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Schulwald statt Smartphone
Bayern will Kinder wieder mehr für die Natur begeistern

Im Matsch buddeln, Vogelstimmen erkennen, Bäume fällen: Bayern will mit Schulwäldern Kinder mehr für die die Natur begeistern. Schulklassen erhalten die Verantwortung für einen Wald und sollen so die Vielfalt des Waldes und seiner Bewohner hautnah erfahren können.

Von Susanne Lettenbauer | 17.05.2016
    Kinder im Grünen
    Bayern will die Schulwälder wieder an den Schulen etablieren und Kindern damit ein Gefühl für die Natur vermitteln. (Deutschlandradio/ Susanne Lettenbauer)
    "Also, am Anfang war ein Förster bei uns, der hat uns alles gezeigt und der hat uns vorbereitet, wie man das alles macht und so." - "Der hat uns gesagt, dass wir ein Waldbild machen sollen oder ein kleines Haus für Tiere oder so."
    In der Klasse 4e der Grundschule Karlsfeld bei München sind die Kinder begeistert. Vor zwei Wochen wurde ihnen ein Schulwald übergeben vom Bayerischen Forstminister. Viele Beamte begleiteten den Termin. Aufgeregt waren sie, erzählen die Neun- und Zehnjährigen, weil es während der Schulzeit nach draußen ging – ohne Schulbücher und -hefte. Nur mit Schaufel und vielen Ideen und dem Versprechen, den Schulwald ab sofort häufiger in den Stundenplan mit einzubeziehen:
    "Also wir haben zuerst ein Gerüst mit Stöcken gebaut, danach haben wir Gras genommen, haben es darüber für das Dach, und dann haben wir innen noch Äpfel hingetan und es ganz gemütlich gemacht."
    Wald hautnah erleben
    In vier Gruppen überlegten die Schüler, was ein Wald eigentlich ist, welche Tiere dort leben, wie die Bäume heißen, welche Bedeutung er für den Menschen hat und wie man einen Wald pflegen könnte:
    "Also, das ist halt anders, weil man dann nicht auf Stühlen sitzt, sondern man ist dann an der frischen Luft und in der Natur und dann kann man besser was lernen, weil es da schöner ist als hier im Klassenzimmer. Da hat man auch Vögelgezwitscher und so. "
    Die Kinder von einer ganz anderen Seite erleben
    Mit Unterstützung der Gemeinde hätten die Schüler der Grundschule bereits früher Bäume gepflanzt, aber die Verantwortung für einen Schulwald zu übernehmen, sporne die Kinder doch mehr an, freut sich Barbara Sparr, Konrektorin und Lehrerin der 4e. Ab der dritten Klasse ist das Thema Wald im Lehrplan vorgesehen, als Faktenwissen. Ihr ist aber etwas anderes wichtig:
    "Als beispielsweise soziales Lernen ist ein ganz großer, wichtiger Punkt. Wenn man in den Wald geht, kennt man die Kinder plötzlich von einer ganz anderen Seite, denn sie verhalten sich im Wald anders als im Klassenzimmer. Da haben wir plötzlich gemerkt, dass schüchterne Kinder da richtig Initiative ergreifen und ganz tolle Sachen auf die Beine stellen und andere, die sich manchmal nicht so an Regeln halten wollen, sind da auch in ihrem Element und machen das auch ganz toll."
    Die Themenvielfalt, die man im Wald abdecken kann, ist enorm, ermuntert die bayerische Initiative der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald potenzielle Interessenten. Nicht nur Biologie, Biochemie, Klimatologie oder Physik könne man direkt im Wald anschaulich erklären, auch Soziologie, Architektur und sogar Literatur und Musik sei eng mit dem Thema Wald verbunden, hat diese Schülerin von einem Jäger gelernt:
    "Also es gibt so ein Taschenhorn, das ist ein bisschen kleiner und dann noch ein größeres. Und wenn die da rein blasen, wissen sie, aha, da ist was, der braucht vielleicht Hilfe oder so, dann treffen sich sich dann immer irgendwo da. "
    Im Matsch buddeln statt auf dem Smartphone spielen
    "Also es ist sicherlich schon ein kleines Gegengewicht gegen die Smartphone-Gesellschaft",
    hofft Lothar Gössinger, Initiator der neuen Schulwald-Kampagne und Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in Bayern:
    "Wir haben vor einigen Jahren eine Untersuchung gemacht und mussten da feststellen, dass von zwölf vorgelegten Baumarten – nicht nur im Bild, sondern auch materiell vorgelegten Baumarten - nur noch 3,7 bekannt waren bei den Kindern der dritten und vierten Klassen. "
    Diese Wissenslücken ließen sich heute rasch durch zahlreiche Apps zur Bestimmung von Bäumen, Vögeln, Pilzen, Blättern oder Beeren schließen. Doch genau das will Lehrerin Sparr nicht. Schulwald bedeutet für sie und Schulleiter Roland Karl: Weg vom Smartphone und die Natur mit allen Sinnen begreifen:
    "Also ehrlich gesagt, ich finde jetzt, wenn man in den Wald geht dann soll es auch wirklich bei den Natursachen bleiben und da sollen die elektronischen Medien draußen bleiben. Also die haben permanent die Handys und Laptops und im Wald haben sie es eben nicht und wie es trotzdem ein toller Vormittag wird ohne diese Sachen, das sollen sie halt einfach erfahren."