir müssen jetzt mit den Löffeln und auf den Tellern der Schule essen. Das hat uns gar nicht gefallen. Das Geschirr wird nicht sauber gespült. Es ist ölig, und man isst sein Essen voller Skepsis."
    Auch Lehrer unter den Verdächtigen
    Die Regierung vermutet schwerwiegendere Gründe: Prüfungsangst. Im vergangenen Jahr ist ein Betrügerring aufgeflogen, der im großen Stil Examensfragen vorab verkauft hat. Uhuru Kenyatta:
    "Jetzt gibt es keine Prüfungsfragen mehr zu kaufen. Panik bricht aus. Schüler suchen neue Wege, ihren Frust abzubauen. Lasst das sein! Ihr werdet die Prüfungen ablegen. Und diesmal auf saubere Art."
    Andere vermuten, dass die Überreste des Betrugskartells die Schulen aus Rache anzünden oder dass geprellte Eltern die Drahtzieher sind. John Awiti, der Chef der Rektorenkonferenz, hält das alles für Quatsch
    "Ich glaube nicht, dass das stimmt. Denn an einigen der abgebrannten Schulen hat es keine bekannten Fälle von Betrug gegeben."
    Bleibt das Schulpersonal. Neben 150 Schülern hat die Polizei mittlerweile auch zehn verdächtige Lehrer festgenommen. Ihr mögliches Motiv: Ein Protest gegen die unpopulären Reformen des neuen Bildungsministers. Fred Matiang'i hat seit seinem Amtsantritt im vergangenen November zum Beispiel die Ferien verkürzt und eine schärfere Kontrolle der Schulfinanzen durchgesetzt
    "Zünden Leute Schulen an, um sich ihrer Rechenschaftspflicht zu entziehen? Damit Dokumente und Rechnungen in den Büros verbrennen? Unsere Probleme hängen mit systematischer Straflosigkeit zusammen."
    Für Missmanagement oder sogar Unterschlagung. Wer mit welchen Verdächtigungen nun Recht hat, weiß niemand so genau. Eine Lösung der Krise im kenianischen Bildungssystem ist damit nicht in Sicht. Zumindest aber eine Atempause: In den kommenden zwei Woche sind Ferien und die Schulen bleiben geschlossen.