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Schulpolitik
Warum Sachsen keine Lehrer findet

Keine Chance auf Verbeamtung, wenig Geld und viel Arbeit: Der Lehrberuf in Sachsen ist alles andere als attraktiv. Aktuell fehlen rund 1.200 Lehrkräfte, vor allem an Mittel- und Grundschulen. Darum hat das Kultusministerium in diesem Jahr früher als sonst mit der Personalsuche begonnen. Mit mäßigem Erfolg.

Von Bastian Brandau | 25.06.2016
    Eine Tafel in einem Klassenzimmer einer Schule, aufgenommen am 10.03.2015 in Leipzig.
    In Sachsen fehlen 1.200 Lehrer und Lehrerinnen. (pa/dpa/Ending)
    Ferienbeginn im Juni – seit gestern genießen in Sachsen Schüler und Lehrer die freie Zeit. Wer sich in Schulen oder Behörden allerdings mit der Personalplanung befasst, dürfte den Urlaub weniger entspannt sehen. Denn in Sachsen fehlen Lehrer, 1.200 neue will das Land in diesem Sommer einstellen, für die Gewerkschaften könnten es noch mehr sein. Lehrer fehlen vor allem an Mittel- und Grundschulen, und insbesondere in den ländlichen Regionen abseits der Großstädte Dresden und Leipzig. Und überall und in allen Schulformen in den Mangelfächern wie Mathe und Physik.
    Ergebnis jahrelanger Sparpolitik
    Früher als sonst hat das Kultusministerium in diesem Jahr begonnen, neue Lehrkräfte zu suchen. Sachsen hat jahrelang beim Personal gespart, zeitweilig gab es sogar einen Einstellungsstopp. Und jetzt? Gibt es für viele Stellen nicht ausreichend qualifizierte Bewerber. Kultusministerin Brunhild Kurth, CDU, sagte zu Beginn der Woche im Interview mit dem MDR:
    "Wir steuern jetzt die Zahl 1.000 bei den Einstellungen, bei den Arbeitsverträgen an. 1.200 Lehrerinnen und Lehrer können wir ja einstellen. Natürlich wird jetzt die letzte Etappe, die 200 Stellen noch zu besetzen, wird die Schwierigste werden."
    Schwierig, aber durchaus noch möglich, so klingt das bei der Ministerin. Weniger optimistisch ist man dort, wo die Stellen besetzt werden sollen. Michael Jung ist Lehrer in Freiberg zwischen Dresden und Chemnitz. Beim Sächsischen Lehrerverbund ist er zuständig für die Betreuung der Junglehrer.
    "Wir stellen ja nicht 1.000 Lehrer ein, die wir jetzt vielleicht schon irgendwo haben. Es ist ja eine ganz ganz große Zahl von Seiteneinsteigern schon dabei. Die Lücke, die noch besteht, von denen denk ich noch mal über 200 Leuten, die wird für mich ganz ganz schwer schließbar sein. Also gerade jetzt hier in der Chemnitzer Region. Man freut sich über jeden Erfolg, über jeden einzelnen, den man begeistern kann für diesen Beruf, aber ausgebildete Lehrer die sind definitiv nicht mehr auf dem Markt."
    Schwierige Suche
    Der Markt an ausgebildeten Lehrern in Sachsen: leer. Von den neuen Oberschullehrern in Chemnitz sind drei Viertel Seiteneinsteiger. Dazu die Konkurrenz aus anderen Bundesländern. Auch von denen, die schon in Sachsen unterschrieben haben, werden einige den Dienst nicht antreten, wenn sie anderswo noch eine Stelle bekommen.
    Fast überall werden Lehrer verbeamtet, müssen so deutlich weniger Abgaben auf ihr Gehalt zahlen. Sachsen stuft zudem seine angestellten Lehrer in niedrigere Gehaltsgruppen ein als andere Bundesländer. Ein Neueinsteiger bekomme etwa 500 Euro brutto weniger als in anderen Bundesländern, sagt Jung. Dazu kommt:
    "Er hat ein sehr sehr hohes Stundendeputat von 26 Stunden. Das ist mit führend in der Bundesrepublik. Die volle Palette, keine Abminderung für Klassenleiter-Tätigeit."
    Geld sei nicht alles, sagt Christoph Genzel, Referent für Lehramt des Studierendenrats der Uni Leipzig. Aber es zeuge eben auch von der Wertschätzung, die ein Bundesland seinen Lehrern entgegenbringe. Und sei für viele ein Argument, Sachsen zu verlassen. Ein anderes: Die Intransparenz der Behörden:
    "Ich muss also, wenn ich mich für den Vorbereitungsdienst bewerbe, eigentlich transparenter erfahren, welche Chancen habe ich."
    Anreize schaffen
    Nicht überzeugend findet Genzel auch die Versuche der Landesregierung, mehr Lehrer für die ländlichen Regionen zu gewinnen. Wer in einer Großstadt studiert habe, habe nun einmal andere Erwartungen:
    "Da muss ich Mobilitätsanreize schaffen, da muss ich auch sagen, das sind Leute, die Familien gründen, und mit diesen Familien muss ich mobil bleiben. Da muss es Mobilitätszuschläge geben, da muss ich darüber reden, wie ist denn die Infrastruktur in den ländlichen Räumen."
    In den ländlichen Regionen Sachsens: ausbaufähig. In der Region Leipzig immerhin so gut, dass nicht wenige nach dem Studium von dort ins benachbarte Sachsen-Anhalt pendeln. Auch der zukünftige Physik- und Chemie-Lehrer Christoph Genzel, übrigens Mitglied der in Sachsen regierenden CDU, sieht seine Zukunft anderswo:
    "Nachdem ich das jetzt vier Jahre verfolgt habe, muss ich für mich schlussfolgern, dass ich dann doch ein anderes Bundesland bevorzuge, in meinem Fall konkret wäre das Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Hessen."