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Schulinspektionen
Ganz ohne Druck scheint es nicht zu gehen

Wie gut sind unsere Schulen? Schulinspektoren versuchen seit Jahren, diese und andere Fragen durch Evaluationen zu beantworten. Im Abschlussbericht werden dann Stärken, Schwächen und Probleme aufgezeigt, doch harte Sanktionen sind in Deutschland bislang keine Option.

Von Ronny Arnold | 16.10.2014
    Schüler malen an einer Hauptschule in Arnsberg (Sauerland).
    Wie gut eine Schule ist - das liegt an vielen Faktoren (dpa / picture alliance / Fabian Stratenschulte)
    Kurzbesuch an der 138. Oberschule in Dresden Gorbitz. Etwa 300 Schüler werden hier von 25 Lehrern unterrichtet. Im 1. Stock wartet Schulleiter Frank Lotter – er kennt den Ablauf der Schulevaluation ganz genau.
    "Hier werden die Schüler, Eltern und Lehrer befragt mittels eines Fragebogens und dazu kommen 20 bis 30 Unterrichtsbeobachtungen, je nach Anzahl der Klassen in der Schule. Und im Rahmen des Schulbesuchs werden noch Gespräche durchgeführt, mit einer Schülergruppe, Elterngruppe und auch einer Lehrergruppe."
    Hinzu kommen weitere messbare Daten, wie etwa die Zahl der Nicht-Versetzten und Prüfungsergebnisse. Daraus ergibt sich ein Gesamtbild der jeweiligen Schule, extern bewertet von einer Kommission. Alle öffentlichen Schulen in Sachsen haben diesen Prozess mittlerweile durchlaufen. Stärken, Schwächen, Probleme sollen aufgezeigt werden – in Unterricht und Verwaltung. Für Frank Lotter eine sinnvolle Hilfe.
    "Sich selbst Ziele zu setzen und an diesen Zielen zu arbeiten. Die Ergebnisse zeigen der Schule einfach auf, wo sie steht, auch im Vergleich zu anderen Schulen im Durchschnitt. Die große Herausforderung ist es für die Schulleitung, die Ergebnisse in den Schulalltag einzubringen. Das Tagesgeschäft frisst einen wirklich an manchen Tagen, Wochen auf."
    Ausdrücklich sind das in Sachsen aber keine Inspektionen. Werden im Abschlussbericht Punkte negativ bewertet, Probleme festgestellt, liegt der Ball allein bei den Schulen.
    "Hier steht die Philosophie: Änderung durch Einsicht. Damit ist die Schule in der eigenen Verantwortung, mit den Berichten entsprechend umzugehen. Hier ist also kein Druck dahinter und die Zielvereinbarung, die mit der sächsischen Bildungsagentur getroffen wird, die wird mit dem für die Schule zuständigen Referenten ausgehandelt."
    Einen zahnlosen Tiger nennen Kritiker dieses System der Selbstheilung. Dorit Stenke kennt diesen Vorwurf. Sie ist die Direktorin des sächsischen Bildungsinstitutes, das die externen Evaluierungen durchführt – und sie ist Teilnehmerin an der Internationalen Konferenz der Schulinspektoren.
    "Aus Erfahrung wissen wir, dass der Tiger zahnlos erscheint, aber für die Schulen durchaus nicht zahnlos ist. Allein die Ankündigung der externen Evaluation bewirkt an den Schulen Bewegung. Das heißt, die fangen an, sich Gedanken zu machen, über ihre eigene Qualität, wie sie eigentlich zusammen arbeiten und sie erkennen oftmals schon im Vorfeld Defizite."
    Was tun mit Problemschulen?
    Wenig Druck, viele Gespräche – Inspektoren anderer Länder gehen mit Problemschulen wesentlich strenger um. Harte Sanktionen – in Deutschland keine Option, so Stenke.
    "Es gibt in Deutschland fast kein Land, was mit Sanktionen arbeitet. Das hat auch was mit der Verfasstheit unserer Schullandschaften zu tun. Wir haben wenig Möglichkeiten Schulleitungen zu sanktionieren, wir tendieren in unserem Land auch nicht dazu, einfach mal Schulen zu schließen und zu sagen: Kinder, geht doch woanders hin. Das machen die Engländer durchaus und auch die Schweden. Wir denken, man muss verstehen können, warum Dinge nicht funktionieren. Und dann kann man auch anfangen die Dinge zu verändern."
    Doch hilft das Schulleitern und Lehrern, ihre Arbeit auch kritisch zu hinterfragen? Und unseren oft gescholtenen Schülern, besser auf Studium und Arbeitsmarkt vorbereitet zu sein? In Sachsen wurde die Uni Leipzig beauftragt, quasi die Evaluation zu evaluieren. Der Bericht wird nun ebenfalls auf der Konferenz vorgestellt. Daniel Diegmann hat die Studie ausgewertet – und positive Effekte an den Schulen nachgewiesen.
    "Ihnen wird über die Evaluationsberichte eine bestimmte Norm vermittelt, was Schulen sein sollen, nach welchen Kriterien sie arbeiten sollen, was gute Schule ist. Und das haben wir auch schon in unserem Material rausbekommen, also dass das schon etwas ist, was die Schulleitung und auch die Lehrkräfte ganz stark auch mit beschäftigt."
    In Sachsen rollt nun die zweite Evaluationswelle an. Mit leicht angezogenen Sanktionsschrauben, so Dorit Stenke – weil man wohl, Zitat: "doch ein wenig zu harmlos gedacht hat". Die Schulaufsicht, als weisungsbefugte Institution, soll nun stärker ins Boot geholt werden. Gemeinsam mit den Schulen sollen konkrete Zielvereinbarungen zu Papier gebracht werden. Verbindlich, nachprüfbar und mit einem zeitlichen Fahrplan versehen, wann Ergebnisse beziehungsweise Veränderungen umgesetzt sind. Ganz ohne Druck scheint es wohl doch nicht zu gehen.